Darmstädter Echo
22.Januar 2005

Kunterbunte Welt der Artisten
Operette: Prächtige Stimmen, feurige Tänze und Jonglage begeistern in der vom Pfalztheater aufgeführten „Zirkusprinzessin" das Publikum

Von Elfriede Schmidt


John Dew inszeniert eine Chorszene auf der Probe zu Gräfin Maritza von Emmerich Kálmán

Das jeweilige Milieu spielt in den Operetten von Emmerich Kalman eine zentrale Rolle und verleiht ihnen ihr typisches Lokalkolorit. „Gräfin Mariza" spielt im kaiserlichen Wien, die kaum bekannte „Bajadere" in Ostasien, der „Zigeunerprimas" geigt in einem ungarischen Dorf, und auch die „Czardasfürstin", die weltweit zum Inbegriff der Operette avancierte, hat Paprika im Blut und ist zwischen ungarischer Dorfidylle und mondänem Budapester Tingeltangel angesiedelt.

Die „Zirkusprinzessin" (Texte: Julius Brammer und Alfred Grünwald), mit der jetzt das Pfalztheater Kaiserslautern in einer völlig zu Recht umjubelten Inszenierung im Stadttheater gastierte, stellt der Komponist mitten hinein in die kunterbunt-exotische Zirkusmanege und ins schillernde Milieu der Artisten, Jongleure und Clowns, der Lebemänner, Gestrauchelten, Heimatlosen und der Bohème.

Die Handlung – das herannahende Inferno der Nationalsozialisten mit Emigration und Rassismus wirft seine Schatten bereits voraus – hat Kalman ins russische St. Petersburg und am Ende des Stücks nach Wien verlegt. Auch hier (Uraufführung 1926 in Wien) herrscht noch das feudale Prinzip, gegen das sich „Mister X" wehrt, der allabendlich als Kunstreiter von der Zirkuskuppel auf ein Pferd springt.

Sein Gesicht verbirgt er hinter einer schwarzen Maske, das macht ihn zwar für die russische Fürstin Fedora Palinska geheimnisvoll, aber gesellschaftlich stehen Welten zwischen der Adligen und dem Artisten, der in die schöne Frau vernarrt ist. Am Ende gibt’s, wie in jeder Operette, auch hier ein Happy End.

Bis es nach zwei Stunden so weit ist, darf sich das Publikum an wunderschönen Bildern, prächtigen Stimmen, feurigen Tänzen, zugkräftigen Gesangsnummern, viel schmissiger oder romantisch-gefühlvoller Musik und einer prachtvoll-bewegten und effektvollen Inszenierung laben. Sie ist eine Augen- und Ohrenweide und zeichnet sich nicht nur durch eine frische, unverbrauchte Spielfreude aus, sondern ist zugleich ein Beispiel dafür, dass sich Operette überzeugend, humorvoll und ironisch-parodistisch, aber ohne Albernheiten und Klamauk realisieren lässt.

Auf der farbenprächtigen Bühne geht es an diesem Abend so richtig rund. In der Manege wird, wie bereits als Vorgeschmack zu Beginn der Veranstaltung im Theaterfoyer, leichtfüßig jongliert, konzentriert geradelt und akrobatisch geturnt.

Zugleich läuft im Zirkuszelt, angedeutet durch riesige Vorhänge und Käfig-Gestänge, sowie in den Salons ein bösartiges Intrigenspiel, bei dem Wolfgang von der Burg in seiner Rolle als skurriler russischer Prinz Sergius Wladimir die Fäden zieht. Die Fedora hat sein Liebeswerben abgewiesen, mit dem er auch den Reichtum der Fürstin im Land halten wollte. Nun will er sich rächen. Wissend um die Standesdünkel der Fedora Palinska, verbandelt er sie mit dem ominösen Kunstreiter und weidet sich, als der Schwindel auffliegt, am Entsetzen der Fürstin und verspottet sie. Aber die Liebe ist ein wunderbarer Kitt, sie obsiegt am Ende doch, und als sich Mister X dann auch noch als der verarmte Neffe eines russischen Großfürsten entpuppt, passt wieder alles nahtlos zusammen.

Musiziert wird von den Pfälzern unter dem jungen Martin Lukas Meister auf hohem Niveau. Silvia Klauder als Fedora und Hans-Jörg Bock als Mister X besitzen prächtige Stimmen, Thomas Althammer und Arlette Meißner als quirliges Buffopaar Toni und Mabel setzen sich adrett und heiter in Szene, und die einstige gefeierte Diva Geertje Nissen erhält als keifende Mutter Carla inmitten der Turbulenzen eine humorvolle Charakterrolle.

Das Publikum fühlte sich von dieser „Zirkusprinzessin" bestens unterhalten und entließ das Ensemble nicht ohne Zugabe.