17. Dezember 2001

«Ein Sommernachtstraum» von Benjamin Britten
Zauberhaftes im Staatstheater Darmstadt

Von Heinz Zietsch

Manchmal erwachen wir vor Schreck aus einem Traum: beispielsweise, weil wir glauben, im Schlafanzug unterwegs zu sein. Sobald wir merken, dass wir derlei nur geträumt haben, schmunzeln wir. Friedrich Meyer-Oertel lässt in seiner neuen Darmstädter Inszenierung von Benjamin Brittens Shakespeare-Oper „Ein Sommernachtstraum“ die beiden Liebespaare Lysander und Hermia sowie Demetrius und Helena in Schlafanzügen durch den Wald irren. Klar, sie haben die Geschichte einer wechselseitigen Liebesverwirrung mitsamt den Elfen um Puck und deren Herrscher Titania und Oberon nur geträumt. Und auch die Handwerker, die zu Ehren von Theseus und Hippolyta wie zur Hochzeit der beiden Paare ihr Theaterstück um „Pyramus und Thisbe“ proben und aufführen: Sie verfallen in einen heilsamen Schlaf und werden in das muntere Elfen-Treiben verquickt.

Friedrich Meyer-Oertel, Regisseur und Operndirektor am Staatstheater, hat Brittens Werk als bezaubernden Traum inszeniert: als ein Märchen für Erwachsene, das bestens in die Weihnachtszeit hineinpasst. Vieles in diesem „Sommernachtstraum“ erinnert an eine andere Zauberoper, die Meyer-Oertel mit großem Erfolg im Großen Haus inszeniert hat: an Händels „Alcina“.

Kein Wunder: Wie schon in „Alcina“ und danach in „Hänsel und Gretel“ hat auch jetzt wieder Lioba Winterhalder zauberhafte Kostüme auf die Bühne gebracht. Vor allem die befrackten, beflügelten und wie Punks aussehenden Elfen hat sie höchst fantasievoll ausstaffiert. Mit raffinierten Lichteffekten wird trotz des kalten Gestänge-Labyrinths, worin die Elfen tollen, eine traumhafte Wald- und Sternenwelt heraufbeschworen.

Harald W. Thor hat das passende dreiteilige Bühnenbild für die Drehbühne geschaffen: eine kühle, moderne Villa im antikisierenden Stil, eine Art Bretter-Hinterhof, in dem die Handwerker ihr Stück proben, dazwischen der Zauberwald.

Das Konzept ging auf bei der Premiere: Der Publikumsbeifall war am Ende der knapp drei Stunden dauernden Aufführung einhellig begeistert. Der lange Applaus galt allen Beteiligten gleichermaßen: Selten hat man eine so harmonische und stimmige Ensemble-Leistung in diesem Haus erlebt. Brittens Oper ist eben ein Ensemble-Stück par excellence, was im inszenierten Gruppenbild am Schluss auch sinnfällig wurde.

Einziger Schönheitsfehler: Der verwirrende Wechsel von englischer und deutscher Sprache, mit dem Meyer-Oertel Emotionales, Ekstatisches, Zauberisches und Mystisches verdeutlichen will, er wirkt arg manieriert.

Gerade den Sommernachtstraum-Zauber macht Brittens Musik sehr deutlich hörbar: in filigranartig fein verwobenen Klangfarben, die der Komponist aus dem raffiniert instrumentierten kleinen Orchester mit Harfen, Cembalo, Celesta und viel Schlagzeug hervorzaubert. Britten erweist sich in dieser Partitur zudem als virtuoser Stil-jongleur, der wunderbare liedartige Melodien zu schreiben versteht. Nicht umsonst hat man ihn 1960, just nach der Uraufführung des „Sommernachtstraums“, als „Englands neuen Orpheus“ gefeiert.

Bei Franz Brochhagen, dem das rhythmische Raffinement wie die effektvolle Sachlichkeit Brittens zu liegen scheinen, sind diese feinen Klänge in den richtigen Dirigenten-Händen. Wenn Hermia zu Beginn schluchzend auf der Bühne erscheint, weil sie den ungeliebten Demetrius heiraten soll, lässt auch Brochhagen das brillant musizierende Orchester schluchzen und heulen.

Raffiniert die Trompetentöne zur Schlagzeugbegleitung, die zum leitmotivischen Markenzeichen Pucks (Jan-Aiko zur Eck) werden, wenn dieser von hoch oben, wo er in einer Hängematte ruht, herunterturnt. Er wirbelt herum mit der Elfenbande (Studentinnen der Darmstädter Akademie für Tonkunst, der Frankfurter Musikhochschule und der Musikabteilung der Universität Mainz), regt diese zu allerlei Schabernack an, während die Elfen erotisch ihre Hüften kreisen lassen (choreografische Mitarbeit: Guido Markowitz).

Nicht nur in seinem Spiel, sondern auch mit der Altstimme zeichnet Matthias Rexroth (als Gast) den androgynen Charakter Oberons – gesanglich allerdings noch mit zu wenig Kraft. Um so kraftvoller entfaltet Hege Gustava Tjønn gestochen scharfe Koloraturen mit ihrer wunderbar klaren und dennoch klangvollen Sopranstimme – als Titania eine ideale Königin der Nacht.

Thomas Fleischmann als souveräner Theseus und Janet Collins (Gast vom Theater aus Münster) als zickige Hippolyta geben mit sicheren, volumenhaltigen Stimmen das ungleiche Herrscher-Paar ab. Mit geschliffenen Tönen versieht Andreas Wagner die Partie des Lysander, Werner Volker Meyer den Demetrius. Susanne Reinhard und Mary Anne Kruger interpretieren mit fein ausbalanciertem Gesang die Partien der Hermia und der Helena.

Eine Paraderolle für Hans Christoph Begemann ist die Partie des Zettel. Wunderbar zeichnet er das Liedmäßige nach. Als Esel gibt er tierische Laute von sich, versteht er aber auch noch glänzend zu singen. Dazu passt auch das beherzte Gebrüll und Schwanzwedeln des als Löwe maskierten Schnock – Horst Schäfer, der mittlerweile 40 Jahre am Staatstheater engagiert ist, gestaltet diesen mit Eleganz.

Gewitzt führt Hans-Joachim Porcher die Handwerker an und versucht sich mit ihnen an einem Kanon, der freilich aus den Fugen gerät. Herrlich komisch Dan Karlströms Gestaltung der Rolle des Flaut, der die Thisbe zu spielen hat.

Köstlich in ihrer gespielten Unbeholfenheit auch Fred Hoffmann als Schnauz und Hubert Bischof als Schlucker. Während das Laienspiel der Handwerker im Stück nicht gerade mit Wohlwollen angenommen wird, freute sich das Premierenpublikum drunten im Parkett über diese professionell dargebotene Parodie um so mehr. Britten hat dazu seinen musikalischen Kommentar geliefert, indem er an dieser Stelle die Affekte und Allüren der Operntradition durch den Kakao zieht und auch dabei ganz eigenen musikalischen Zauber aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ zieht.

 


17. Dezember 2001

Klangmagie im Welttheater
Mehr Shakespeare: Brittens Oper "Ein Sommernachtstraum" im Staatstheater Darmstadt

Von ELLEN KOHLHAAS

[...] Das Regieteam versteht es, die Oper auf ihren verschiedenen Ebenen der Künste, Gesellschaftsschichten, des Menschlichen und Übermenschlichen so plausibel nachzuerzählen, dass ein mitunter fesselndes Shakespeare-Welttheater entsteht, wie es schon Henry Purcell in seiner Halboper "The Fairy Queen" erfasste. Dazu trägt das dichte, aufs sorgfältigste modellierte und austarierte Ineinandergreifen von Schauspiel (Pucks Sprechrolle), Orchestermusik, Ensemblegesang, Choreographie (Guido Markowitz), Ausstattung und Inszenierung bei. In ihren besten Momenten erreicht die Regie so fast den Zauber, der Meyer-Oertel und Lioba Winterhalder in ihrer Darmstädter Händel-"Alcina" von 1997 durchgehend geglückt war.

Sängerisch und darstellerisch kommt es in Brittens "Sommernachtstraum" und seinen zwanzig Rollen vor allem auf das Miteinander der Künstler an. Darin zeigte sich am Staatstheater, ungewöhnlich für heutige Opernhausverhältnisse, auf hohem Niveau die Funktionsfähigkeit eines großen eigenen Ensembles. Einzige Gäste waren Janet Collins als elegante Amazonenkönigin Hippolyta und Matthias Rexroth als Oberon. Als Popstar ausstaffiert, wendig in Altus-Stimme wie Darstellung, war er ein eher glitzernder als panisch-unheimlicher Drahtzieher. Unmöglich ist es, sämtliche Ensemblemitglieder einzeln zu würdigen. Stellvertretend seien erwähnt: Hege-Gustava Tjønn, im blonden Langhaar wie Barbie oder Marylin Monroe, war mit rundem, klarem Sopran eine wahrhaft zauberhafte Titania, und Jan-Aiko zur Eck fegte und kletterte "hinterfotzig liebenswert" (so der Schauspieler über seine Rollenauffassung), vor allem akrobatisch durch die Szenerie. Der Dirigent Franz Brochhagen und das Staatstheaterorchester leuchteten so deutlich in die diffizile Partitur hinein, dass herauskam, welch spinnennetzfeine motivische Verstrebungen die Klangmagie im Innersten zusammenhält. Da wurde keine Nebennote zur Nebensache, auch dissonante Nadelstiche wie im keineswegs ganz harmlosen Elfenspuk wurden spürbar, die Glissandi von Harfe, Cembalo, Celesta und Streichern für die Elementargeister schienen spektral sich aufzufächern.

 

egotrip.de
Dezember 2001

Der Sieg des Sinnlichen
Benjamin Brittens "Sommernachtstraum" in Darmstadt

William Shakespeares "Sommernachtstraum" gehört nicht nur zum Standard-Repertoire eines jeden Stadt- und Staatstheaters, es hat auch schon verschiedene Komponisten zu einer Vertonung herausgefordert. Bei Mendelssohn reichte es schließlich nur zu einer Bühnenmusik, nicht aber zu einer im Musikbetrieb anerkannten Oper. Seine Musik jedoch hat einen festen Platz im Konzert- Repertoire errungen.

Der englische Komponist Benjamin Britten (1913- 1976) hat sich anlässlich eines Festivals im Jahre 1960 dieses Stoffes angenommen und ihn in der relativ kurzen Zeit von einem knappen halben Jahr zu einer Oper geformt. Dabei musste er den Inhalt des Schauspiels stark kürzen, um einerseits in der den Zuschauern zumutbaren Zeit zu bleiben - schließlich ist es kein "Ring" - und andererseits die Spannung aufrecht zu erhalten. Das Staatstheater Darmstadt hat unter der Leitung von Friedrich Meyer-Oertel diese Komposition im Dezember auf die Bühne gebracht.

Auf der offenen Bühne präsentiert sich den Zu- schauern eine puristische, weiße Palastfassade - stilisierte Antike, denn das Geschehen ist im alten Athen angesiedelt. Statt einer Ouvertüre des Orchesters vernimmt man herrische Worte im Hin- tergrund, dann stürzt eine junge Frau im modernen Kostüm heraus und vergießt herzzerreißende Tränen. Offensichtlich Liebeskummer. Auf diese Weise schlägt Britten die Brücke zur Handlung - das familiäre Problem wird nur kurz angedeutet, um sich erst später aus der Handlung teilweise zu erschließen: Hermia und Lysander lieben sich, Hermia soll jedoch Demetrius heiraten. Hermias Freundin Helena wiederum liebt Demetrius verzeh- rend, dieser jedoch weist sie harsch ab. In ihrer Not fliehen Hermia und Lysander in den Wald - Meta- pher für Geborgenheit und Hort der Gefühle. Demetrius folgt ihnen und ihm wiederum Helena.

Zur gleichen Zeit zieht eine Handwerkertruppe in den Wald, um dort in aller Ruhe das Schau- spiel "Pyramus und Thisbe" einzustudieren, das sie zur Hochzeit am Fürstenhof aufführen wollen. Die einfältigen Laienspieler gehen dabei mit viel Naivität und Dilettantismus zu Werk, und vor allem der Weber Zettel möchte am liebsten alle Rollen spielen, um sich in den Vordergrund zu spielen.

Diese Konstellation aus der realen Welt wird spiegelbildlich ergänzt durch das Reich der Elfen, dem König Oberon und Königin Titania vorstehen. Eigentlich wollen Oberon und sein Gefolge das Haus der künftigen Eheleute segnen, die fehlende Liebe zwischen Helena und Demetrius stört dabei jedoch. Gegen den Willen der weltlichen Machthaber beschließt Oberon, die seiner Meinung nach (und der des Autors) zusammengehörigen Paare zu verei- nen, und befiehlt seinem dienstbaren Geist Puck, Demetrius im Schlaf den Zaubertrank einzuflößen, der ihn in Liebe zur ersten Frau verfallen lässt, die er nach dem Aufwachen sieht. Nebenbei träufelt er dieses Zeug auch Titania ein, mit der er sich gerade verzankt hatte. Puck jedoch verwechselt Lysander mit Demetrius, worauf sich Lysander in Helena verliebt und Hermia sitzen lässt. Um Pucks Fehler wieder gut zu machen, verzaubert Oberon nun Demetrius, so dass sich anschlie- ßend die beiden Männer um Helena schlagen und Hermia unglücklich im Abseits sitzt. Natürlich wäre dies kein Märchen, wenn Oberon nicht rechtzeitig verfügen würde, dass alle noch einmal - und dies Mal richtig - ver- zaubert werden, um sich dann in die jeweils richtigen Arme zu stürzen.

Bevor es soweit ist, müssen jedoch auch Zettel und Titania noch Einiges erleiden. Nach der Theaterprobe im Wald entführt Puck im Übermut den schwadronierenden Zettel und verwandelt ihn in einen Esel, worauf seine Kollegen schreiend davonlaufen. Titania erblickt nach dem Aufwachen den eseligen Zettel, verliebt sich programmgemäß in den langohrigen Zentauren und verbringt eine Liebesnacht im Himmelbett, ehe Oberon die Verwandlung aufhebt und Zettel davonjagt.

Zum Schluss zelebrieren die Handwerker doch noch recht und schlecht ihr tragisches Schau- spiel um das ungückliche Liebespaar, und alles endet in allgemeinem Glück.

Benjamin Britten hat nicht die Verwirrung der Ver- liebten in den Mittelpunkt gestellt, sondern das Reich der Elfen. Die menschlichen Verhältnisse reimt sich der Zuschauer im Laufe der Zeit zusam- men, ausreichend, um die Handlung zu verstehen. Britten jedoch ging es um die musikalische Dar- stellung des Elfenreiches, das man auch als das verlorene Paradies betrachten kann, das die Menschen nur noch im Traum erleben. Der Wald ist hier das Symbol für den Ort der Gefühle und des Kreativen. Liebende und Künstler ziehen sich hierher zurück, um ihre Bestimmung ausleben zu können. Eine freundliche Natur, dargestellt durch die gutmütige Elfenwelt, hilft den Menschen, wo sie kann, spielt ihnen jedoch im Übermut auch so manchen Streich.

Britton hat das Orchester sehr sparsam besetzt und illustriert die jeweilige Welt mit den entspre- chenden Instrumenten. Die Elfenwelt wird durch zartgliedrige Klangkombinationen beschworen, die Handwerkertruppe findet sich in derben und schein- bar unbeholfenen Klängen der tieferen Tonlagen wieder. Dramatische Entwicklungen werden eben- falls vom Orchester aufgenommen und passgenau in entsprechende Harmonien und Motive gefasst. Dabei ist anzumerken, dass sich Britten in einer für seine Zeit erstaunlichen Tonalität bewegt, die leicht aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammen könnte. Dies macht die Oper recht eingängig, und die Tatsache, dass die harmonische Landschaft bisweilen doch typische Merkmale des 20. Jahr- hunderts aufweist, fällt in dem fast romantisch zu nennenden Tongebilde kaum auf. Der generelle Duktus wirkt auf den Zuhörer bei weitem nicht so modern - sprich "fremd" -, wie mancher befürchtet haben mag. Die genaue Wiedergabe der jeweiligen Bühnensituation durch die entsprechenden Instru- mentengruppen lässt die Musik nahezu "süffig" wirken, ohne dass sie deswegen in seichte Senti- mentalität verfallen würde.

Friedrich Meyer-Oertel ist diesem Ansatz in seiner Inszenierung weitestgehend entgegengekommen. Die Elfenwelt nimmt bei ihm den größten Teil ein, die Menschen sind eher Beiwerk. Auf einem einer Baustelle ähnlichen Gerüst turnen und schwirren die verschiedenen Gruppen der Elfengesellschaft umher. Oberon (Matthias Rexroth) kommt mit blon- der, strohiger Löwenmähne, nacktem Oberkörper und strammen Glitzerhosen daher, Titania (Helge Gustava Tjønn) dagegen im weißen Feenkleid und eher astral. Puck (Jan-Aiko zur Eck) wirbelt wie ein hyperaktiver Jüngling im hautengen Glitzeranzug, anzüglichen Gesten und frechen Sprüchen über die Bühne, kann sich keinen Augenblick gemäßigt bewegen. Er hat die Elfen voll im Griff und diese lieben ihn, trotz ihrer jenseitigen Elfen-Natur offen- sichtlich ordentlich erotisch....

Die Elfen, Studentinnen der hiesigen Musik- akademie, tragen Fantasie-Kostüme, mal clownsartige, mal verspielte, mal bodenstän- dige. Und dazu klappern sie mit kleinen Flü- geln auf dem Rücken, die ihnen das Ausse- hen von großen Faltern verleihen. Und aufge- regte Nachtfalter sind sie auch, neugierig und immer zum Licht hin strebend, unaufhörlich in Bewegung, jeden umschwirrend und ununter- brochen ihre Aufgaben und ihre Umwelt besin- gend. Zusammen mit Brittens Musik entwik- keln sie einen geradezu magischen Zauber auf der Bühne, der durch die eher forschen Auf- tritte von Oberon oder Puck mehr wohlwollend sekundiert als gestört wird.

Gegen diesen zauberhaften Märchenwald wird die enge Welt der Handwerker etwas derb und unsinnlich dargestellt. Shakespeare hat mit dieser Gruppe die offensichtlich recht dilettan- tischen Wandertheater seiner Zeit aufs Korn genommen, geht er doch vor allem mit den Mimen recht derb um. Der kleine, verhuschte Flaut (Dan Karlström) muss wegen seiner hohen Stimme und schmalen Statur zu sei- nem Unglück die Thisbe spielen, tut sich mit Text und Darstellung schwer und erntet mit der immer wieder dankbaren Frauenrolle Lacher beim Publikum auf und vor der Bühne. Der schwerfällige Schnock (Horst Schäfer) soll den Löwen spielen und stellt sich dabei ziemlich dumm an, der agile "Regisseur" Squenz (Helmut Porcher) versucht verzweifelt, die einfältigen Gesellen zu einem Ensemble zu formen, und Zettel schließlich (Hans Christoph Begemann) schwadroniert sich wo er geht und steht als bester Schauspieler aller Zeiten in den Vordergrund.

Herrlich auch die Szene nach Zettels Ver- wandlung. Man hatte Begemann für diese Rolle eigens einen lebensechten und -großen Eselskopf verpasst, hinter dem es ihm schön warm geworden sein muss. Der besondere Trick bestand darin, dass sich der Mund synchron zum Gesang bewegte - so schien es jedenfalls. Das machte diesen Esel sehr menschlich, und die Bettszene mit Titania im raumhoch schwebenden Himmelbett, von Elfen umschwirrt, gehörte zu einer der besten Szenen dieses Abends.

Gegen diesen Wirbel aus Magie und abstru- sen Träumen kann natürlich die Welt des Realen mit ihren Verwirrungen nur abfallen. So wirken auch die erotischen Verirrungen der Menschen vor diesem Hintergrund seltsam lächerlich. Nicht umsonst schweben die Geis- ter der Elfenwelt für die Verliebten unsichtbar um diese herum, eher belustigt durch die erotischen Händel, von denen sie in ihrem ewigen Leben offensichtlich bereits zu viele gesehen haben, um sich noch darüber aufzu- regen. Ihr Eingreifen entspringt eher einem Gefühl der Ordnung als tiefer Betroffenheit. Nur Puck macht sich einen Spaß daraus, sich mitten zwischen die Streitenden zu setzen, als wolle er mitmachen bei der Rauferei. Der Zuschauer amüsiert sich mit den ach so lebendigen Geisterwesen über die Liebes- händel der Menschen.

Nach der Pause dominiert dann die Menschenwelt wieder, beginnend mit der Dreifach-Hochzeit, nach- dem die "richtigen" Liebespaare zueinander gefun- den haben, und endend mit der urkomischen Aufführung von "Pyramus und Thisbe", bei der die Darsteller noch einmal alle Register der Komik ziehen dürfen: beim "Spiel im Spiel" als dilettie- rende Handwerker unfreiwillig, im ersten Level des Spiels dagegen zum Gaudi der Darsteller selbst. Am Schluss muss selbst die griesgrämige Amazonin Hippolyta (Janet Collins), frisch ange- traute Gattin des Herzogs Theseus (Thomas Fleischmann), gute Miene zum Spiel machen und begnügt sich mit einigen angedeuteten Handgreif- lichkeiten gegenüber ihrem nagelneuen Ehemann. Der Zuschauer ahnt, was diesem Manne in der Ehe blüht....

Die Leistungen der Darsteller standen deutlich im Zeichen hoher Motivation und Spielfreude. Man möchte kaum einen herausheben, so gut haben alle gesungen und gespielt. Besonderen Applaus jedoch fingen sich vor allem Jan-Aiko zur Ack für seinen quirligen Puck und Hans Christoph Begemann für seine Interpretation des eseligen Zettel ein. Doch auch die anderen Protagonisten - Mary Anne Kruger mit ihrer so ausdrucksstarken, warmen Stimme, Andreas Wagner mit einem standfesten Tenor, Susanne Burkhard als lange unglückliche Hermia und Werner Volker Meyer als jähzorniger Demetrius hatten sich den Beifall redlich verdient. Auch Titania bestach besonders am Anfang in ihren Soloszenen.

Besonders ist jedoch Matthias Rexroth hervor- zuheben, der als Counter-Tenor auftrat, das heißt die seltene Kunst der hohen Stimme beherrscht. Diese Gesangsrichtung gilt als eine der schwierigsten und körperlich anstren- gendste. Was früher Kastraten wie natürlich sangen, müssen heute ausgewachsene Männer kunstfertig nachbilden. Und in dieser Kunst zeigte sich Matthias Rexroth bei der Premiere als Meister.

Auch das Orchester unter Franz Brockhagen erntete langen und verdienten Beifall, brachte es doch die relativ moderne Musik Benjamin Brittens in eine Form, die den Zuschauern diese Art der Musik mehr als schmackhaft machte. Selbst hartgesottene Klassikfans, sonst dem 20.Jahrhundert abhold, dürften sich an dieser Musik erfreut haben.

Und auch die Regie erfuhr beim Schlussapp- laus diesmal einhelliges Lob. Kein einziges "Buh" trübte den Eindruck, dagegen belebten viele "Bravos" den lang anhaltenden Beifall des ausverkauften Hauses. Man darf sicher sein, dass dieses Stück auch im Abonnment prächtig laufen wird.