Wagners "Tristan und Isolde" wieder an der Oper Frankfurt Die weißen Wände im Inneren eines Schiffs, ein bürgerliches Schlafzimmer und schließlich die morbide schwarze Szenerie der Burg Kareol: In diesem Rahmen richtete Christof Nel vor zwei Jahren an der Oper Frankfurt Richard Wagners "Tristan und Isolde" ein. Seine Regie im Bühnenbild von Jens Kilian blieb vor allem durch ihre detailgenau ausgearbeitete Personenführung in Erinnerung. Jetzt wurde Wagners "Handlung in drei Aufzügen" teils unter Mitwirkung der in der Premieren-Spielzeit beteiligten Sänger von der Oper Frankfurt wieder in den Spielplan aufgenommen. Erneut singen Susan Bullock die Isolde und John Treleaven den Tristan. Der aus Cornwall stammende Sänger vertraut erfreulicherweise auf die kantablen Stärken seines Tenors, ist ein nicht übermäßig kraftvoller, aber eben auch selten forcierend singender Tristan. Dagegen agiert Susan Bullock als Isolde vokal geradezu zügellos, mit allzu ausladendem Vibrato, scharf schneidenden dynamischen Spitzen, immerhin ohne Anzeichen von Konditionsproblemen. Deutlich geschmeidiger, kultivierter, tonschöner wirkt daneben die Brangäne von Martina Dike; als Kurwenal debütiert Ned Barth an der Oper Frankfurt, ein vokal recht robuster Diener Tristans, der zu dessen Fieberträumen im dritten Akt aber auch verhaltenere, einfühlsamere Töne findet. Gregory Frank gibt einen glaubhaft gebrochenen König Marke. Aufhorchen lassen zwei Sänger der kleineren Partien: Christian Dietz singt das Eingangs-Lied des jungen Seemanns mit betörend klarer Intonationssicherheit, den Hirten im dritten Aufzug gibt Michael McCown nicht nur szenisch, sondern auch vokal äußerst flexibel. Paolo Carignani leitet das bei der Wiederaufnahme nicht ohne Unsauberkeiten spielende Museumsorchester mit eher breitem Klangpinsel. Bei den Folgevorstellungen werden in fast allen Partien auch Alternativbesetzungen zu erleben sein. AXEL ZIBULSKI |
Verhauchende Lust Dieser "Tristan" – Premiere war 2003 – ist zweifellos die schlüssigste Inszenierung, die Nel für Frankfurt schuf: Der 1. Akt – eine Art Unterdeck – voller Spannungsdichte und klug gesteigert dazu, im 2., ungewohnt hellen Akt ein großer Schlafraum, in dem das Geschehen fast ins Magische gleitet durch das Spiel des Liebespaares wie der hier fast archaischen Figur der Brangäne, die ihr Taglied auf offener Bühne singt, im 3. dann ein unbewohntes, dunkles Kareol und ein brutales Gemetzel mit viel Blut, als wollte Nel dem Publikum auch die andere, "tägliche" Seite des Todes vor Augen führen. Im Solistenensemble gab es im nun zweiten Jahr einige Neubesetzungen. Susan Bullock übernahm die Partie der Isolde, sie ist weniger die Heroine, sondern eine leidenschaftliche junge Frau voller starker Emotionen, klar in den Gesangslinien und ohne scharfe Spitzen bis hin zur verhauchenden "höchsten Lust". John Treleaven ist dem Premiereneindruck als "seelisch Leidender" und reflektierender Tristan treu geblieben. Neu im "Tristan"-Ensemble ist Martina Dike, mit ihrem bisweilen glühenden, relativ hohen Mezzosopran eine Brangäne von hinreißender Präsenz und enormer Darstellungskraft. Neu sind auch Nel Barth als ein ausdrucksvoll mitleidender, nie haudegenhaft röhrender Kurwenal, auch Hans-Jürgen Lazar als markanter Melot. Nur: Seine ständigen stummen Zeichen zu Marke sind eine der Schwächen der Inszenierung. Den König Marke singt wandlungsfähig und beweglich Gregory Frank. Paolo Carignani am Pult nimmt zügige Tempi, erkennt klug die Momente des unendlichen Verweilens, drängender wirken da die Aufstiege zu den ekstatischen Gipfeln. Das Orchester besticht, von einigen Nervositäten und dem etwas "direkten" Klang im 1. Akt abgesehen, durch seine Reaktionsschnelligkeit, Schlagkraft und entschlackten Klangfarben. Viele Bravos für alle. (jö) |
klassik.com 09.07.2005 Frankfurt am Main, Städtische Bühnen, Tristan und Isolde Ästhetik der Hässlichkeit Wiederaufnahme von ’Tristan und Isolde’ Kritik von Midou Grossmann Das Vorspiel hatte Glut, Tiefe und Dynamik, es stimmte ein auf einen musikalisch spannenden Abend. Doch die Szene löste das Versprechen aus dem Orchestergraben nicht ein. Warum nur hatte ich 5 Stunden lang das Gefühl, dass sich der Regisseur Christof Nel mit dieser Inszenierung über die Wagnergemeinde lustig machen wollte? Oder sollte Nel gar die banale Soap Opera, die er hingebungsvoll inszeniert hat, ernst genommen haben? Hatte er nicht das Libretto gelesen, darin wird Isolde als der Erde schönste Königsbraut bezeichnet und Tristan als Held. Was bedeuten uns heute noch Worte wie Ehre, Treue, Ewigkeit? Sind sie uns peinlich? Fast scheint es so. Denn in Nels Inszenierung gibt es keine schöne Königsbraut. Isolde wirkt wie eine etwas ‚verhuschte’ und neurotische Frau, hässlich gekleidet, ebenso wie Brangäne, die in einem strengen Kostüm und mit globigen Schuhen besorgt auf und ab schreitet. Der Held Tristan, ein Vorstadtcasanova mit Bierbauch und Jogginghose. Seine Mannen: grobe Machos. Grölend und saufend werden die beiden Frauen gejagt. Nein, da mag man nicht mehr hinschauen. Schließt man die Augen, dann kann man in der Musik aus dem Orchestergraben Wagners Philosophie noch erkennen. Doch keine Spur davon auf der Bühne. Das Bühnenbild zeigt auch nur eine weiße kalte Wand, ein Lightdesign gibt es ebenso wenig, wie eine passable Personenführung. Im ersten Akt wird durchweg an der Rampe gesungen. Nein, Herr Nel, da haben Sie es sich zu leicht gemacht. Auch das Schlafgemach des zweiten Akts ist recht phantasielos und der dritte Akt ganz in schwarz konnte für mich jedenfalls nichts mehr retten. Und die Sänger? Die wirkten auch irgendwie zerrissen. Sicherlich war die Diskrepanz zwischen dem gesungen Text und dem gespielten Ambiente nicht förderlich. Richard Decker als Tristan gab trotzdem eine beachtliche Leistung. Ein schönes Timbre und eine große Flexibilität zeichnen ihn in den lyrischen Passagen aus, in den dramatischen Phasen fehlte es ihm allerdings etwas an Kraft und Gestaltungswillen. So auch im dritten Akt, der ja bekanntlich völlig auf die stimmliche Präsenz des Tenors aufgebaut ist. Susan Bullock hatte die etwas gestörte Isolde zu verkörpern und man konnte sie nur bedauern. Doch sang sie sauber alle Noten der Partie, trotzdem blieb der Gesang seltsam distanziert und eindimensional. Auch Elena Zhidkova als Brangäne konnte nicht überzeugen. Zwar besitzt sie ein beachtliches Stimmvolumen, doch ebenso schon ein beachtliches Vibrato und von Wortverständlichkeit war nichts zu bemerken. Gottlob hatte man die Untertitel eingeschaltet. Gregory Frank, der als König Marke nur zu bedauern war, sang er sehr gut, aber als Mensch wirkte er hilflos und wurde von seinen brutalen Mannen gänzlich beherrscht. Auch Kurwenal, von Ned Barth mit etwas steifer Stimme gesungen, konnte nicht überzeugen. Ordentlich dagegen der Steuermann von Gérard Lavalle. Michael McCown war sicherlich glücklich, dass Christof Nel diese Nebenrolle zum eigentlichen Highligt im 3. Akt aufgewertet hatte, somit konnte er sein schauspielerisches Talent voll entfalten. Aber für Isolde gab es auch am Schluss keine Erlösung, somit erklang ihr Liebestod äußerst pessimistisch. Das Orchester und Paolo Carignani am Pult konnten die künstlerischen Visionen Richard Wagners noch am besten umsetzen. Doch das Frankfurter Publikum, im nicht ausverkauften Haus, wollte sich seinen Wagner nicht zerstören lassen und demzufolge belohnte man die Künstler mit viel Applaus. |
Oper Frankfurt, Wagner: Tristan und Isolde by Michael Sinclair The surprise package of the evening was Martina Dike's Brangäne. It was a rare pleasure to hear a rich mezzo voice in this role, yet still able to rise with thrilling authority to the great climaxes in the first two acts. Her voice contrasted beautifully with Ginzer's and she received a deserved ovation from the audience at the final curtain. Kurwenal was strongly sung by Anton Keremidtchiev, and Magnus Baldvinsson made much of his monologue at the end of Act 2. Christof Nel's production offered little in the way of new insights into this great opera, yet much to distract. Jens Kilian's designs were monochromatic to the point of boredom, white for the first two acts, and black for the final one. Wagner's eternal themes of light and darkness achieved with two cans of paint. Margit Koppendorfer's costumes were perverse to say the least. Why did the sailors not have uniforms? Could Isolde not have chosen something sexier to wear to meet Tristan in Act 2, and why did Tristan not shed his coat for the love duet? I can think of nothing less erotic than seeing someone make love in a duffle coat. Not that there was much intimacy in this production. It was in the love duet that Nel seemed completely lost as to what to do with his singers. The ham fisted direction resulted in little chemistry between the two and there was no sense of the eroticism that is so clearly heard in the score. They should have spent more time playing with each other rather than with the flowers. On the positive side the tension created between the characters in Act 1 was palpable, and the final act, set in what looks like a decaying gentleman's club, worked dramatically, but much of this was down to Treleaven's abilities as a singer-actor. Paolo Carignani conducted the Frankfurter Museumsorchester with passion, offering excellent support for his singers. I particularly liked the way he breathed life into the quieter passages of the score, with the orchestra finding a heartbreaking depth of feeling through their superb playing. Tristan und Isolde is undoubtedly one of the greatest love stories handed down to us. If we are to believe that the consummation of passion is death, we need to believe in the passion itself. With such glorious, passionate singing it is Wagner's music that transcends the banalities of this production. © 2005 Michael Sinclair |