WIESBADENER KURIER

Sue Patchells Senta stirbt schließlich in Saskia Fischers Armen. Aus der Traum, der auch ein Weg ins Freie war. Die überlebende Senta entfernt sich geläutert und läßt ihre spießigen Familienbande zurück. Dazu webt die Harfe Verklärung. Toshiyuki Kamioka dirigiert nämlich die 1860 von Wagner montierten Schlüsse. Das paßt in diesem Fall besonder gut: Happy-End. Das Premieren-Publikum im Großen Haus des Staatstheaters ist anhaltend begeistert. (...) Die von Peter Hartmann und Thomas Lang einstudierten Damen und Herren von Chor und Extra-Chor leisten Vortreffliches, ob nun als zankendes Spinnstuben-Kränzchen, als wüste Meute geiler Matrosen oder in der Geisterbahn der Holländer-Besatzung. Die stimmlichen Leistungen haben auch sonst Format: Bayreuth ließ nicht nur im Konzept, sondern auch im Personal grüßen: Simon Estes war einst Kupfers Holländer, und nun gibt er, immer noch von beeindruckender baßbaritonaler Wucht, seinem “Die Frist ist um” eine unheimliche Glaubwürdigkeit. Ein mit seinem männlich-herben Timbre sehr “authentischer” Holländer... Andreas Scheidegger bestand sehr gut als Steuermann, der - ein netter Gag - hasenfüßig vor dem Holländer davonläuft. Ewa Marciniec war eine ungewöhnlich frische Mary, und Endrik Wottrichs kraftvoll- nuancierter Erik läßt schönste Hoffnungen für den heldentenoralen Nachwuchs aufkeimen. Auch er hat ja bereits einige Erfahrungen auf dem Grünen Hügel gesammelt. Die vielleicht überzeugendste Leistung brachte Hans-Peter-König: kein chargierender Daland, sondern ein seriöser, voll aussingender Baß mit enormen Volumen. Die Sänger hatten sich den starken Applaus jedenfalls redlich verdient.

 

Wiesbadener Tagesblatt

Bei Thorwald agieren auf der Szene zwei Frauen, die reale Senta (sensibel und berührend von Saskia Fischer dargestellt) und die von ihr auf die Szene projizierte, der Sue Patchell faszinierende schauspielerische und gesangliche Statur mit voluminösen Spitzentönen verlieh. Schon zu Beginn, während der Ouvertüre wird die Ambivalenz zwischen karger, unpersönlicher Umwelt und der nach Selbstverwirklichung durch Aufopferung verlangenden Senta deutlich, die den Tisch des Elternhauses verläßt und ihr Traumland betritt. Helmut Stürmers variable und situationsgerechte Szene erlaubt eine pausenlose, der Spannung dienende Aufführung. Da gibt es suggestive Bilder, so im Aufrichten eines rot gerahmten Schiffsbugs mit dem im Hintergrund immer gegenwärtigen, dann später blutroten Segel des Holländerschiffs in der wieder bemerkenswerten Lichtregie Thomas Märkers. (...) Das Fundament zu dieser beeindruckenden und mit Ovationen bedachten Aufführung in den dem Inszenierungsstil gut angepaßten Kostümen Ute Frühlings legte im Orchestergraben GMD Toshiyuki Kamioka in expressiver Leidenschaftlichkeit. Manchmal geradezu berstend vor Vitalität verlieh er dem Drama mit seinem bestens vorbereiteten Orchester den großen Atem in intensiv drängender Spannung.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Regisseur rahmt das gesamte Holländer-Drama konsequent als Traumvision der Protagonistin. (...) Die Verklärung erfolgt im Erwachen, das die bösen Wünsche nach weiblicher Selbstaufgabe ebenso verscheucht wie die dämonische Seefahrerfigur. Die vom Alptraum geläuterte Senta kehrt fortan jedoch auch der beklemmenden Enge ihrer kleinbürgerlichen Umgebung den Rücken.