Der Komponist als Hauptdarsteller Von unserem Redakteur
Ideale Besetzung der Titelrolle:
TRIER. Wiederbegegnung mit einer Opern-Rarität: Das Trierer Theater zeigt Leos Janáceks Märchenoper "Das schlaue Füchslein". Eine Produktion mit Licht und Schatten, die am Sonntag Premiere feierte. Die Grund-Idee ist bestechend: Das Prager Inszenatoren-Duo Jiri Nekvasil (Regie) und Daniel Dvorák lässt den Komponisten selber mitspielen. Janáceks graugelockter Charakterkopf ziert Lászlo Lukács - der in Altersrollen immer besser wird - in der Darstellung des Försters. Die ganze Oper findet im Musizierzimmer des Komponisten statt, eine einzige Kopfgeburt ihres Erfinders. Der Wald schaut zu einem großen Fenster hinein, die Tiere tanzen und spielen rund um das Klavier des Meisters. Immer mehr verschwimmen die Grenzen zwischen der realen Menschenwelt, der fabelhaften Tierwelt und Janáceks eigenen Fantasien. Des Försters Schwärmerei für die junge Terynka wird zu Janáceks Schwärmerei für seine seinerzeitige junge Geliebte Kamila. Ein origineller Ansatz, zumal vor dem Hintergrund, dass der tschechische Komponist in seinen Werken oft biografische Erlebnisse widerspiegelte. Hohe Anforderungen an die Zuschauer Aber das Spiel auf verschiedenen Ebenen, wiewohl optisch auf der Bühne hervorragend gelöst, stellt hohe Anforderungen an die Zuschauer. Und deren Chance, die Absichten nachzuvollziehen, wird dadurch erheblich verringert, dass man kaum ein Wort von dem versteht, was auf der Bühne gesungen wird. Das ist schade, weil die zeitgemäße Übersetzung von Peter Brenner den Wortwitz und die Rhetorik von Janácek durchaus rüberbringen könnte. Aber davon bleibt nicht viel, wenn etwa das schlaue Füchslein die dummen und rückständigen Hühner (köstlich: die weibliche Hälfte des Opernchors mit Gor Arsenian als Hahn) mit politischen Reden gegen ihren "Chef" aufwiegelt oder den Dachs mit gezielten Unverschämtheiten aus seiner mit Kühlschrank und Fotogalerie bestens ausgestatteten Höhle vertreibt. Man versteht es ebenso wenig wie die Gespräche von Pastor, Schulmeister und Förster. Die älteren Herren träumen alle insgeheim von der verführerischen Terynka (Goo Tenzer), die immer wieder durch das Bühnenbild geistert und in der "Menschenwelt" eine ähnlich romantische Rolle spielt wie das Füchslein in der Tierwelt. Pures Opernvergnügen liefern nur jene Szenen, die keiner Erklärung bedürfen. Zum Beispiel das Kennenlernen und die anschließende Liebesnacht zwischen dem inzwischen zur Füchsin herangewachsenen schlauen Füchslein und dem Fuchs Goldkopf (vorzüglich bei Stimme und Spiel: Eva-Maria Günschmann). Da schwelgt dann auch das Orchester in vollen Zügen und lässt manche Schwächen vergessen: die Probleme mit der vertrackten Rhythmik am Anfang, die herben Verbläser am Schluss. Aber insgesamt kommt Janáceks bezaubernde musikalische Lautmalerei mit ihren Stimmungsbildern in der trockenen Akustik des Trierer Theaters nicht optimal zu Gehör. Da mag sich István Dénes am Pult noch so engagiert ins Zeug legen: Die Musik behält zu sehr die Bodenhaftung, um das Publikum mitzunehmen in den Wunderwald des Komponisten. Nicht einmal der Tod des Füchsleins, das vom Wilderer Haraschta (prägnant: Nico Wouterse) erschossen wird, vermag da große Gefühlsregungen zu erzeugen. Ein Pluspunkt der Aufführung sind Daniel Dvoráks Kostüme. Kein plüschiger Naturalismus, der versucht, Menschen als Tiere zu verkleiden, sondern typische Merkmale, Andeutungen, kleine Accessoires. Ein Kunstwerk für sich. Kathryn Krasovec ist von der Körpersprache und der Darstellungskunst her eine ideale Besetzung für die Titelrolle. Listig, schmollend, zornig, glücklich: Sie findet auch stimmlich die passenden Farben für die verschiedenen Facetten der Hauptfigur. Da sind immer noch einige unnötige Schärfen bei hohen Tönen, aber die Weiterentwicklung ist unverkennbar. Die Riege der guten Nebendarsteller führt der vielseitige Jochen Schäfer an, auch Vera Wenkert, Angelika Schmid und Juri Zinovenko lassen keine Wünsche übrig. Mit Freude dabei sind die Kinder, sowohl Manfred Mays junge Chorsänger wie auch die Solisten Margaretha Nortmann, Filip Paluchowski, Franziska Koch, Emanuel Schmitz und Johannes Nortmann. Natalia Burgos-Marcia liefert einen beeindruckenden Libellen-Tanz, das Ballett gestaltet die Waldtiere in einer Choreographie von Sergey Volobuyev. Freundlicher Beifall im am Ende nicht mehr ganz gefüllten Saal. Auch der Mainzer Kulturminister Jürgen Zöllner und der Trierer Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, die ihren "Antrittsbesuch" machten, geizten nicht mit Applaus. Von der in Trier bisweilen spürbaren Premieren-Begeisterung war der Abend freilich ein ganzes Stück weit entfernt.
STIMMEN AUS DEM PUBLIKUM Anja Schuster (25), Ockfen:
Runhild Schmaußer (63), Gusterath:
Anke-Charlotte Kirsch (51), Trier:
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