"In diesem Wirrwarr findet keiner sich zurecht": In Rossinis La Cenerentola ist das ein köstliches Dialekt-Sextett mit grotesk rollendem "rr". In seiner Frankfurter Inszenierung, die am 20. Juni Premiere hatte, läßt Keith Warner ebenfalls die Gedanken "kreuz und quer, nach allen Seiten" gleiten, bis eine poppige, doch amüsante Revue übrigbleibt, unter der die Musik fast verschwindet. Sogar die Kulissen spielen verrückt, und Puppen zucken in einem Welttheater mit Kleinformat. Über ihm klafft Cenerentolas Riesenauge, in dem Prinz Ramiro den "lieblich warmen Schein" der Güte erkennt. Mit ebendieser tieferen Veranlagung, mit Hoheit in der Demut, bezwang in der von Katharina Thoma betreuten Wiederaufnahme die neue Cenerentola den Trubel um sie her und verhalf der Musik zu ihrem Recht: Das finnische Ensemblemitglied Jenny Carlstedt fesselt mit ihrem warm leuchtenden, koloraturengewandten, reich nuancierendem Mezzo ebenso wie mit ihrem überzeugenden Spiel. Auch der neue, ebenfalls ensembleeigene Dandini von Johannes Martin Kränzle war in seinem Rollendebüt ein Gewinn: Ohne Überzeichnung gelang ihm eine erzkomödiantische Parodie auf das Adelsgehabe. Neu besetzt war auch die kleinere Rolle von Cenerentolas Stiefschwester Tisbe mit der munteren englischen Gast-Mezzosopranistin Heather Shipp. Das wieder von Roland Böer dirigierte Museumsorchester ließ sich von der oft überdrehten Musik nicht zu übertriebener Lautstärke verleiten. Es blieb vielmehr im Klang locker, pointiert, sängerfreundlich. ELLEN KOHLHAAS |
Manch ein Regisseur mag sich darauf beschränken, La Cenerentola als nette Märchenoper zu lesen. Keith Warner nicht. Mit seiner Interpretation des Stoffes um Schein und Sein, um Tugend und Missgunst hat er an der Frankfurter Oper gezeigt, dass Rossinis Dramma giocoso weitaus mehr sein kann als ein vergnüglich-niedlicher Publikumsliebling. Jetzt hat die Oper Frankfurt die Inszenierung erstmals wieder aufgenommen und mit den Änderungen in der Besetzung mehr als ein glückliches Händchen bewiesen. Warner hat mit seinem Bühnenbildner Jason Southgate tief in die Trickkiste der Regiekunst greifen müssen, um dem Werk jenen Dreh zu verleihen, der ein wenig von der Banalität der Komposition abzulenken vermag: Er verlegt die Handlung in das Milieu der Puppenspieler. Don Magnifico und Angelina sind fahrendes Volk, ebenso wie Dandini und Don Ramiro. "Die Welt ist eine Bühne ... und wir sind alle Komödianten" - eine Textzeile, die Warner für ernst und gültig erachtet. Ja, so sein festes Credo, die Puppen der Imagination gebären die Wirklichkeit. Ob sich unterdessen die gesamte Handlung dabei ausschließlich in der Fantasie der Angelina abspielt, darüber kann noch immer gestritten werden. Vieles deutet darauf hin. Warner lässt Alidoro einer Marionette Leben einhauchen und damit den Fürsten als Inkarnation der Hoffnung dem Puppentheater entsteigen. Und zum Finale sitzen die Protagonisten in faden Alltagskleidern, sich ihrer täglichen Tristesse bewusst, auf dem abgehängten Sofa. Gleichwohl räumt Warner neben dieser zweiten Sinnebene seinen Akteuren durch jene Vielzahl an Überzeichnung und komödiantischen Elementen einen Aktionsraum ein, der diese Inszenierung auch abseits intellektueller Zuschreibungen sehenswert macht. Gastsänger Eric Roberts mimt (wie schon in der Premiere) engagiert jenen Töchter verschachernden Vater Dalandschen Zuschnitts. Gioacchino Lauro LiVigni sang ebenfalls bereits bei der Premiere, wenngleich seine Gestaltung des Don Ramiro jetzt stellenweise ein wenig eng wirkte. Neben dem Gast-Mezzo Heather Shipp (Tisbe) sind alle übrigen Rollen ausschließlich aus dem eigenen Haus besetzt – das ist beachtlich, zumal man hier nicht die schlechteste Wahl getroffen hat: Barbara Zechmeister übernimmt galant und mit erstaunlicher Leichtigkeit die Rolle der Clorinda, Simon Bailey liest den Magier Alidoro als graue Eminenz und gliedert sich damit perfekt in die Gesamtkonzeption ein. Jenny Carlstedt brilliert in unteren Lagen, geht lediglich Spitzentöne zuweilen forsch an. Ihre lyrische Gestaltung der Canzone "Una volte c'era re" zählt zu den musikalischen Glanzpunkten der Aufführung. Ähnlich lyrisch vom Stimmfach her tritt Johannes Martin Kränzle als Dandini an. Und Kapellmeister Roland Böer glänzte mit höchster Präzision. CHRISTIAN RUPP |
Ein Opernhaus mit der Finnin Jenny Carlstedt im Ensemble wird früher oder später um eine Inszenierung von Rossinis Aschenbrödel nicht herumkommen. Die Titelrolle der Angelina scheint der facettenreichen Sängerin wie auf den Leib geschneidert. Bei der Wiederaufnahme von Keith Warners Inszenierung vom Frühsommer jedenfalls stahl Carlstedt manchem anderen wackeren Darsteller die Schau. Lohnend ist ein Besuch von La Cenerentola daneben aber auch wegen des in erfrischender Spritzigkeit aufspielenden Orchesters unter der Leitung des temperamentvollen Roland Böer. Dazu gibt es auf der Bühne eine witzige Verwechslungskomödie mit humorvoll überzeichneten Persönlichkeiten, vor allem dem total vertrottelten Vater Don Magnifico und seinen ihm in diesem Charakterzug kaum nachstehenden Töchtern. Eric Roberts (Magnifico), Barbara Zechmeister (Clorinda) und Heather Shipp (Tisbe) bildeten ein zuverlässiges Trio. Am Ende aber stand wieder allein das sympathische Aschenbrödel im Mittelpunkt. Mit Jenny Carlstedt gelang den Frankfurtern wahrlich ein Coup. Matthias Gerhart |