Frankfurter Rundschau
17. Juni 2005

Hölderlinmaterial in der Zentrifuge
Die Oper Frankfurt zeigt im Depot Bockenheim die Kammeroper "Nacht" von Georg Friedrich Haas

VON HANS-KLAUS JUNGHEINRICH

Nein, es ist nicht unbedingt Bildungshuberei, wenn Hölderlin auch für die Komponisten der Gegenwart zu einer starken Bezugsfigur wurde. Es mag ihnen doch mehr um verwandtschaftliches Wesen als um einen literarischen Prestige-Anker gehen. Der Autor rätselhafter Fragmente kann als früher Sprachzertrümmerer verstanden werden. Zu rechnen ist aber auch mit insgeheim romantischen Zügen der Moderne und Nachmoderne. Schließlich ist Hölderlins Dichten und Trachten unmissverständlich politisch konnotiert (auch mit Gesten des Scheiterns und des Utopieverlusts) und damit auf heutige Gestimmtheiten unschwer und überzeugend übertragbar.

Hölderlin als Metapher, gar als Mythos, als kultureller Humus. Von Henze über Holliger bis zu Haas sprechen avancierte Musiker in eigener Sache, wenn sie sich mit Hölderlin(texten) identifizieren. Egal, ob sie dabei den Wahnsinn als politisch-romantische "Nachtseite" akzeptieren oder, wie der Österreicher Georg Friedrich Haas, eher an Pierre Bertaux' These von der zuvörderst und im wesentlichen "strategischen" Funktion des Hölderlin'schen Rückzugs in "Umnachtung" glauben. Der Grazer Haas (Jahrgang 1953) arrangiert in seiner Kammeroper Nacht (seit der Bregenzer Uraufführung 1996 geradezu ein Erfolgsstück) "Hölderlinmaterial" etwa im Sinne Heiner Müllers: eine gleichermaßen aus Werken wie biographischen Dokumenten zusammengesetzte Collage.

Keine lineare Narration

24 ineinander übergehende Szenen und sieben solistische Darsteller, die allesamt als Personifikationen Hölderlins (bzw. seiner poetischen Verdopplungen) wahrzunehmen sind (auch die weiblichen, denn auch in "Diotima" erscheint mehr von Hölderlin selbst als von der "historischen" Geliebten Susette Gontard). Elemente einer sich bildenden Geschichte (oder einer biographischen Skizze) werden bewusst pulverisiert, so dass keine lineare Narration zustande kommt. Eher der szenisch-musikalische Bericht schroff wechselnder emotionaler Aggregatzustände. Haas' zwar elaborierte, aber gestisch spannungsvoll aufgeladene, subtil den Texten nachhorchende Musik zielt auf die Unmittelbarkeit theatralisch realisierter Gefühle. Haas arbeitet mit einem ausdifferenzierten, überdies beweglich im Raum agierenden Kammerinstrumentarium. Die Frankfurter Erstaufführung im Bockenheimer Depot konnte eine unkonventionelle Raumdramaturgie nutzen. Gleichwohl war die von rosalie geschaffene szenische Front der optische Hauptanziehungspunkt, beherrscht von einer sprungschanzenartig hochgewölbten und nach vorne sanft geneigt auslaufenden breiten Spiel-Schiene in magischem Blau. Apart auch rosalies Kostümgestaltung in Weiß mit phantastisch-surrealen Kopf-Aufbauten. Ansprechend die Personenregie von Friederike Rinne-Wolf, die der flackernd-filmschnittartigen Szenensegmentierung durch ruhige, kontinuierliche Abläufe begegnete und Möglichkeiten abrupt-dramatisierender "short cuts" weitgehend aussparte. In dieser souveränen, unnervösen Sicht verstärkte sich der Eindruck einer mythischen Verfremdung der Materialschichten, denen alle realistischen Komponenten entzogen waren. Damit kam wohl auch so etwas zustande wie eine Purifizierung der Haas'schen "Gefühlsmusik".

Das 70minütige Stück fächert das erzählende imaginäre Ich in verschiedene annähernd gleichrangige Rollen auf; die männlichen und die weiblichen Anteile halten sich beinahe die Waage. In hingebungsvoller, evokativer vokaler Diktion artikulierten sich Barbara Zechmeister (mit leuchtendem Sopran), Annette Stricker (mit charaktervollem, ungemein textverständlichen Mezzosopran-Vortrag), Alexander Mayr (mit lyrisch-überschwänglichem Tenor), Johannes Martin Kränzle (mit vehementem Bariton) und Steven Gallop (ein Bass von großartig-sonorem Format). Musikalisch präzis integriert die Sprecherpartie von Stephan Rehm. Als stummer akrobatischer "Vogel" vervollständigte die Tänzerin Heike Kroemer das Ensemble mit Turnereien an der steilen Rückwand.

Kompositorische Triftigkeit

Als glänzend disponierter Instrumentalkorpus agierte das Ensemble Modern unter der Leitung von Roland Böer. Auch bei extremer Raumdistanz blieb die Koordination der Klangquellen mustergültig. Während die Vokalsphäre bei aller Suggestivität ohne Exaltation auskommt, ist an interessanten und "unerhörten" Instrumentalkombinationen (wie abgründig dröhnenden Zusammenklängen von Basstuben und Kontrafagott oder mikrointervallischen Streicherepisoden mit Akkordeon-Grundierung) kein Mangel. Bei aller kompositorischen Triftigkeit blieb Hölderlin als numinoses Zentrum stets nah und gegenwärtig. Nichts Löblicheres lässt sich über diese eminente kompositorische Talentprobe sagen.

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Dokument erstellt am 19.06.2005 um 16:24:07 Uhr
Erscheinungsdatum 20.06.2005

 

Frankfurter Neue Presse
22.06.2005

Die erfüllte Liebe gibt es am Ende doch nicht
Die Kammeroper "Nacht" des Grazer Komponisten Georg Friedrich Haas erlebte im Bockenheimer Depot ihre deutsche Erstaufführung.

Von Gabriele Nicol

Ein hartes Stück Arbeit zunächst fürs inhaltliche Verstehen. Haas (1953 geboren) hat sich als eigener Librettist Texte von Hölderlin vorgenommen (Hyperion, Empedokles, Ödipus) und Briefe der "Diotima" Hölderlins, Susette Gontard, und das Ganze zu einem Patchwork von Szenen verarbeitet, die angeblich nichts anderes wollen als Emotionen aneinander reihen. Dabei versetzt er seine Personen, die alle um Hölderlin kreisen, dessen geistige Umnachtung "für diese Oper wahr ist" (so Haas kryptisch), in ständige Wechsel-, ja Vexierspiele. Und wenn man nicht an die Hand bekommt, dass der Bariton (Johannes Martin Kränzle) in den Szenen jeweils die Hauptgestalt ist und der Tenor (Alexander Mayr) der jeweilige Freund aus diesem ganzen Literaturkonglomerat, dann hat man überhaupt wenig Anhaltspunkte.

Nun gut, es geht ja um Emotionen: um die Unmöglichkeit einer erfüllten Liebe; um die Unmöglichkeit, gegenüber der Natur, der Moral, der eigenen Menschlichkeit fehlerlos zu bleiben – also letztlich ums Scheitern des Menschen. Das hat die Musik sehr feinsinnig, ja kammermusikalisch den einzelnen Personen zugeteilt, auf lyrische wie auf scharf-drastische Weise, niemals ungebührlich sich vordrängend; und die umgestimmten Instrumente fügten in den Reibungen die treffende Irritation dazu. Das wiederzugeben war eine verlässlich feine Leistung des Ensembles Modern, das diesmal samt den Sängern von Roland Böer zielstrebig geleitet wurde. Das Ensemble bewährt sich in solchem Zusammenhang auch als quasi-antikischer Sprechchor. Es ist ja zu fast allem bereit. So wie die Sänger, allesamt bühnenbeweglich (was hier vonnöten ist), bereit zum Singen und auch zum Sprechen, denn Haas macht da zu Recht keinen Unterschied, wenn es um Ausdruck geht. Und Hölderlins Ausdrucksweise hat ohnedies ihre Sprachmusik. Das Team der übrigen Mitsänger und -spieler: Barbara Zechmeister (S), Annette Stricker (Mezzo), Steven Gallop (B), Stephan Rehm als Sprecher und Heike Kroemer als "Vogel". Dieser Vogel, halb Erynnie, halb Amor, soll der liebevolle Begleiter des unglücklichen Hölderlin-Ödipus-Empedokles-Hyperion sein. Und wenn das nicht reicht, dann gibt es den Hölderlin gleich vierfach in allen Stimmlagen.

Auf der Bühne ist von Rosalie für diese Vielschichtigkeit von emotionalen Eindrücken mit einfachsten Mitteln ein richtiges Feuerwerk gezündet worden. Die Personen sind alle auf irgend eine Art in Weiß, allerdings mit artifiziellen Kostümstrukturen ausgestattet. "Ich träume von einem akustischen Bühnenbild´", so Haas. Hier hat er es: blauvergittert, schön und Gefängnis zugleich bis zum Horizont, von Fadensträngen durchwoben, die Verstrickung, aber auch Verwandlungen, freudige, glamouröse und triste Zustände in Farbveränderungen anzeigen können. Das hallt visuell nach. Der Abend akustisch auch.

 

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
19.06.2005, Nr. 24 / Seite R4

Beklemmende Innenwelt

Frankfurt. Mit Zurückhaltung hat das Premierenpublikum auf die deutsche Erstaufführung der Kammeroper "Nacht" von Georg Friedrich Haas im Bockenheimer Depot reagiert. Der 1953 geborene Komponist verarbeitete in dem Werk Briefe und Fragmente des Dichters Friedrich Hölderlin. Regisseurin Friederike Rinne-Wolf inszenierte in Frankfurt das 1996 erstmals in Bregenz gespielte Stück als bunte und psychisch beklemmende Innenwelt des alternden Hölderlin. Großen Applaus gab es indes für das Ensemble Modern. lhe.

 

Mainzer Allgemeine Zeitung
22.06.2005

Verlust und Rettung der Utopie
Haas-Oper "Nacht" im Bockenheimer Depot in Frankfurt - ein Werk "über" wie "nach" Hölderlin

Von Alexander Losse

FRANKFURT Die Rampe ist steil, wie gemacht für den Sturz von Titanen. Vom Boden, wo der alte Hölderlin auf einem Schlitten sitzt und sinniert, schlängeln sich zwei blaue Wendeltreppen und verwirrte leuchtende Fäden hinauf, in die Himmel der Liebe. Für die Kammeroper "Nacht" des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas (geboren 1953 in Graz), die nun im Frankfurter Bockenheimer Depot ihre deutsche Erstaufführung erfuhr, hat die Bühnen- und Kostümbildnerin Rosalie ein offenes Interieur entworfen.

Leise Trommeln grundieren den A-cappella-Stil, Celli ritzen sich in die vergilbenden Kulissen, Tuben mahnen an ein vergangenes Verhängnis. Im Ensemble Modern, das Roland Böer versiert leitet, treten unbestimmt schwebende, sphärisch berückende, leiernd absinkende Geigen und klirrende Vibraphone hervor. "Wie freu ich mich schon", übertönt die Stimme der Geliebten (Annette Stricker) Hölderlins ums Absolute ringende Spekulation. Mit bedeutendem Zeigefinger, wie auf der Kohlezeichnung von Johann Georg Schreiner, geht dieser Alte (Stephan Rehm) auf und ab.

Wir sollen Gedanken sehen: Haas´ "Nacht" ist die Welt, die Ödipus in seiner Blendung erfährt, zugleich die imaginäre Welt Hölderlins im Turmzimmer in Tübingen. Die Romanfigur Diotima, die Iokaste des Sophokles und reale Susette Gontard, Hölderlins große Liebe, sind Figuren eines inneren Dramas. Haas´ Textmontage aus Werken Hölderlins und Briefen ist überaus durchdacht. Der Gefahr des Kitsches entgeht diese Oper, indem sie Hölderlins Poetik in ihre Konzeption integriert, sie auf Leben und Werk des Dichters anwendet. "Nacht" ist ebenso ein Werk "über" wie ein Werk "nach" Hölderlin.

Haas geht es um Verlust und Rettung der Utopie, um eine Selbsterkenntnis unter Schrecken. Ob Kreon oder Hyperion, Empedokles, Hölderlin oder Alabanda: Die ihre Rollen tauschenden Sänger mit bleichen Gesichtern, in faltenreichen weißen Gewändern, mit weißen Papiertüten auf dem Kopf, sind Gestalten eines einzigen Ichs. Die Übergänge von sonorer Deklamation zu schnörkellos schwerem Gesang, das Übernehmen mehrerer Rollen durch einen Schauspieler, die ganze maskenhafte Szenerie hat diesen Anstrich griechischen Theaters. Wären die Handlungen nicht zerrissen, aus kleinen Textstücken verknüpft. Die Stereotypie und die vereinnahmende Lichtgebung geben diesem Kaleidoskop in 24 Bildern, inszeniert von Friederike Rinne-Wolf, einen futuristischen Zug (Dramaturgie: Hendrikje Mautner, Licht: Olaf Winter).

Als der Wahnsinnige verstoßen wird, scheppern fünf Becken von allen Seiten. Im letzten Bild verliert sich die Grenze zum Zuschauerraum: Während Hölderlin in Manuskripten blätternd auf der Bühne zurückbleibt, umstellen die Sänger und Instrumentalisten das Publikum. "Hyperion"-Texte und ein Turmgedicht tönen vierstimmig gegeneinander. Die Kulisse steht in weißem Licht.

Anfang und Ende berühren sich in Haas´ Oper ästhetisch zwingend. Hölderlins Erkennen des Scheiterns, Ideal und Realität zur Deckung zu bringen, entspricht für Haas dem Moment, in dem Ödipus sich die Augen aussticht. Die ganze "Nacht" kreist um diesen tragischen Moment, von dem Hölderlin kryptisch behauptete, dass die Zeit sich in ihm "kategorisch" wende: "In der äußersten Gränze des Leidens bestehet nemlich nichts mehr, als die Bedingungen der Zeit oder des Raums."

 

WIESBADENER KURIER
20.06.2005

Friedrich Hölderlin als Hör-Tragödie
Die Oper "Nacht" des Komponisten Georg Friedrich Haas im Bockenheimer Depot

Von Axel Zibulski


Mit den Anforderungen der Musik vertraut: Alexander Mayr (Tenor, links oben), Johannes Martin Kränzle (Bariton, links unten), Stephan Rehm (Sprecher, rechts)
Foto: Gericke

FRANKFURT Nicht gerade beruhigend, die Nacht-Erfahrungen des Komponisten Georg Friedrich Haas: "Während der Zeit des Komponierens der `Nacht` habe ich oft mit dem Fernrohr den nächtlichen Himmel studiert. Und ich empfand den Sternenhimmel unendlich laut - die Milchstraße schreit!" Zugleich stellt der Komponist im Programmheft der deutschen Erstaufführung seiner Kammeroper "Nacht" klar, dass sein Werk nicht vordergründig die Umnachtung des Dichters Friedrich Hölderlin verhandelt, um den die 24 Bilder kreisen. "Nacht" eher als Zustand der Blindheit, der Desillusion: "Die einzige Utopie, die nicht gebrochen wird, ist die, über die Trauer singen zu können."

Im Bockenheimer Depot zeigte die Oper Frankfurt jetzt, sieben Jahre nach szenischen Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen, "Nacht" erstmals in Deutschland. Hölderlin begegnet uns gleich in vier Gestalten. Jedem der vier männlichen Darsteller weist Haas diese Rolle zu; wie die beiden Sängerinnen wechseln sie mehrfach die Identität, außer zu Hölderlin und seiner Geliebten Susette Gontard werden sie zu Hyperion, Empedokles oder dem erblindeten Ödipus, Figuren aus den hier neben Briefmaterial zitierten Texten des Dichters. Regisseurin Friederike Rinne-Wolf kann in der Ausstattung von rosalie diese Rollenwechsel schnell vornehmen lassen, weil alle sechs Darsteller sich in neutral weißen Gewändern auf der Bühne bewegen, einer kurvenartig aufsteigenden Rampe mit vielfach verschlängelten Stricken auf dem Boden.

Anders als Regisseur Philippe Arlaud, der bei der Bregenzer Uraufführung nicht auf so gegenständliche Effekte wie das Herabsegeln von Papierblättern verzichtet hat, bleiben rosalies Bilder abstrakt. Und anders als in Bregenz, wo das Orchester die filigranen, mikrotonalen Klänge von Friedrich Haas eher diffus aus dem Bühnenhintergrund beisteuerte, bewegen sich die Mitglieder des Ensemble Modern in Frankfurt sogar an den Seiten der Zuschauertribüne: So darf man sich, wohl ganz im Sinne des Komponisten, akustisch ebenso gefangen nehmen lassen wie optisch. Kräftige Lichteffekte leuchten die Bühne in unterschiedlichen Farben aus.

Überhaupt werden die 24 Szenen, die schon wegen der permanent wechselnden Personenzuweisungen fern jeglicher narrativer Stränge bleiben, zu einer gut einstündigen Hör-Tragödie; von den teilweise sich überlagernden Texten sind nur Bruchstücke verständlich. Dabei wirkt das Vokalensemble durchweg bestens mit den Anforderungen der Musik vertraut, es besteht aus Barbara Zechmeister (Sopran), der bereits an der Uraufführung beteiligten Mezzosopranistin Annette Stricker, dem Tenor Alexander Mayr, Bariton Johannes Martin Kränzle, Steven Gallop (Bass) sowie Stephan Rehm (Sprecher). Das Ensemble Modern artikuliert unter der Leitung von Roland Böer die klangsinnlichen Momente der Partitur sensibel. Die große Stärke der Aufführung machen freilich die Bilder rosalies aus. Sie sprechen das Auge an, ohne es gegenüber dem Ohr zu überreizen. Komponist und Künstler wurden in Frankfurt durchweg gefeiert.

 

Darmstädter Echo
22.6.2005

Ohne Hoffnung
Musiktheater: Die Hölderlin-Oper „Nacht" von Georg Friedrich Haas in Frankfurt

Von Daniel Honsack

FRANKFURT. Nein, eine Hölderlin-Biografie ist das nicht, eher eine Hommage in Fragmenten. Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas hat sich in seiner Oper „Nacht", die 1998 ihre Uraufführung in Bregenz erlebte und für die er mit dem Krenek-Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wurde, mit Fantasien und wahnhaften Ahnungen Friedrich Hölderlins befasst. Im Bockenheimer Depot gelang dem Ensemble der Oper Frankfurt unter der Regie von Friederike Rinne-Wolf nun eine aushorchende wie bilderstarke Aufführung.

Als inhaltliche Achse steht die hoffnungslose Liebe des frühromantischen Dichters zur Frankfurter Bankiersgattin Susette Gontard, in deren Haus der Dichter eine Hofmeisterstelle angenommen hat. Doch auch sein labiler werdender geistiger Zustand zieht sich durch die Kammeroper.

Haas benutzt in seinem selbst verfassten Libretto Zitate aus Hölderlins Briefroman „Hyperion" und aus dem Dramenfragment „Der Tod des Empedokles". Dazu kommen Briefe von Susette Gontard und Übersetzungen aus dem „Ödipus" von Sophokles. Oft sind es hastige Dialoge, die über musikalischen Rauschzuständen des zielstrebig agierenden Ensemble Modern unter der Leitung von Roland Böer herumgeworfen werden. Nicht nur in den Gegensätzen, auch in der Auskostung aktueller Empfindsamkeit liegt der Reiz dieser erfrischend kurzen Oper.

Dazu hat Rosalie eine Bühne geschaffen, deren Blau geradezu erschlägt. Zwei Wendeltreppen ragen aus dem Boden, der in einem Bogen zur Rückwand wird. So verschieben sich schnell die Handlungs- und Wahrnehmungsebenen. Auch der Zuschauerraum wird in die Handlung eingebunden. Mitglieder des Intrumentalensembles postieren sich immer wieder in kleinen Käfigen am Rand der Metalltribüne. Zwischen Susette Gontard (Annette Stricker) und Hölderlin (Johannes Martin Kränzle) entsteht zwischendrin eine Art Monolog für zwei Personen, die in dem Seufzer gipfelt: „Es ist, als hätte mein Leben alle Bedeutung verloren".

Den Solisten wird eine Menge abverlangt – in 24 oft nur lose aufeinander bezogenen Bildern keine leichte Aufgabe.