Darmstädter Echo Mozarts Oper "Idomeneo" am Darmstädter Staatstheater Von Albrecht Schmidt Mozarts "Idomeneo" habe "keine lebendige Wirkung mehr auf der Bühne", stellte der Musikkritiker Eduard Hanslick im Jahr 1875 fest. Vielleicht hatte er damit so Unrecht nicht, denn bis heute ist Mozarts mythologische Schicksalsoper, die als "Dramma per musica" 1781 in München uraufgeführt wurde, ein Theater-Schmerzenskind geblieben. Umso bemerkenswerter und mutiger - ist es, dass Claus Guth für seine Darmstädter Regiearbeit just "Idomeneo" gewählt hat. Die disparate Form und die weitläufige Dramaturgie des Werkes haben Guth offenbar ebenso gereizt wie Mozarts experimentierfreudige Musik mit ihren aufgeladenen Accopagnato-Rezitativen, dem Furor der Chorszenen und ihrer durchkomponierten Struktur. Es nimmt nicht wunder, dass der Regisseur sich gegen einen konventionellen, historischen Ansatz entschied - Guth hat es vielmehr verstanden, aus der Handlung um Schuld und Sühne, Eifersucht und Happy-End, Naturgewalt und Seelenaufruhr den aktuellen Appellcharakter herauszufiltern. Das mutet schwierig an, denn der Opernstoff ist, nicht zuletzt wegen der aufgeblähten Textvorlage des Salzburger Hofkaplans Varesco, unnötig kompliziert und barock überladen: Es ist die Geschichte des Kreterkönigs Idomeneo, der aus dem Troianischen Krieg heimkehrt und in einem Seesturm gelobt, im Falle glücklicher Rettung den ersten Menschen zu opfern, der ihm begegnet. Er trifft Idamante als ersten seinen eigenen Sohn. Als Ilea, eine troianische Prinzessin, jedoch aus Liebe zu Idamante bereit ist, für diesen zu sterben, zeigen die Götter Erbarmen: Idamante soll anstelle von Idomeneo neuer König von Kreta werden. Guth ließ sich von diesem Vater-Sohn-Konflikt und den damit verbundenen Fragen von Macht und Machtverlust zu seiner Aktualisierung anregen. In plakativen Bildern zeigt er die Allmacht der Natur, der überirdischen Mächte. Auf der anderen Seite steht die Ohnmacht der Menschen - alle tragen sie, wie Idomeneo es singt, "das Meer im Herzen", alle sind sie in innerem Aufruhr. Der Krieg findet in den Personen statt: In ihrer Not schreiben Ilea und Idamante "Help" auf ein Blatt Papier und halten es in die Höhe. Gebrandmarkt vom Krieg kehren Idomeneos Soldaten heim - am Ende der Oper sind sie freilich blindlings wieder bereit zu kämpfen: Verwundete mit blutigen Kopfverbänden und Krücken, verkrüppelte Ordensträger in Rollstühlen, der König selbst in blutverschmiertem Hemd, die Bevölkerung dahinsiechend in Feldbetten. Provokant schrill und damit bestechend klar sind die Bühnentableaus und die Kostüme von Christian Schmidt: Große Bildtafeln, die sich gespenstisch bewegen, begrenzen die Aktionsräume der Akteure: Da wird ein strahlend blauer Himmel zerrissen von der Aufschrift "Krieg", Gericaults Gemälde "Das Floß der Medusa" ist als Seesturm-Zitat auf den Kopf gestellt, ein riesiger Luxusdampfer versinkt in stürmischer See, und in einem apokalyptischen Flammen-Inferno ist Überleben nur mit Gasmasken möglich. Wasser und Feuer sind hier als archaische Katastrophen-Metaphern. Idomeneos Machtzentrale ist mit Clubsesseln, einem übergroßen Konferenztisch und einer Blümchentapete ausstaffiert. Beklemmend ist am Ende das Lazarett als fensterloser Raum mit steil aufragenden Wänden: Das alles sind zwingende Bilder, deren Wirkung aber gelegentlich durch allzu dick aufgetragene Regie-Attitüden abgewertet wird. Da wäscht sich der König gleich mehrfach die Hände in Unschuld - mit Erde, Wasser und schließlich mit Gin aus der Hausbar. Da reißt Idomeneo zornig sein Konterfei aus dem Bilderrahmen und zerfetzt es oder bekommt er, als er seinem Sohn den Todesstoß zufügen soll, eine mächtige Schlächterschürze umgebunden. Weniger wäre an solchen Stellen mehr. Ähnlich ist es mit der Bewegungsregie. So plausibel manche der standardisierten, leitmotivischen Gesten sind und so faszinierend konforme Abläufe bei den Chorszenen sich darstellen, so unpassend sind sie beispielsweise im Quartett des dritten Aktes, wo solch slapstickhafte Uniformität quersteht zu den existentiellen Nöten der vier Personen. Für die italienisch gesungene Aufführung (mit deutschen Übertiteln) hat das Darmstädter Staatstheater ein ausgezeichnetes Sängerensemble zur Verfügung. Susanne Reinhard, im Drillichanzug und mit jugendlich struppigen Blondsträhnen, macht aus dem Idamante eine Paraderolle - sowohl stimmlich als auch in der genauen Zeichnung des Charakters zwischen Entschiedenheit und Empfindsamkeit. Mit sensibler Phrasierung und transparentem Klang, wenn auch darstellerisch etwas schwächer, porträtiert Andrea Bogner die Ilea. In scharfem Kontrast dazu steht Doris Brüggemanns rachsüchtige Elektra: eine hochdramatische Exzentrikerin in strengem blauem Kostüm und fahrigen, zuckenden Bewegungen. Die Titelpartie sang Richard Brunner mit angenehm gefärbtem, nie aufdringlichem Tenor. Glaubhaft seine Demontage vom Potentaten, der alles aussitzen will, hin zum müden Verlierer, der seinen Thron räumen muss. Tenoral brillant auch Matthias Wohlbrecht als Arbace: eine glatte, mit einem Schuss Ironie ausgestattete Berater-Figur. Richard Byrdy gestaltete - ebenfalls ansprechend - die Rolle des Oberpriesters, und Peter Klaveness sang (leider vom Band eingespielt) mit nobler Sonorität "La Voce", die überirdische, das glückliche Ende verheißende Stimme. Großartiges leistete der Chor des Staatstheaters (Einstudierung: André Weiss) sowohl in den lyrischen Stimmungen wie in der packenden Schilderung der Naturgewalten. Franz Brochhagen zeigt am Dirigentenpult innige Vertrautheit mit Mozart. Das Orchester des Darmstädter Staatstheaters klang sorgsam ausbalanciert und übertönte nie die Stimmen. In der Konturierung der Mozartschen Besonderheiten (gedämpfte Blechbläser, fein ziselierte Instrumentation) sind in den nächsten Aufführungen mit Sicherheit jedoch genauso Steigerungen möglich wie in der Exzessivität der musikdramatischen Eruptionen oder in der Präzision der Übergänge zwischen Ariosi, Accompagnato- und Secco-Rezitativen (zuverlässig: Jendrik Springer und Michael Veit an Cembalo und Violoncello). Am Ende der dreistündigen Premiere gab es große Zustimmung für den Chor und das Sängerensemble sowie Anerkennung für Orchester und Dirigenten. Regisseur und der Bühnenbildner der denk- und diskussionswürdigen, aber durchaus impulsgebenden Inszenierung sahen sich dagegen einer kräftigen Buh-Front ausgesetzt. |
Dienstag 5. Juni 2001 Poseidons Bilder-Sturmflut Von Bernhardt Uske Mit dem Teleprompter am Bühnenhimmel hat ein Gutteil der Bilder ausgedient, die vormals mittels Zeichen und Symbolen ein umständliches Über- und Untertiteln des unverstehbaren Gesangs abgeben mussten. Den Opernmachern aber scheint, wie man jetzt wieder in Darmstadt erleben kann, der musiktheatralische Schilderwald heilig, und das besonders dann, wenn er so lieb gewordene Themen wie Krieg, Opfer, Sieg, Leidenschaft betrifft. Und die boten sich Mozart reichlich mit dem Idomeneo, seiner letzten opera seria: jenem ruinösen, von der italienischen Repräsentations-Tradition übernommenen Nummernsystem, das seinen Zweck in der Emission von Belcanto-Arien erfüllt. Mythologie im Westentaschenformat ist immer der rote Faden, dessen sich Mozart wie eines Schimmelpilzes annimmt am Wirtsstamm sich festmachen und dann mit eigenem dichten und komplexen Gewebe alles überspinnen. So haben die Seria-Arien hier Tiefenschärfe und artikulatorischen Radius, die Chöre sind gestenreiche, auch individualisierte Kollektive und die musikalische Begleitung hat deutende, unterschwellige Schichten und Zusammenhänge aufzeigende Funktion. Solisten, Chor und Orchester des Staatstheaters Darmstadt treffen diesen Mozart under cover sehr gut, ohne dafür den Umstürzler auf leisen Sohlen zu einem stürmenden Dränger aufbrezeln zu müssen. Das besorgt statt dessen der Regisseur Claus Guth zusammen mit dem Bühnen- und Kostümbildner Christian Schmidt um so gründlicher, indem sich die beiden entschieden dem textlichen Vorwurf widmen. Der bietet die Geschichte von der Verstrickung des kretischen Königs Idomeneo in die Händel der herrsch- und eifersüchtigen Olympier, die ein Menschenopfer fordern (bühnenpräsent und stimmstark Richard Brunner). Der arme Kerl ist zufälligerweise der eigene Sohn Idamante (in der Hosenrolle mit manchmal etwas labiler Intonation Susanne Reinhard). Die junge gefangene Königstochter aus Troja Ilja (lebhaft und stimmschön Andrea Bogner) liebt eben diesen Sohn, den auch Elektra begehrt (mit breiter Stimme ganz Grande Dame Doris Brüggemann). Dem Librettisten Gianbattista Varesco, den Kurt Honolka zu Recht eine "eitle Null" nennt, sind beim Textverfertigen Stringenz, Abgründigkeit und Perspektivität Fremdwörter gewesen; dem scheint das Darmstädter Inszenierungsteam gefolgt zu sein. Treu dem Opera-Seria-Schema jagt ein Bild das andere, und so wie weiland die Nummern-Arien in die Ohren träufelten, so jetzt die knalligen Bilder in die überreizten Augen. Ästhetisch wird auf das Modell Hochglanz-Werbebroschüre gesetzt: große fotorealistische Prospekte, saubere Designer-Interieurs. Fesch machen sich die Gefangenen in grell-orangfarbenem Drillich vor marineblauer Himmelskulisse. Idamante ist ein hipper Gelbschopf-Gutmensch, während Elektra mit dem Establishment kungelt und als Heroine aus Ufa-Zeiten geht. Der Rest: bieder-harmlose Machthaber, Streber. Die Massen sind mal Krüppelchor (wenn vom Sieg die Rede ist), mal smarte Marinetruppe (wenn es um die befriedete Zukunft geht). Poseidons Meeresungeheuer, das Opfer fordert, stellt sich als zweidimensionaler Titanic-Kulissenuntergang heraus, und der Tempel samt Opferstätte ist ein cleanes Lazarett, wo die heilige Handlung als Tod auf dem elektrischen Stuhl zelebriert wird. Während man auf dem Olymp ein Einsehen hat und wegen guter Führung der Beteiligten alles abbläst, sind die Opernbilder gnadenlos und fangen zuletzt an, sich gegenseitig zu erschlagen. Statt in der Logik des Hightech-Endes auf den Knopf zum Töten zu drücken, greift Idomeneo bühnenwirksam zum Beil ... Gut, dass sich für manche Szene kein Bild findet - da ist dann auf einmal Mozart zu erleben. |
egotrip.de Juni 2001 Mozarts Oper "Idomeneo" im Staatstheater Darmstadt Es ist immer ein heikles Unterfangen, eine klassische Oper - mehr noch als ein Schauspiel - in eine moderne Umgebung zu versetzen. Überall lauern die Untiefen der Lächerlichkeit und Unange-messenheit. Wer es jedoch wagt, kann nur durch Konsequenz den Erfolg sichern, auch unter dem Risiko, dem Publikum einen Schock zu versetzen. Die von Claus Guth am Staatstheater Darmstadt inszenierte Oper "Idomeneo" von Wolfgang Amadeus Mozart geht dieses Risiko ein und erweist sich damit als gelungener Versuch einer eindringlichen Interpretation. Wenn in der Eröffnungszene die in Kreta gefan- gene trojanische Prinzessin Ilia (Melanie Kreuter) ihre hoffnungslose Liebe zum kretischen Prinzen Idamante besingt, tut sie dies in einer orange- farbenen Gefangenen-Kluft modernen Zuschnitts vor einem übergroßen Bild eines blauen Himmels und weißer Wolken, wobei die Scheinwerfer hellenische Helligkeit herbeizaubern. Quer über den heiteren Himmel prangt das Wort "Krieg", und zwei Katheder links und rechts symbolisieren die Antipoden in dieser Auseinandersetzung. Der hinzukommende Idamante trägt Militär-Tarnhosen und dazu Blazer und Krawatte, eine Mischung aus staatlicher und wirtschaftlicher Macht. Beide Protagonisten nutzen bei Ihrem Auftritt die Kathe- der im Stile machtvoller Persönlichkeiten. Die Anspielung auf die Bedeutung wirtschaftlicher Macht mag man auch in der Ähnlichkeit des Bildes zum Hintergrund von Bill Gates΄"Windows 95" deuten, muss es aber nicht. Die noch versteckte Ironie dieses Auftaktes verstärkt sich mit dem Fortgang der Handlung. Wenn König Idomeneo (Christian Elsner) als einziger Überlebender eines gewaltigen Sturmes - in Kapitänsuniform die Bühne tritt, so tut er dies durch eine ebenfalls bühnengroße Kopie des "Floß der Medusa" hindurch. Den naiv-programma- tischen Effekt eines solchen Hintergrunds wendet Guth jedoch ins Ironische, indem er das Bild auf den Kopf stellt. Davor lässt er dann Idomeneo im bluttriefenden Hemd auftreten. Das "Floß der Medusa", auf den Kopf gestellt Überhaupt nimmt Guth den Text des Librettos wörtlich. Werden in herkömmlichen Inszenie- rungen die Berichte über Katastrophen und blutgierige Ungeheuer mehr als allegorische Erzählungen präsentiert, die eher mythischen Ursprungs sind und nicht unbedingt mit Bühnen- leben zu füllen sind, so zeigt Guth zu diesen gesungenen Partien die Schrecken einer von Umweltkatastrophen und Krieg entstellten Welt. Wenn Ilia zu Beginn des dritten Aktes nach der plötzlichen Katastrophe ihre herzzerreißende Arie über Liebe und Tod singt und dabei ein Rosenbukett wie an einem Grab zerpflückt, schiebt sich aus dem Hintergrund das nächste unheilvolle Bild heran, dass zwei in Schutz- anzüge gekleidete Männer in einer brennenden und vergifteten Umwelt zeigt. In der folgenden Szene verschwinden Idamante und Ilia in ihrem Duett geradezu vor dem dominierenden Eindruck dieses Bildes, dass die beiden kleinen mensch-lichen Figuren im Vordergrund zur Bedeutungs- losigkeit verdammt. Den Höhepunkt der eisigen Ironie bildet das Défilé der Kriegsversehrten, die in Rollstühlen, mit Krücken und Verbänden unter einem großen "Sieg"-Schild die Auszeichnungen durch Idomeneo entgegen nehmen. Doch Claus Guth sattelt noch drauf: Als der Oberpriester dem König über das Leiden des Volkes unter dem Wüten des grausamen Ungeheuers berichtet, öffnet sich der zweite Vorhang zu einer deprimierenden Lazarettszene mit sterbenden Menschen, die sich langam aufrichten und als Chor ihre Klage heraussingen. Den eindringlichen Schlusspunkt setzt er mit den Vorberei- tungen zur rituellen Hin-richtung Idamantes durch den von einer Metzger- schürze umgürteten und mit einer veritablen Axt bewaffneten Vater, wozu Guth die Nachbildung einer amerikanischen Hinrichtungsliege auf die Bühne bringen und Idamante daran festschnallen lässt. Erst die Stimme des "Deus ex machina" aus dem Libretto rettet Idamante aus dieser tödlichen Situation und führt in der geliebten Ilia zu. Doch Guth zeigt auch andere Facetten der Macht. so deren Spießigkeit, wie sie die Geschichte immer wieder gezeigt hat. Das Ambiente von König Idomeneos Regierungssitz zeichnet sich durch groß geblümte Tapeten, die räumliche und geistige Enge der nahe an die Rampe gerückten Rückwand des Zimmers, die klotzigen Möbel und das unvermeid- liche Bild des Diktators an der Wand aus. Ganz so verhält sich auch Idomeneo selbst, nun in Anzug und Weste und bei dem Vortrag seines Adlaten Arbace immer wieder einschlafend. Der Mythos des unbedingt einzuhaltenden Schwurs, bei Rettung aus Seenot das erste lebende Wesen zu opfern, schlägt bei Claus Guth in den politischen Sachzwang um, den man hinnimmt und nicht mehr hinterfragt. Dieser Idomeneo leidet zwar darunter, seinen Sohn umbringen zu müssen, doch dabei überwiegt das Selbstmitleid. Der Entschluss ist unumstößlich, der Ausführende zu bedauern, das Opfer zweitrangig. Eine besondere Rolle nimmt in dem straffen Rollen- Set Elektra ein, dargestellt von Mary Anne Kruger. Die Tochter Agamemnons erscheint hier weniger als die ebenfalls Idamante liebende Rivalin Ilias sondern als eiskalt kalkulierende Intrigantin, die in Idamante eher den zukünftigen König als den jungen Lieb- haber sieht. Entsprechend wütend fällt ihre Reaktion aus, und ihr Selbstmord trägt geradezu lustvoll- mephistofelische Züge. Die Laokoon-Gruppe In zwei anderen scheinbar beiläufigen Szenen greift Guth einen weiteren Gedanken auf. Bei dem großen Quartett im dritten Akt bilden die vier Protagonisten das lebende Bild der Laokoon-Gruppe nach, scheinbar spielerisch. Doch dahinter verbirgt sich die Lessingsche Theorie, dass sich die Leiden der Menschen nur in äußerer Harmonie und Schönheit darstellen lassen, sprich: mit der Musik Mozarts. Diese Ironie kommt doppelbödig daher, denn Guth lässt offen, ob er Lessings Meinung teilt oder sie persifliert ... Die Musik Mozarts zu dieser Oper zeichnet sich durch eine Einfachkeit und Strenge aus, die man in der Form in keiner anderen Oper wiederfindet. Keine Leichtigkeit, Frivolität oder Heiterkeit ist hier zu spüren, die Musik folgt konsequent der strengen Logik der Handlung, die in den Libretti der anderen Mozart-Opern ihresgleichen sucht. Doch bei aller Strenge wirkt die Musik nie schwerfällig oder breit. Nicht zuletzt dank Franz Brochhagens musikalischer Leitung besticht sie durch ihre Transparenz und Folgerichtigkeit. Ganz im Sinne Laokoons wird kein Sentiment überzogen, alles bleibt im Rahmen einer gebändigten aber deshalb nicht minder intensiven Emotionalität. Diese strahlen auch die Sänger aus, die in der B-Premiere durchweg hervorragende Leistungen boten. Dabei präsentierte Katrin Gerstenberger die ungewohnte männliche Rolle des Idamante mit Bravour und Überzeugungskraft, besonders eindrucksvoll in der Hinrichtungsszene am Schluss. Melanie Kreuter bewegte vor allem in den lyrischen Passagen, so zu Beginn des dritten Aktes, und Mary Anne Kruger gab neben einer wieder einmal eindrucksvollen stimmlichen Leistung auch eine wunderbar zickige Elektra im blauen Business-Kostüm. Christian Elsner überzeugte vor allem durch seine Präsenz und die glaubhafte Darstellung eines larmoyant leidenden, im Grunde nur an Machterhalt interessierten Potentaten. Als eine Ironie des Zufalls ist Dan Karlströms Auftreten in Krücken zu sehen, dass zwar ganz profan durch einen Bänderriss bedingt war aber wunderbar zu dieser kranken und vom Untergang bedrohten Gesellschaft passte. Ein Lob gebührt auch dem Chor, der eng in die szenische Darstellung integriert war und die teilweise schwierigen Szenen mit viel schauspielerischem Engagement und stimmlicher Sicherheit darbot. Als einziges eher peinliches Surrogat ist das beleuchtete Kreuzfahrerschiff zu bemängeln, das am Ende des zweiten Aktes - in nahezu Bühnenbreite und im Gegensatz zur "Titanic" über das Heck sinkend die Katastrophe symbolisieren sollte. Hier schlägt die Ironie in Plattheit um, aber das konnte die Inszenie-rung durchaus verkraften. © www.egotrip.de 2001 |