Hermann Schmidt-Rahmer
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Worauf war Ihr besonderes Interesse bei der ersten Lektüre des Librettos gerichtet? Was fasziniert Sie am Stoff? Zuerst fiel mir auf, dass wir es zu tun haben mit einer Verkettung der unglaublichsten Zufälle, Missgeschicke Missverständnisse und Irrtürmer. Eine vollkommen, unwahrscheinliche Geschichte, gipfelnd in der Katastrophe, in der Rigoletto seine Tochter ans Messer liefert, indem er sie gerade retten will. Aber genau dieses wahnsinnige Räderwerk ist natürlich das Faszinierende am Stoff. Ich musste an einen Albtraum denken, in dem ein Mensch, der,von einer fürchterlichen Angst getrieben, die Schrecknisse zu fliehen sucht, am Ende immer genau mit dem Gegenstand sei ner schlimmsten Befürchtungen konfrontiert wird. Textreue? Close reading? Historische Zeit? In welche Richtung geht die Arbeit des Regietreams? Ich bemühe mich in meinen Arbeiten immer darum, den Kern eines Stoffe, so wie ich ihn verstehe, freizulegen. Das kann dann mitunter auch dazu führen, dass wir meinen, ein Stoff wird für das Publikum erlebbarer, wenn man ihn aktualisiert. Im Falle von Rigoletto wäre das Unsinn, denn die Zeit, in der die Geschichte spielt, ist sowieso eine fiktive. Der Stoff verweist eher auf eine Märchenwelt, und dies ist die Welt des Unbewussten und des Traumes. Das, was wir auf der Bühne sehen, ist das, wie Rigoletto die Welt sieht. Was ist RIGOLETTO: Eine kolportage hafte Kriminalgeschichte? Ein Liebes-Melodram? Ein Psycho-ThriIIer? Im Kem ist es eine moderne Tragödie, und seit der Antike bewegt die Tragödie die Frage nach unserem Verhältnis zwischen Schicksal und eigenem Handlungsvermögen. Nur sind es in der Moderne nicht mehr die Götter, die ein scheinbar unausweichliches Schicksal über uns verhängen, sondern das Schicksal hat sich in unser Ich verlagert oder in die Gesellschaft. Rigoletto glaubt fest daran, dass er ein Verdammter ist, und irgendwann ist er soweit, dass er nicht mehr in der Lage ist, die Welt anders zu interpretieren als genau aus diesen Blickwinkel. Folgerichtig geschieht dann auch das Unvermeidliche insofern ist Rigoletto ein moderner Ödipus. |
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