5. Oktober 2001

Mozart auf den Kopf gestellt: "Idomeneo" in Mannheim

Frohe Botschaft über Leichen
von Sigrid Feeser

Das Orakel hat den Sieg der Liebe verkündet, der Knoten ist gelöst. So könnten eigentlich alle glücklich sein: der König, der den Sohn nun doch nicht dem Gott opfern muss und sich ins Privatleben zurückziehen darf; das junge Paar, dessen Verbindung nichts mehr im Wege steht, Garant einer neuen, vielleicht besseren Herrschaft. Doch die frohe Botschaft erschallt über Leichen, die sich zag zu regen beginnen, als sei der Jüngste Tag angebrochen. Aber statt einander jubelnd in die Arme zu fallen, schleichen sie verstört zwischen Kirchenbänken herum, Untote, die blutigen Spuren ihrer wechselseitigen Meuchelei sichtbar auf dem Leib tragend. Kein Friede, kein Glück, keine Versöhnung. Auch die böse Intrigantin bekommt keinen Abgang, sie entleibt sich recht possierlich und fährt als leeres Kleiderbündel in den Bühnenhimmel.

Mit diesem Arrangement stellen in Mannheim der Regisseur Matthias Schönfeldt und seine Ausstatterin Birgit Angele das Finale von Mozarts "Idomeneo" beherzt auf den Kopf. Denn dort sollte sich ja alles in allgemeines Wohlgefallen auflösen, der Tugend und dem Edelmut gut aufklärerisch jenes Fest der siegenden Humanität bereitet werden, das noch in Beethovens postrevolutionärem "Fidelio" nachklingt. Damit outet sich Schönfeldt als ungläubiger Thomas der ausgehenden opera seria, bei der er, mehr politisch korrekt als historisch weise, nur das Klappern einer müde gewordenen Theater- und Huldigungsmechanik hören möchte. Das ist um 1780 bei den besseren Komponisten (und Librettisten) so ausschließlich nicht mehr der Fall, in Mozarts stürmisch aufgewühltem Drama der höchsten Erregtheiten schon gar nicht.

Schönfeldt rechnet die großen Affekte in zeitgenössische Gefühlswährungen um. Das zeitigt Verluste, die heftig ausgebuhte Inszenierung wird kleiner, als sie sein könnte. Die musikalische Realisierung teilen sich ein junges, schwärmerisch bewegtes Ensemble, ein präsenter Chor und GMD Adam Fischer, der in seiner Absicht, das Nationaltheaterorchester auf eine aufgekratzt historisierende Spielweise einzuschwören, einen beachtlichen Schritt vorangekommen ist.

Weitere Vorstellungen am Samstag (6.) und 11. Oktober, 7., 22. und 28 November.

 

10. September 2001

Der Kurfürst und sein Double
Spielzeiteröffnung im Nationaltheater Mannheim mit Mozarts "Idomeneo"

Von Nike Luber

Kurfürst Carl Theodors Kunstsinn verdankte die berühmte Mannheimer Schule ihre Entfaltung und Mozart den lang ersehnten Auftrag zu einer "richtigen", einer Seria-Oper. Der Fürst, inzwischen von Mannheim nach München umgesiedelt, wünschte sich im Idomeneo-Stoff als aufgeklärter Herrscher gewürdigt zu sehen. Bei all diesen Bezügen kam das Nationaltheater Mannheim nicht an dem noch sehr barock angelegten Idomeneo vorbei. Es eröffnete ihr die neue, immerhin schon 223. Spielzeit. Schließlich hat man mit dem kürzlich zu Bayreuth-Weihen gekommenen Generalmusikdirektor Adam Fischer einen anerkannten Mozart-Kenner im Haus. Anfang Dezember wird es im Mannheimer Nationaltheater eine ganze Mozart-Woche geben.

Mit den vielfältigen historischen Bezügen spielten Matthias Schönfeldt (Regie) und Birgit Angele (Bühnenbild und Kostüme). Überdimensional vergrößert schaut Carl Theodor aus seinem Barockrahmen auf "seine" Oper Idomeneo herab. Zu einem Tableau wie von Menzel gemalt ist das Beziehungs-Dreieick aus Ilia, Idamante und Elettra arrangiert, komplett mit dem Continuo aus Cembalo und Cello. Nach und nach bricht die Szene auf, klagt Ilia ihre Verwirrung, schwört Idamante ihr Liebe, tobt die eifersüchtige Elettra. Ein Trio jugendlich schöner Stimmen. Rebecca Langhurst singt die Ilia mit schlankem, agilem Sopran, Daniela Sindram stattet die Kastraten-Partie des Idamante mit androgynen Zügen aus, Ludmila Slepniowa verleiht der ungeliebten Elettra Furor ohne Schärfe. In das Dreieck bricht der zurückgekehrte Kreterkönig Idomeneo alias Carl Theodor ein, der einer wütenden Gottheit ein Menschenopfer versprach. Der Schwur rächt sich, denn als ausersehenes Opfer erweist sich der eigene Sohn, Idamante. Eine sperrige Geschichte, der sich Schönfeldt mit ironischen Brechungen nähert. Geschickt jongliert er mit den Versatzstücken der Barockoper und des modernen Theaters. Idomeneo steigt in voller Kurfürsten-Montur aus einem wellenbewegten Bildschirm in einen Sakralraum, das Volk drückt sich in den Kirchenbänken.

Idamante zusammen mit Elettra aus dem Land zu schaffen ist die rettende Idee, sie scheitert. Eine zornige Gottheit fuhr ins Bühnenbild und schob die Kirchenbänke durcheinander. Das leidende Liebespaar Ilia und Idamante steigt aus den Rokoko-Kostümen. Von der Herrscher-Attitüde ist Idomeneo nichts geblieben, als er sich verzweifelt zur Schlachtung des eigenen Sohnen durchringt, während sich Idamante und Ilia vor Opferbereitschaft kaum halten können. Mozarts Musik macht hier Ernst, Schönfeldt bleibt bei seiner ironisch-distanzierten Betrachtung. Erst bringen sich die edlen Helden versehentlich gegenseitig um. Doch kaum verkündet die Stimme des Himmels in Gestalt von Thomas Jesatko aus den Vorhangfalten, dass der Gott genug hat, feiern sie alle fröhlich Auferstehung. Idomeneo soll zu Gunsten von Idamante und Ilia abdanken? Kein Problem - nur Elettra mag nicht mitfeiern. Sie, als Einzige bis zum bitteren Ende in Reifrock und Mieder, singt mit dem Dolch in der Brust fulminant ihre Sterbearie - Händel wäre begeistert gewesen. Die Tote fährt mitsamt Barockrahmen gen Himmel und lässt eine aufgeklärte - desillusionierte? - Gesellschaft zurück. Eine letzte, im Gegensatz zur unfreiwilligen Komik der Wiederauferstehung gelungene Pointe der Regie.

Musikalisch zeigte sich das Nationaltheater Mannheim von seiner Schokoladenseite. Heldentenor Stefan Vinke als Idomeneo nahm die Klippen der Koloraturen gekonnt. Als kultiviert singender Mozart-Tenor überzeugte Lothar Odinius in der Rolle des treuen Arbace. Adam Fischer zelebrierte mit dem Nationaltheater-Orchester die Künste der Mannheimer Schule, zog die Crescendi hoch, ließ dynamische Kontraste knallen, setzte warme Hornbläser-Farben gegen markantes Blech. Gut einstudiert rundete der Chor das Bild eines nicht tief schürfend, aber unterhaltsam inszenierten Mannheimer Idomeneo ab.

Termine: 11. Oktober, 7. November.

Copyright © Frankfurter Rundschau 2001
Dokument erstellt am 07.10.2001 um 21:49:52 Uhr
Erscheinungsdatum 08.10.2001

 
Mannheimer Morgen, 1 Oktober 2001

OPER: Matthias Schönfeldt inszenierte, Adam Fischer dirigierte Mozarts "Idomeneo"
zum Mannheimer Spielzeit-Auftakt

Eine immer moderne Geschichte oder:
Mit Carl Theodor im Kino

Von unserem Redaktionsmitglied Stefan Koch

Mozart hatte, wie man weiß, in Mannheim wenig Glück. Als er 1778 letztmals hier weilte, saßen Kurfüst Carl Theodor, Hofstaat und Kapelle schon auf gepackten Koffern, um nach München überzusiedeln. Somit wurde es auch nichts mit Mozarts Absicht, für Mannheim eine italienische Opera seria zu schreiben. Carl Theodor bevorzugte eh das moderne deutsche Singspiel, und Mozart hätte von ihm damals auch keinen Auftrag bekommen.

Das war erst 1781 so weit, als man für den Münchner Karneval ein neues Spektakel brauchte. In Bayern gingen schon damals die Uhren anders, also wollte man was gewohnt Italienisch-Heroisches. Carl Theodor besann sich auf Mozart, und so kam die Welt zum "Idomeneo", der denn auch von der ehemaligen Mannheimer Hofkapelle uraufgeführt wurde. So haben wir dann doch noch irgendwie Anteil an einem Meisterwerk, und der "Idomeneo" gehört eigentlich ans Nationaltheater - ans Mannheimer, nicht ans Münchner.

Daran wird Carl Theodor in Matthias Schönfeldts Inszenierung quasi postum erinnert. Ist doch jener kretische König, dessen tragische Geschichte erzählt wird, der Kurfürst selbst, wie er da im Hermelin-mantel auftritt, um in einen furchtbaren Konflikt zu geraten: Neptun hat ihm, als Entgelt für die Rettung aus Seenot, auferlegt, den ersten Menschen zu opfern, dem er begegnet. Das ist just sein Sohn Idamante. Doch Idomeneo-Theodor will sich herausmogeln. Ungeheuer und Krankheit wüten darob, das Volk verzweifelt. Bis schließlich nicht nur Idamante, sondern auch andere sich bereit zeigen zum Opfertod: Arbace, der treue Gefährte, auch Ilia, die Idamante liebt. Schließlich zeigt sich Neptun ob solchen Edelmuts einsichtig, verzichtet auf das Opfer und hebt das liebende Paar auf den Thron.

Eine antike Geschichte, getränkt vom Geist der Aufklärung, in der sich die Götter dem Menschen beugen. Carl Theodors Mannheimer Hof war ein moderner, und insofern wirkt Schönfeldts Konkretisierung nicht nur als Hommage an die historische Couleur locale. Spiegelt sie doch auch die Entstehungszeit des Werkes, die Birgit Angeles schöne Rokoko-Kostüme ebenso illustrieren wie ihre Bühne, zumindest zu Beginn: ein riesiger Bilderrahmen mit Heinrich Carl Brandts Theodor-Porträt, davor eine höfisches Musizierensemble, aus dem heraus sich die Figuren lösen.

Und wie sie allmählich innere Gestalt gewinnen, von ihren Gefühlen singen und die Konflikte schüren, weitet sich auch die Bühne. Wird zu einem Saal zwischen Kino und Kirche, mit Betbänken und Leinwand, Ort der Andacht wie der Abenteuer, der Hoffnung auf Erlösung wie der großen Gefühle. Hier sitzt eine schwarz gewandete Masse Mensch, lugt und lauert, gruppiert sich gar, wenn Idomeneo endlich den Grund des Leidens preis gibt, zu einer breiten Mauer des Klagens: der antike Chor als kommentierende Öffentlichkeit.

Je mehr sich die Sache zuspitzt, desto "moderner" werden die Menschen, entledigen sich ihres historischen Habits; sterben schließlich blutüberströmt, bis "La voce", die Stimme vom Himmel, sie ins Leben zurückholt. Nur Elettra schwebt tot im Bilderrahmen empor, noch mit dem Dolch im Bauch hatte sie von Rache gesungen für die Schmach der Zurückgewiesenen - eine heroische Reaktionärin, und deshalb trägt sie bis zum Schluss ihre barocke Robe.

Matthias Schönfeldt, hat eine kluge Inszenierung vorgelegt, die zum Weiterdenken anregt. Zwischen antiker Strenge, barocker Gemessenheit und moderner Charakter-Tragödie vermittelt sie geschickt; dabei verzichtet die Personenführung auf Aktionismus, wirkt vielmehr in ihrer Verdeutlichung der psychischen Konflikte sehr plausibel - soweit das im "Idomeneo", Mozarts frühem Reifewerk, möglich und nötig ist. Bisweilen wirken die ersten beiden Akte mit der reichlich rotierenden Drehbühne, den sich öffnenden und schließenden Vorhängen und den oftmals eingesetzten Projektionen allerdings optisch etwas überfrachtet. Zu Elettras vermeintlicher Abreise aus Kreta mit Idamante sehen wir im zweiten Akt gar Liz Taylor in einem Filmausschnitt ("Telefon Butterfield 8"): ein Star macht sich bereit.

Das ist ziemlich um die Ecke gedacht, schmälert jedoch den Wert der Inszenierung nicht wirklich. Lädt sie doch den Zuschauer ein, das Stück nicht nur als Parabel über eine erschütterte göttliche Weltordnung zu sehen, sondern sie ist auch Schaustück über das Theater an sich, in dem sich Traditionen, Zeiten und Orte synchron miteinander verschlingen.

Wie es ja auch Mozart tat, dessen durchhitzte Sturm-und-Drang-Musik die überkommene Opera seria mit ihrer starren Abfolge von Rezitativen, Arien und wenigen Ensembles neu erglühen ließ, und der anhand eines antiken Stoffs die Umbruchphase des späten 18. Jahrhunderts intuitiv markierte. Dass dies alles zusammenpasst, liegt zum einen an Adam Fischer und dem mit hingebungsvoller Intensität musizierenden und nun schon eine gehörige Portion Erfahrung mit dem neuen Mannheimer Mozartstil einbringenden Nationaltheater- Orchester, aus dem manche Mitglieder wieder auf der Bühne agieren; daneben aber vor allem am Ensemble, mit dem Schönfeldt spürbar intensiv gearbeitet hat: Gesang, Aktion und Ausdruck bilden eine Einheit, die staunen macht.

So lernt man Stefan Vinke nun als Mozart-Tenor kennen. Der Idomeneo verlangt heldischen Glanz wie auch lyrische Innerlichkeit: Vinke wird dem mit seinem instrumental geführten, weich einschwingenden und seidig aufblühenden Tenor mehr als gerecht - und darf in der Kadenz des "Fuor del mar!" zeigen, dass ein hohes d für ihn eine Lust bedeuten kann. Daneben begegnen wir in Daniela Sindram als Idamante einem verheißungsvollen Neuzugang im Ensemble: ein junger Mezzo mit konturenscharfer, doch warmer Verve und technisch hervorragend geführt, dazu gesellt sich die enorme Präsenz der jungen Sängerin, die aus Bremen zu uns kam. Rebecca Langhurst - schon bekannt aus der "Finta" - singt die Ilia mit leichtem, sehr schlankem, aber feinem und höhenleuchtendem Sopran, und Ludmilla Slepniowa, ebenfalls neu am Haus, umgibt die Elettra mit blitzend-lodernder Sopran-Dramatik.

Lothar Odinius, ebenfalls neu im lyrischen Tenorfach, hat als Arbace in seiner großen Arie des dritten Aktes ein paar Höhenengen zu bewältigen, aber das Timbre ist fein, und die subtile Kunst der Linienführung und des innigen Ausdrucks berücken allemal. Thomas Jesatko schließlich hat als "La Voce" den Deus ex machina zu singen: zwei Minuten, die die Welt bewegen, solange das ein Bariton wie er tut, kann's uns nur recht sein.

Musikalisch also erneut ein großer Mozart-Abend, auch dank Adam Fischer, dessen Gespür für Dramatik, sublime dynamische Abstufungen und den natürlichen Fluss von Mozarts Seelen-Musik auch jetzt wieder verfing. Der Beifall für ihn und das Orchester war denn auch entsprechend überschwenglich, auch der szenisch wie musikalisch sehr eindringlich agierende Chor (ein paar Koordinationspannen werden sich einstellen lassen) und sein Direktor Wolfgang Balzer wurden darin einbezogen. Und das Duo Matthias Schönfeldt/Birgit Angele durfte sich ebenfalls über Zustimmung freuen, gegen die ein paar Buhrufer nur eine laue Chance hatten.

Weitere Vorstellungen am 6. und 11. Oktober; Karten unter 0621/1680-150.

 
Mannheimer Morgen, 26. September 2001

VORSCHAU: Regisseur Matthias Schönfeldt setzt mit der Opera seria "Idomeneo" den Mozart-Zyklus am Mannheimer Nationaltheater fort
Eine Tragödie aus längst vergangenen Zeiten, in der alle nur das Beste wollen

Von unserer Mitarbeiterin Susanne Kaulich

Fast 25 Jahre musste man in Mannheim auf eine Neuinszenierung jener Mozartoper warten, die vielleicht am engsten mit der Quadratestadt verknüpft ist: Der Wunsch, ein Werk für die herausragende Mannheimer Hofkapelle zu komponieren, entstand bei Mozarts Aufenthalt in der kurpfälzischen Metropole.

Zum Zeitpunkt der "Idomeneo"-Uraufführung 1781 freilich hatte Kurfürst Carl Theodor seine Residenz längst nach München verlegt, das berühmte Ensemble an die Isar mitgenommen. Mit virtuosen, koloratur-gespickten Arien wurde diese große italienische "opera seria" als Auftragswerk für Musiker komponiert, die ihresgleichen suchten: genialische Musik, die den späteren Meisterwerken Mozarts in nichts nachsteht. Jetzt wird der "Idomeneo" als dritter Teil des neu entstehenden Mozart-Zyklus am Nationaltheater wieder einmal in Szene gesetzt.

"Es gibt im Idomeneo musikalische Momente," schwärmt Regisseur Matthias Schönfeldt, "die selbst bei Mozart so nie wieder erreicht wurden." Dennoch hatte es das Werk nicht leicht, sich durchzusetzen. Das jedoch liegt eher an der selbst zu Kurfürsts Zeiten schon schwer nachvollziehbaren Handlung: Idomeneo, König von Kreta, gerät bei der Rückkehr aus Troja in Seenot und gelobt in Todesangst, den ersten Menschen, dessen er am sicheren Ufer ansichtig wird, dem Meeresgott Poseidon zu opfern.

Fatalerweise ist dies sein Sohn Idamante. Um das geheime Gelöbnis zu umgehen, versucht der König, ihn zusammen mit der mykenischen Königstochter Elettra außer Landes zu schicken. Doch Idamante will seine Geliebte Ilia nicht verlassen. Zu Idomeneos Warnung schickt Poseidon ein Meeresungeheuer, das Kreta verwüstet. Beherzt tötet Idamante das Monster, erfährt erst jetzt sein tragisches Los, das zu erdulden er sofort bereit ist. Aber auch Ilia will sich an Stelle des Geliebten opfern. Das besänftigt den Meeresgott: Er erlaubt Idomeneo, zu Gunsten seines Sohnes abzudanken.

"Ein Knäuel von Edelmut", kritisierte einst der Wiener Kritiker Eduard Hanslick das Libretto. "Mit so vielen Figuren, die alle nur das Beste wollen, ist es dramaturgisch tatsächlich nicht unproblematisch", bestätigt auch Matthias Schönfeldt. Im Gegensatz zur französischen Literaturvorlage sei der Idomeneo ja ein durch und durch positiver Held. So recht geeignet zur Huldigung an einen aufgeklärten Kurfürsten. Deshalb wird der Mannheimer Idomeneo auch wie Carl Theodor aussehen.

Das Drama entfaltet sich nicht in aktionsreicher Handlung, sondern findet seinen Ausdruck in den tiefen Empfindungen der Figuren. Mozart hat das innere Ringen zwischen blindem Gehorsam gegenüber einem Gottesbild und Vernunft sowie Gefühl auskomponiert - eines der beherrschenden Themen der Aufklärung.

"Diese Musik der Empfindsamkeit verlangt natürlich ein ganz eigenes Erzähltempo, denn die Worte werden geradezu mikroskopisch beleuchtet," sinniert Schönfeldt. In der vergangenen Spielzeit hatte der Regisseur mit seinem quirligen "Don Giovanni" ja für einige Aufregung gesorgt. "Jetzt darf ich eine ganz andere Seite meiner Arbeit zeigen", freut er sich. Die Aufgabe laute, den Zuschauer in Menschen hineinfühlen zu lassen, die nicht weiter wüssten, die zweifelten und litten: "Dieser Seelenerkundung kommt man mit Aktionismus nicht bei." Auch der Umgang mit dem Chor verlange andere Stilmittel, denn ihm falle die Kommentierung des Geschehens nach griechischem Vorbild zu.

Für Bühne und Kostüme sorgt Birgit Angele, die musikalische Leitung der Spielzeits-Eröffnungspremiere hat Generalmusikdirektor Adam Fischer. Neben Daniela Sindram in der Hosenrolle des Idamante, Rebecca Langhurst als Ilia, Ludmilla Slepniowa (Elettra), Lothar Odinius und Thomas Jesatko ist Stefan Vinke in der Titelpartie zu hören.

Premiere am Freitag, 28. September, 19.30 Uhr; weitere Vorstellungen am 6. und 11. Oktober; Karten unter 0621/1680-150.