Früher Verdi verbreitet reichlich vokalen Glanz Oper Frankfurt startet mit "Nabucco" in die neue Saison Vorbei die Sommerpause, es geht wieder los in der Oper: Rein zeitlich gesehen hat im Rhein-Main-Gebiet das Frankfurter Opernhaus die Nase vorn. Während an den Theatern in Darmstadt, Wiesbaden und Mainz noch die spielfreie Zeit andauert, ist jetzt das Haus am Willy-Brandt-Platz zum Saisonauftakt mit einem Repertoire-Stück gestartet: Giuseppe Verdis "Nabucco" in der immer noch sehenswerten, drei Jahre alten Inszenierung von Bettina Giese. Eine Regiearbeit, die über zweieinhalb Stunden dem Vokalen gute Dienste leistet und mit ihren Dreiecks-Aufstellungen der Chöre, dem Treppen-Bühnenbild von Roland Aeschlimann und den hell ausgeleuchteten, abstrahierenden Spielszenen weder die Freunde des Regietheaters noch die Liebhaber der Ausstattungs-Oper verstören dürfte. Eine oft statuarische Inszenierung, bisweilen nahe an der konzertanten Aufführung. Also nicht ganz unpassend für die eingängigen Arien, Ensembles und Chöre des frühen Verdi. Die somit umso mehr geforderte vokale Seite fällt in dieser Wiederaufnahme überwiegend stark aus. Da debütiert der in Frankfurt oft gehörte Zeljko Lucic in der Titelpartie mit tragendem, balsamischem Bariton: ein Nabucco, der in den Momenten seiner geistigen Umnachtung besonders ergreift: Hier verbindet Lucic ideal sängerische Opern-Psychologie mit Belcanto-Wohlklang. Bravo! Zur Seite stehen ihm mit Kathleen Broderick eine herb timbrierte, vor allem in der Höhe präsente Abigaille, der noch recht jung-tenorale Ismaele von Edgaras Montvidas sowie der erst im Laufe des Abends an Schönklang gewinnende Magnus Baldvinsson als Hohepriester Zaccaria: Im Schnitt bleiben die Solisten des Dramas noch ein wenig hinter der Kollektiven zurück. Denn der stark geforderte Chor der Oper Frankfurt leistet Großartiges. Oft mit exakter Diktion und Präsenz zu erleben, gefällt er an der entscheidenden Stelle durch dynamische Zurückhaltung: Den so oft gehörte Gefangenenchor ("Va’ pensiero ...") erlebt man als vorwiegend im ergreifend inständigen Pianissimo. Gerade weil man diese Wunschkonzert-Nummer druckvoller im Ohr hat, überrascht die einhaltende Interpretation durch den von Alessandro Zuppardo einstudierten Chor angenehm. Er wird, wie alle Beteiligten, äußerst souverän von Dirigent Carlo Franci durch die Aufführung gelotst. Der Italiener, der erstmals 1975 das Frankfurter Museumsorchester leitete, lässt die Musik fiebern, indem er die Tempi deutlich strafft und aufrüttelnde dynamische Akzente setzt. Verdient umweht das Publikum ihn noch mehr als alle anderen Beteiligten mit Bravo-Rufen. AXEL ZIBULSKI |
Zur Eröffnung der Spielzeit nahm die Frankfurter Oper Bettina Gieses "Nabucco"-Inszenierung wieder auf. Viel Gefühl für die Gefangenen Von Matthias Gerhart Aller Anfang ist für die Frankfurter Opernmacher überhaupt nicht schwer: Mit Bettina Gieses "Nabucco"-Inszenierung von 2001 kam ein Publikumsmagnet auf den Spielplan, der sogleich ein volles Haus bescherte. Man erfreute sich wieder an der sehr schlanken, aber dafür nicht weniger plakativen Inszenierung, an einem von Alessandro Zuppardo hervorragend einstudierten Opernchor und einem von dem altehrwürdigen Carlo Franci vital geleiteten Museumsorchester. Wenn es so die ganze Spielzeit weiterginge, wäre gewiss die erneute Auszeichnung als "Opernhaus des Jahres" sicher! Auch die Solisten, die bei allen mächtigen Choreinsätzen niemals vergessen werden sollten, bildeten ein ausgewogenes Ensemble: Željko Lučic sang die Titelrolle zum ersten Mal und zog gleich die Sympathien auf sich. Er verstand es, die unterschiedlichen mentalen Verfassungen des Titelhelden mit vielseitiger Stimme zu verkörpern. Eine schöne Vorstellung gab auch die kernige Kathleen Broderick als Abigaille (von den Frankfurtern am Nationaltheater Mannheim entdeckt). Die Aufmerksamkeit des Publikums richtet sich in den ersten Vorstellungen einer neuen Saison naturgemäß auf die Neuen im Ensemble. Der mit kraftvollem Timbre singende Edgaras Montvidas (Ismaele) sowie die zarte Schwedin Anna Ryberg (Anna) stellen für das Haus gewiss eine gute Ergänzung dar. Gleichwohl erhielten diesmal Chor und Orchester den stärksten Beifall, bei einer Chor-Oper wie "Nabucco" keine Überraschung. Schön, dass dem Chorleiter Zuppardo wieder ein angenehm melancholischer "Gefangenenchor" gelang, der sich in wirkungsvollen Kontrast zu den lautstarken Siegesbekundungen der ersten beiden Akten begab. |