Darmstädter Echo
23. September 2004

Von der Macht der Töne
Ausblick: Am Samstag (25.) ist die erste Premiere der Spielzeit im Staatstheater Darmstadt: John Dew inszeniert „Orfeo"


John Dew inszeniert eine Chorszene auf der Probe zu L'Orfeo von Claudio Monteverdi

DARMSTADT. Zwar hat es vor Claudio Monteverdis „L’Orfeo", der 1607 am Hof zu Mantua uraufgeführt wurde, schon einige Versuche mit der neuen Form der Oper gegeben, doch im Grunde ist Monteverdis Werk kraft seiner Vielfalt an musikalischen Formen bis hin zu melodiösen Arien die erste Oper der Musikgeschichte, auf der alle folgenden Opern aufbauen. Jacopo Peris sieben Jahre zuvor in Florenz uraufgeführte „Euridice", die ebenfalls die Orpheus-Sage behandelt, ist dagegen musikalisch langweilig, weil die Vielfalt fehlt und der Text nur rezitativisch vertont wurde.

Für John Dew, den Opernregisseur und neuen Intendanten des Staatstheaters Darmstadt, steht „L’Orfeo" am Beginn der Operngeschichte. Mit diesem epochalen Werk stellt Dew sich am Samstag (25.) mit seiner ersten Inszenierung für das Darmstädter Theater vor; es ist auch die erste Premiere der Saison 2004/2005.

Im Mittelpunkt sieht Dew den Künstler, den Musiker Orpheus, der mit der Macht der Töne sogar die Unterwelt bezwingt. Die Handlung der Oper ist rasch erzählt: Euridice wird durch einen Schlangenbiss tödlich verwundet. Orpheus kann ohne seine Gemahlin nicht leben und beschließt, sie aus der Unterwelt mit Hilfe seines betörenden Gesangs zu befreien, was ihm zunächst gelingt. Doch er schaut sich nach der Gattin um, was ihm Pluto, der Fürst des Schattenreichs, ausdrücklich verboten hatte. Euridice muss wieder dorthin zurück. Doch da die Oper nicht traurig enden soll, gibt es am Ende eine Apotheose: Orpheus wird vergöttlicht und steigt zu den Sternen auf.

Die Oper beginne mit einem Fest, erklärt Dew. Die Freude auf der Bühne, verstehe er zugleich als ein Zeichen für das, was er im Theater vermitteln wolle: Er möchte dem Publikum entgegenkommen, es soll am Theater Freude und Spaß haben, aber auch zum Nachdenken angeregt werden. Tatsächlich beginnt „Orfeo" freudig und festlich. Als Einleitung komponierte Monteverdi eine Bläser-Toccata. Wenn man so will, ist sie das erste Opernvorspiel der Musikgeschichte. Nicht zuletzt in Verbindung mit der Deutung des Begriffs der Toccata, mit der, so Musiktheoretiker des 16. Jahrhunderts, eine Stimmung aufzusuchen sei.

Für die Darmstädter Produktion hat Generalmusikdirektor Stefan Blunier, der das Werk auch dirigieren wird, eine eigene Fassung erstellt. Auch alte Instrumente werden einbezogen, darunter Blockflöten, Lauten sowie ein Instrument, das Cembalo und Orgel vereinigt: das Claviorganum. Mit Pause soll die Aufführung etwa zweieinhalb Stunden dauern.

Monteverdis „Orfeo" ist der erste Beitrag einer Reihe, die das Theater „Des Künstler Suche nach der Kunst" genannt hat. Diese Reihe soll der Frage nachgehen: Kann Kunst das Leben verändern? Orpheus wird mit dieser Frage direkt konfrontiert, sobald er versucht, die tote Euridice mit Hilfe der Musik aus dem Totenreich zu befreien. Doch Orpheus habe Zweifel an der Kunst, an Macht seiner Musik, sagt Dew, deshalb schaue er sich nach seiner Gemahlin um. Wenn er am Ende vergöttlicht werde, sei er aber im Grunde ein einsamer Held. (HZ)

„L’Orfeo" hat am Samstag (25.) um 19.30 Uhr im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt Premiere. Das Gesangsensemble ist doppelt besetzt, so gibt es eine zweite Premiere mit anderer Besetzung am Sonntag (26.) um 19.30 Uhr. Das Bühnenbild entwarf Heinz Balthes, die Kostüme José Manuel Vazquez.

 

Frankfurter Neue Presse
26.09.2004

Staatstheater Darmstadt eröffnet Saison mit Oper "L'Orfeo"

Darmstadt (dpa) Mit einer Opern-Inszenierung seines neuen Intendanten John Dew ist das Staatstheater Darmstadt in die Saison 2004/2005 gestartet. Das Premierenpublikum reagierte am Samstagabend mit höflichem Applaus auf die Version des britischen Regisseurs von Claudio Monteverdis Oper "LOrfeo". Dew betont darin mit bunten Bildern den frühbarocken Charakter der Komposition.

Etliche Besucher zeigten sich nach der Premiere enttäuscht. Ihnen war die über weite Strecken beschreibend angelegte Regiearbeit zu brav. In der Vergangenheit hatte Dew den Ruf eines unkonventionellen Theatermachers, der die Psyche der Hauptpersonen zu erklären versucht. "Diese Zeit ist offenbar inzwischen vorbei", sagte ein Premierengast.

Gefeiert wurde hingegen Dirigent Stefan Blunier. Er stellte eine eng an den historischen Originalklang angelehnte musikalische Version vor. In den Hauptrollen sangen Sven Ehrke (Orfeo) und Stephanie Maria Ott (Euridice). Das Bühnenbild stammte von Heinz Balthes.

Der 1944 in Santiago de Cuba geborene Dew war seit 1995 Generalintendant an den Städtischen Bühnen Dortmund. Mit seinem Wechsel nach Darmstadt tritt er die Nachfolge von Gerd-Theo Umberg an. In Dortmund hatte er mit mehreren Uraufführungen bundesweit Aufsehen erregt. Neben seiner Arbeit als Intendant in Darmstadt inszeniert Dew in Wiesbaden zurzeit Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen".

Die 1607 uraufgeführte Oper "LOrfeo" erzählt die Sage von Orfeus, der in das Reich der Toten vordringt, um seine Geliebte Euridice zurückzuholen. Der Stoff wurde mehrfach von verschiedenen Komponisten vertont.