Opera
Opera Around the World
| May 2001

Frankfurt: L’incoronazione di Poppea

L’incoronazione di Poppea might well be described as the first political thriller in operatic history. The composer and librettist dealt with a historic background, but the situations could as easily apply today. The title may reasonably be interpreted as the female protagonist’s struggle for power in which love is merely a means to an end. in which love is merely a means to an end. The duets of Poppea and Nero are set with great lyrical charm, but ironic undercurrents are certainly not excluded. The throne might not be the last conspiracy of which an ambitious woman such as Poppea is capable. Yet Rosamund Gilmore’s new production in Frankfurt (November 25) told a different story.

Following Seneca’s suicide, corpses were gradually piled up on the stage while the emperor and his lady unconcernedly continued on their wicked ways. After the duet Nero placed his new bride on this very Calvary. So in the end, in spite of all her astuteness, Poppea came off worst. The male monster survived, but his near-insanity should have been brought out sooner.

Carl Friedrich Oberle designed a spectacular set. The curved interior with wooden panelling and a Greco-Baroque column in the centre looked like a larger than lifesize bath tub, in which the muttering, casually dressed singer arrived during the Prologue, to be allocated their roles by the goddesses who wrote them on their legs.

That this ambiguous and essentially uncommitted performance was accepted without complaint by the audience is not surprising in view of the often glorious musical standard. Supported by a continuo group, the musicians of the opera house orchestra under Rinaldo Alessandrini brought Monteverdi’s score to life. Young Francesca Provvisionato (Ottavia) was sensational with her fiery, yet technically controlled emotion. Johannes Chum as Nero is surely the successor to Werner Hollweg. Nidia Palacios was a Poppea crackling with eroticism, and Elzbieta Ardam was excellent as the unfortunate Ottone. The burlesque element was splendidly represented by Hans Jürgen Lazar as Arnalta.

THOMAS LUYS

 

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Frankfurter Rundschau
27 November 2000

Leichen pflastern seinen Weg
Rosamund Gilmore inszeniert Monteverdis "L'Incoronazione di Poppea" in Frankfurt

Von Hans-Klaus Jungheinrich

Die Szene stellt so etwas wie ein römisches Bad dar, in der Mitte ragt eine hellenistische Säule (Bühnenbild: Carl Friedrich Oberle). Am hohen Beckenrand räkeln sich die Akteure leichtbekleidet, murmeln vor sich hin, bevor die Musik anfängt und nachdem sie, dreidreiviertel Stunden später, aufhört. An der Frankfurter Oper wurde jetzt Claudio Monteverdis 360 Jahre alte L'Incoronazione di Poppea von Rosamund Gilmore neuinszeniert.

Das Werk: Kurz nach der Erfindung der Kunstform Oper schon eine von deren Unüberbietbarkeiten. Das ist auch dem klugen Textbuch (G.F. Busenello) zuzuschreiben, das nicht nur ein raffiniertes Intrigengeflecht freilegt, sondern mit knappen Strichen auch noch die stoische Philosophie Senecas skizziert. In Monteverdis genial charakterisierender Musik tritt der Gegensatz von Rezitativ und Arie noch nicht auseinander. Unbewusst kehrte Debussys Pelleas mit seinem diskret musikalisierten Dialogstil (über die nähere Brücke Wagner) wieder zu diesen Opern-Ursprüngen zurück. Monteverdis Poppea gehört inzwischen zum Kernrepertoire ambitionierter Opernhäuser und vieler Festspiele.

Die letzte Frankfurter Poppea (mit dem Tenor Gerhard Stolze als Nero) bediente sich vor gut 35 Jahren noch der großorchestralen Kraack-Bearbeitung. Nach authentischer Praxis werden nur elf (allerdings hochspezialisierte) Instrumentalsolisten benötigt; die beiden im letzten Finale mitwirkenden Trompeter sind sogar einigermaßen "ad libitum". Holzbläser fehlen ganz, Streich- und Zupfklänge bestimmen das gleichwohl abwechslungsreich abgetönte Kolorit. Der Gastdirigent Rinaldo Alessandrini sorgte für klare und bewegliche Diktion, gab den einzelnen Formteilen auch lebhafte Tempo-Kontraste. Die schneidenden Dissonanzen des Seneca-Todes waren ebenso markant herausgearbeitet wie die lyrischen Aufschwünge der zahlreichen Liebesduette des mit Göttersegen zusammenfindenden Herrscherpaares.

Die extravaganteste Poppea gab es vor anderthalb Jahren in Stuttgart. Jossi Wieler und die Bühnenbildnerin Anna Viebrock versetzten das Stück in ein ödes Treppenhaus, gleichsam an die Peripherie eines halbtristen Gelages oder Vereinsfestes. Eine ähnlich gnadenlose Veralltäglichung riskierte die Optik von Rosamund Gilmore nicht. Sie behielt sogar den Faktor "Kostümoper" halbwegs bei.

Auf mannigfache Weise distanzierend und historisierend mutete die durchweg strenge Aus-choreographierung der Gänge und Aktionen an. Einerseits handelt es sich dabei um einen approbierten Bewegungsstil, den sich die der Cranko-Schule entstammende Regisseurin stets gerne bedient.

Andererseits hatte die weithin "unnatürliche" Körpersprache auch den brauchbaren interpretativen Effekt, die Personen als Prädestinierte, von anonymen Mächten oder unausweichlichen mechanischen Kräften Angetriebene, zu zeigen. Monteverdi nobilitiert auch den Bösewicht Nero durch schönes Belcanto und fast apotheotische Züge (ohne allerdings seine Grausamkeiten und Launenhaftigkeiten zu verschweigen); Rosamund Gilmore macht da nicht mit. Nach dem noch etwas zögernden, tastenden, teilweise drögen ersten Teil akzentuiert sie nach der Pause die Sphäre des Horrors: Poppeas und Neros kaiserlicher Triumph wird von Leichen gepflastert, die nach und nach hereinrollen und unübersehbar liegenbleiben, zum Berg aus toten Leibern anwachsen bis zum Schluss. Die Oper endet nicht, wie sonst oft, mit dem klangseligen Duett, sondern mit zwei spukhaften, pantomimisch ausgedeuteten Tanzsätzen. Am Ende des ersten, der als Zeitraffer der gemeinsamen Zeit von Nero und Poppea gelten könnte, landet Poppea ebenfalls auf dem Leichenhügel. Anscheinend wird sie von Nero auch nur benutzt und "nach Gebrauch" weggeworfen. Nero bleibt, narzisstisch-genießerisch in eine Traube beißend, allein zurück.

Ein bedeutender Trumpf der Frankfurter Aufführung waren die durchweg vorzüglichen sängerischen Leistungen. Es gibt in diesem Stück viele Haupt- und nur wenige Nebenrollen. Wichtige Partien sind auch die beiden Ammen, satirisch und sogar sarkastisch gewürzt. Arnalta, Poppeas Amme, wird dadurch besonders herausgehoben, dass sie kurz vor dem Ende noch Gelegenheit für einen ihre Rolle bei Hof reflektierenden "realistischen" Triumphgesang bekommt. Arnalta bekam durch den markigen Bariton Hans-Jürgen Lazar eine gediegen grell humoristische Note. Die im Text erbarmungslos auf ihr Matronenalter verwiesene Nutrice, Amme der Kaiserin, wurde von der Altistin Barbara Bornemann voluminös intoniert. Klangprächtig auch das honorige Liebespaar Ottone-Drusilla von Elzbieta Ardam und Britta Stallmeister. Die Ottavia von Francesca Provvisionato machte vor allem ihren Abgang zu einem grandiosen Höhepunkt. Andreas Macco war, mit "intellektueller" Baskenmütze, ein konzentrierter, disziplinierter Seneca. Figürlich und stimmlich geschmeidig präsent die Poppea von Nidia Palacios. Und Johannes Chum als Nero: jünglingshaft schlank, hochgewachsen, bisweilen aufbrausend, darstellerisch gewandt in vielen Nuancen.

Termine: 30.11.; 2.,7.,9.,13.,15. und 17.12..

Copyright © Frankfurter Rundschau 2000

 

Darmstädter Echo
30 November 2000

„Krönung der Poppea" von Claudio Monteverdi
Nero geht über Leichen

Von Nicola Prietze

Mit einer ideenreichen Mischung aus barocker Musik und modernem Bühnenbild hat eine Neuinszenierung von Claudio Monteverdis Oper „Die Krönung der Poppea" das Frankfurter Publikum überzeugt, das die Premiere am Samstag mit einhelliger Begeisterung aufnahm. Sowohl die Darsteller als auch die Inszenierung von Rosamund Gilmore und die Ausstattung von Carl Friedrich Oberle ernteten lang anhaltenden Applaus und Bravo-Rufe. Besonderen Beifall gab es für das präzise musizierende kleine Orchester unter Rinaldo Alessandrini. Alle Beteiligten zeigten über gut dreieinhalb Stunden enorme Leistungen.

Einen Kontrast zur barocken Musik und der in Rom zu Zeiten Neros (54 bis 68 nach Christus) spielenden Geschichte um Liebe und Eros, Macht, Gier und Tugend bildeten die moderne Ausstattung und die oft wechselnden Kostüme. Oberle verlegte das Geschehen in eine holzgetäfelter Arena, die mit ihren stählernen Leitern an den Wänden einem Schwimmbecken ähnelte. Am oberen Rand dieses Sammel-Beckens der Leidenschaften glaubte man dank raffinierter Beleuchtung (Uwe Langenhahn) den Himmel zu sehen.

Die Handlung des Dreiakters könnte als Beziehungsdrama ebenso gut heute spielen. Der mit Ottavia (Francesca Provvisionato) verheiratete Kaiser Nero (Johannes Chum) hat ein Verhältnis mit Poppea (Nidia Palacios), die von einem Leben mit Macht und Einfluss als Kaiserin an Neros Seite träumt. Nero verspricht, seine Frau zu verstoßen und Poppea auf den Thron zu bringen. Skrupellos verfolgen beide ihre Pläne und gehen dabei buchstäblich über Leichen. Bei aller Dramatik kam jedoch auch die Komik nicht zu kurz. Vor allem die als Travestie-Rolle von Hans-Jürgen Lazar herrlich tuntig verkörperte Amme Poppeas lockerte das Geschehen auf.

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