MUSIK Eine mehr als vier Stunden Aufführungsdauer beanspruchende Oper nicht als Inszenierung auf der Bühne, sondern konzertant zu präsentieren - das bedarf in der Regel einer Erklärung. Hat das Geld für die Ausstattung nicht gereicht, oder erwies sich das Libretto als derart kraus und unbedeutend, daß eine Fokussierung auf die Musik sinnvoll erscheint? In Einzelfällen mag eine Entscheidung für den Konzertsaal gerechtfertigt sein - als bequem zu handhabendes Einsparungspotential sollte es nicht leichtfertig herhalten müssen. Im Falle der Reihe "Europäische Opernhäuser zu Gast", die das Rheingau Musik Festival seit Herbst vorigen Jahres in der Alten Oper Frankfurt veranstaltet, lassen sich Vermutungen dieser Art kaum ins Feld führen. Vielmehr geht es darum, mit speziellen, exakt definierten kulturellen Glanzpunkten den Standort Alte Oper international aufzuwerten. Deren Intendant Michael Hocks weiß sehr wohl, daß sein Haus neben angemessener Präsentation der lokalen Musikszene die Aufgabe hat, durch repräsentative Gastspiel-verpflichtungen auch auswärtige Besucher anzulocken. Er weiß aber auch, daß er solch kostenintensive Unternehmungen in dieser Zeit nicht ausschließlich allein stemmen kann. Da kann ihm eine Vermietung des Hauses durch ein renommiertes, auf Sponsorenbasis operierendes Festival nur recht sein. "Die Reihe "Europäische Opernhäuser zu Gast" dient auch dem Ziel, bedeutende Institutionen mit weltweiter Ausstrahlung in ihrem künstlerischen Potential vorzustellen, also - im Idealfall - ein Sängerfest zu bieten im Zusammenhang mit einer Opernmusik, die mehr zu bieten hat als die Klangfolie für eintönige Soloauftritte. Bisherige Abende dieser Reihe gerieten höchst vielversprechend: Die Sächsische Staatsoper Dresden hatte zur Eröffnung der Reihe mit Wagners "Lohengrin" einen Sensationserfolg verbucht (F.A.Z. vom 12. November 2003), die Wiener Staatsoper mit "Salome" von Richard Strauss nicht minder exemplarisch Akzente gesetzt (F.A.Z. vom 5. Februar 2004). Nun war abermals die Dresdner Staatsoper mit einem musikalischen Schwerstgewicht an der Reihe: Wagners "Walküre", dirigiert von Kirill Petrenko, gesungen von einem exquisiten Ensemble, von denen der Baß Kurt Rydl - hier in der Rolle des Finsterlings Hunding - und Evelyn Herlitzius (als Sieglinde) schon im "Lohengrin" mitgewirkt hatten. Für eine konzertante Darbietung ist Wagners "Walküre" der am besten geeignete Teil der Tetralogie, weil er die originellste, spannendste Orchesterdramaturgie enthält und zudem hinsichtlich der enormen Strettawirkung gegen Ende des ersten Aufzugs eine quasi sinfonische Komponente ausspielt. Zudem läßt die überschaubare, psychologisch äußerst klar definierte Rollenverteilung das rein darstellerische Pendant der Opernbühne kaum vermissen - erst recht nicht bei einer sängerisch derart beeindruckenden Darbietung, wie sie die Dresdner in Frankfurt boten. Schon der erste, 70 Minuten dauernde Aufzug der Oper lebte von solcher Spannung. John Treleaven als Idealbesetzung der Siegmund-Partie und Evelyn Herlitzius als Sieglinde ließen die Euphorie der Befreiung, der Selbsterkennung und der in inzestuöse Geschwisterliebe mündenden Flucht auch mit vokalen Mitteln glaubhaft werden. Bei Treleaven begeisterte auch die Kunst, Tenoraufschwünge durch kammermusikalische Intimität und kunstvolle Legati zu relativieren. Dagegen ist Rydl als Hunding ein Baß von beispielhafter Schwärze, wie man ihn in Deutschland nur selten noch findet - ideal auch in der furchteinflößenden Bühnenpräsenz, mit der die Hunding-Gestalt auch ohne Szene mühelos vorstellbar bleibt. Nicht minder bewundernswert die bis zum Schluß ungebrochene Intensität des Wotan-Darstellers Alan Titus, dem im dritten Aufzug nicht nur Ausdauer abverlangt wird, sondern der Umschlag in lyrische Gefilde, mit der Wagner dessen Rührung über die von ihm zu verhängende Strafe gegenüber seiner Lieblingstochter Brünnhilde schildert. Luana DeVol gestaltete die Brünnhilde-Partie als ein leuchtend-kraftvoll ausgesungenes Hochspannungs-Kraftfeld, im dritten Aufzug unterstützt von den acht Walküren. Birgit Remmert als Fricka überzeugte durch feine Piano-Nuancen. Daß solche Zwischentöne auf der Bühne des Großen Saals nicht verlorengingen, war auch der für Sänger optimalen Orchesterarbeit Petrenkos zu verdanken, der den gesamten ersten Akt mit kammermusikalischer Delikatesse gestaltete und die famos intonierende Staatskapelle zugunsten der Solisten im Zaum hielt. Viel Beifall. HARALD BUDWEG |
Unter der Lupe VON STEFAN SCHICKHAUS Was wohl Wolfgang Wagner in der Alten Oper hören oder sehen wollte? Das Oberhaupt des Grünen Hügels war jedenfalls unter den Gästen des Rheingau-Musik-Festivals, das sich jenseits der Sommermonate mit einem besonderen Ereignis nach Frankfurt begeben hat: Richard Wagners Walküre konzertant, mit dem Orchester der Staatsoper Dresden und überaus hochkarätigen Solisten. Von denen dürfte Wolfgang Wagner allerdings schon alle gekannt haben, waren sie doch schon in Bayreuth auf der Bühne oder sind sonst lange genug im Geschäft. Doch vielleicht ging es ja um Kirill Petrenko: Der 1972 im sibirischen Omsk geborene Dirigent, der 2001 mit einer schier olympischen Leistung auf sich aufmerksam gemacht hat. Damals war er 28 Jahre alt, bereits Generalmusikdirektor in Meiningen, völlig Wagner-unerfahren, und hat einen kompletten Ring auf einen Schlag einstudiert. Alle Teile so hintereinander, wie man es sonst nur in Bayreuth zu spielen pflegt. Mit so etwas bleibt man nicht unentdeckt. Mittlerweile ist Petrenko an die Komische Oper nach Berlin gewechselt, hat schon mehrfach auch in der Semperoper dirigiert, leitete jetzt diese Walküre. Und wie er sie leitete! Fünf Stunden lang hellwach, Begeisterung vermittelnd, ja mit einem Strahlen im Gesicht, wenn er seinen Sängern die Einsätze gab, als freute er sich mehr noch als das Publikum über deren besondere Qualität. Als etwa Brünnhilde im dritten Akt Walhalls Heldenhalle in den süßesten Farben schilderte, bekam Petrenko das Orchester zu einem jener rauschhaften Momente, wie er nicht einmal mehr von der berechnenden Schönheit des Schluss-Feuerzaubers übertroffen werden konnte. Es war ein Wagner-Klang wie unter der Lupe, hoch vergrößert und delikat filetiert. Schon wahr, authentisch ist dieser Klang nicht, gedacht für Bayreuths Orchestertunnel, dessen Mischkraft man in Frankfurts Alter Oper aber ganz selten nur vermisste. Problematisch in der Riege der Solisten erschien einzig Alan Titus, ein äußerst erfahrener Wotan-Sänger, der aber hier alleine durch Kraft und Präsenz auffiel. Seinen großen Monolog im zweiten Akt hatte er konzentriert und großartig gestaltet abgeliefert, doch alles darum herum blieb im kaum artikulierten Ungefähren. "In eigener Fessel fing ich mich: ich unfreiester Aller!" sang er, und er hatte Recht. Umso flexibler und präziser, dabei nicht minder schlagkräftig seine Tochter Brünnhilde (Luana DeVol) und seine Gattin Fricka, gesungen von der exzellenten Birgit Remmert, beides stimmlich imposante Bühnenerscheinungen. Kurt Rydl durfte als Hunding markig knurren, wie es ihm beliebt, John Treleaven gab einen reifen, souveränen Siegmund, der seine Kräfte fokussieren musste, aber auch konnte: Seine "Wälse, Wälse!"-Rufe stemmte er tapfer, danach schien er gar gelöster. In den Neunzigern war der Heldentenor aus Cornwall Ensemblemitglied der Mainzer Oper, danach erst machte er sich als Wagner-Sänger einen Namen. Angenehm wenig Stahl ist in seiner Stimme, viel Reflexion, ein moderner Stimmtypus, seinem Göttervater Wotan hier deutlich überlegen. Vor zwei Jahren hatte das Rheingau-Festival seine "Oper konzertant" zum ersten Mal aufgelegt, auch damals mit der Sächsischen Staatskapelle und mit Wagner, und auch damals war der Star des Abends die Sopranistin Evelyn Herlitzius. Damals sang sie die Ortrud, jetzt die Sieglinde, mit überwältigender, klarer, raumgreifender Stimme und einer so einnehmenden Bühnenerscheinung, dass die fehlende Inszenierung nie als Mangel begriffen werden musste. Und Wolfgang Wagner? Hat kaum geklatscht. [ document info ] Dokument erstellt am 09.12.2004 um 15:56:05 Uhr Erscheinungsdatum 10.12.2004 |
Wotan reiste aus Bayreuth an Von Rudolf Jöckle Nachtrag des Rheingau-Musik-Festivals 2004: Eine "Walküre", immerhin der dramatischste der vier "Ring"-Teile, ohne Szene? Das Dresdner Gastspiel es setzte den "Lohengrin" des Vorjahres fort entwickelte sich jedenfalls zum eindrucksvollen Plädoyer für diese Art, sich einmal "live" allein auf die Musik zu konzentrieren, substituiert nur durch knappe Bewegung und Gestik der Solisten. Die sich so von jeder Steifheit befreienden Protagonisten bildeten, wenn man so will, im Grunde eine "Bayreuther" Besetzung, voran Alan Titus auch hier als Wotan, Evelyn Herlitzius als Sieglinde, Luana DeVol als Brünnhilde, die diese Partie schon im Festspielhaus sang, was auch für Birgit Remmerts Fricka gilt. Alan Titus verblüffte wohl am meisten, gemessen an seinem in diesem Jahr etwas gequälten Bayreuther Wotan. Er sang die Partie nun freilich nicht das "Rheingold" in der Kehle mit viel Verve und elastischer Kraft, ja machtvoller Sonorität bis zum schier mörderischen, weil von Kirill Petrenko am Pult gewichtig-spannungsvoll gedehnten Finale. Darüber hinaus belebten seine Präsenz und sein Einsatz spürbar das Ensemble. Luana DeVol als Brünnhilde demonstrierte bestechende Oktav-Sprünge in den Hojoto-Rufen, ihre (stets kontrollierte) Expressivität etwa in der Erfahrung der Liebe aus der Todesverkündung heraus zeichnete ein eindrucksvolles, wandlungsreiches Porträt. Evelyn Herlitzius wiederum, immerhin in diesem Jahr eine gefeierte Brünnhilde in Bayreuth, bestach durch ihre lyrische Konzentration im 1. wie durch ihre vielfach nunancierte Leidenschaftlichkeit im 2. Akt. John Treleaven als Siegmund war bei bisweilen eigenwilliger Vokalbildung ein gleichwertiger Partner ohne heldisches Auftrumpfen auch bei den explosiven "Walse"-Rufen, dafür mit schön gebundenen "Winterstürmen". Birgit Remmert machte mit ihrem energischen, intelligent geführten Mezzo eindrucksvoll Zorn, Bitterkeit, aber auch Hohn der Fricka im Duell mit Wotan deutlich. Kurt Rydl brachte für seinen donnernden Hunding den rechten knorrig-schwarzen Bass mit. Als ein brillantes Ensemble erwiesen sich schließlich die acht Walküren, von denen man mehr, als bei Bühnenaufführungen möglich, Details hörte und auch verstand. Kirill Petrenko, derzeit Chef der Komischen Oper Berlin, hier mit runden, schwingenden Bewegungen am Pult der Sächsischen Staatskapelle, war nicht nur ein umsichtiger, sondern auch durchaus selbstbewusster Leiter, vom raschen, eher malenden als bedrohenden Auftakt bis zum langen Atem des "Feuerzauber"-Finales hin. Ohne die Stimmen nun übermäßig aufzugliedern, sorgte er doch für nachdrückliche Details wie für akzentuierte Dynamik, was dem ja ohnehin weichen Klang der ausgewogenen Dresdner bestechend vor allem die wundervollen Streichergruppen entgegenkam. Im übrigen: Petrenko wird kommenden März Modest Mussorgskys "Chowantschina" an der Oper Frankfurt dirigieren. Für die konzertante "Walküre" gab es im Publikum Jubel nach jedem Akt und stehend dargebrachte Ovationen am Ende. Auch Wolfgang Wagner und Frau Gudrun, samt einigen Mitgliedern des Bayreuther Orchestervorstandes eigens als Gäste zu diesem Abend angereist, dürften zufrieden gewesen sein. |
Delegation vom Grünen Hügel Von Axel Zibulski Hoher Besuch aus Bayreuth in Frankfurts Alter Oper: Als dort das Rheingau Musik Festival anlässlich seiner Sonderreihe "Oper konzertant" für einen Abend aus dem Winterschlaf erwachte, konnte Festival-Chef Michael Herrmann sogar den Festspiel-Leiter Wolfgang Wagner samt "Delegation aus Bayreuth" begrüßen. Was die Wagner-Erben wohl nach Frankfurt kommen ließ? Schließlich verfügt ein guter Teil der Solisten, die in dieser konzertanten "Walküren"-Aufführung durch die gastierende Sächsische Staatsoper Dresden zu erleben waren, ohnehin über Erfahrung auf dem Grünen Hügel. Zum Beispiel der Bariton Alan Titus: Seit Jahren ist er ein in Bayreuth eher umstrittener Wotan. Und auch der Frankfurter Eindruck blieb ambivalent: Einerseits versteht es der Sänger, der im "Ring"-Zyklus recht früh eintretenden Niedergeschlagenheit des Göttevaters mit messerscharf-trotzigen Piano-Einsichten zu begegnen, sich seine Kraft für seinen durchaus intensiven finalen Abschied von Brünnhilde vokalökonomisch aufzusparen. Anderseits verstören zuvor manche angestrengten Forcierungen und die zuweilen bloßen Markierungen interpretatorischer Details durch den Sänger umso mehr. Ganz anders die Sopranistin Evelyn Herlitzius, dieses fulminante Sopran-Kraftpaket, das in Bayreuth mühelos "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" als auch szenisch hoch präsente Brünnhilde absolviert. In Frankfurt war sie allerdings als Sieglinde zu erleben; eine Partie, die ihrem eher dunklen Timbre noch entgegenzukommen scheint. Als Brünnhilde hörte man dafür die mehr erkennend, reflektierend als jugendlich unbeschwert singende Luana DeVol. Dazu ein immerhin wortverständlich artikulierender Siegmund von John Treleaven, eine stets böse dreinschauende, aber vokal nicht allzu durchsetzungsfähige Fricka von Birgit Remmert und ein vor allem laut auftretender Kurt Rydl als Hunding. Bestens eingeschworen das Walküren-Oktett, das die konzertante Aufführung im Mantel-Einheitslook szenisch auflockerte. Im Zentrum stand die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung des jungen russischen Dirigenten Kirill Petrenko. Der Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin schien sich in Frankfurt nicht ganz zwischen einer einhaltend-nachdenklichen und einer geschärft dramatischen Interpretation entscheiden zu wollen. So irritierte seine bereits im Orchestervorspiel angedeutete Tendenz zu überdehnten Tempi einerseits manchen der Solisten. Andererseits gelangen Petrenko, zum Beispiel im Walkürenritt, trennscharf aufgelichtete Orchester-Passagen, die über kleinere Unpässlichkeiten der Dresdner Blechbläser leicht hinweghören ließen: Gerade das Orchester wurde vom Frankfurter Publikum ausladend gefeiert. |
Stars aus Bayreuth in "Walküre" konzertant Hoher Besuch aus Bayreuth in Frankfurts Alter Oper: Als dort das Rheingau Musik Festival anlässlich von "Oper konzertant" für einen Abend aus dem Winterschlaf erwachte, konnte Festival-Chef Michael Herrmann sogar den Festspiel-Leiter Wolfgang Wagner begrüßen. Was die Wagners wohl nach Frankfurt kommen ließ? Schließlich verfügt ein guter Teil der Solisten, die in dieser konzertanten "Walküre" der gastierenden Sächsischen Staatsoper Dresden zu erleben waren, ohnehin über Erfahrung auf dem Grünen Hügel. Zum Beispiel der Bariton Alan Titus: Seit Jahren ist er ein in Bayreuth eher umstrittener Wotan. Und auch der Frankfurter Eindruck blieb ambivalent: Einerseits versteht es der Sänger, der im "Ring"-Zyklus recht früh eintretenden Niedergeschlagenheit des Göttervaters mit messerscharf-trotzigen Piano-Einsichten zu begegnen, sich seine Kraft für den durchaus intensiven finalen Abschied von Brünnhilde ökonomisch aufzusparen. Anderseits verstören zuvor manche angestrengten Forcierungen und die zuweilen bloßen Markierungen interpretatorischer Details durch den Sänger umso mehr. Ganz anders die Sopranistin Evelyn Herlitzius, dieses fulminante Sopran-Kraftpaket, das in Bayreuth mühelos "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" als auch szenisch hoch präsente Brünnhilde absolviert. In Frankfurt war sie allerdings als Sieglinde zu erleben; eine Partie, die ihrem eher dunklen Timbre noch entgegenzukommen scheint. Als Brünnhilde hörte man die mehr erkennend, reflektierend als jugendlich unbeschwert singende Luana DeVol. Dazu ein immerhin wortverständlich artikulierender Siegmund von John Treleaven, eine stets böse dreinschauende, aber vokal nicht allzu durchsetzungsfähige Fricka von Birgit Remmert und ein vor allem laut auftretender Kurt Rydl als Hunding. Bestens eingeschworen das Walküren-Oktett, das die konzertante Aufführung im Mantel-Einheitslook szenisch auflockerte. Im Zentrum stand die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung des jungen russischen Dirigenten Kirill Petrenko. Der Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin schien sich in Frankfurt nicht ganz zwischen einer einhaltend-nachdenklichen und einer geschärft dramatischen Interpretation entscheiden zu wollen. So irritierte seine bereits im Orchestervorspiel angedeutete Tendenz zu überdehnten Tempi manchen Solisten. Andererseits gelangen Petrenko, zum Beispiel im Walkürenritt, trennscharf aufgelichtete Passagen, die über Unpässlichkeiten der Dresdner Blechbläser leicht hinweghören ließen: Gerade das Orchester wurde vom Frankfurter Publikum ausladend gefeiert. AXEL ZIBULSKI |
Und plötzlich ein leichtes Parlando Spitzenklasse: Konzertante "Walküre" des Rheingau Musik Festivals in der Alten Oper in Frankfurt Von Siegfried Kienzle Es ist wohl einmalig, dass gleich zwei Sängerinnen, die in Bayreuth als Brünnhilde erfolgreich sind, gleichzeitig in einer Aufführung mitwirken: Luana DeVol, 2001 in Bayreuth, sang bei der konzertanten "Walküre"-Aufführung in der Alten Oper in Frankfurt die Titelpartie. Und Evelyn Herlitzius, ihre Nachfolgerin in Bayreuth seit 2002, war Sieglinde. So konnte man das Ensemble-Gastspiel der Staatsoper Dresden beim Rheingau Musik Festival auch als Gastspiel der Bayreuther Festspiele bezeichnen. Denn der Wotan von Alan Titus, die Fricka (Birgit Remmert) und Hunding (Kurt Rydl) sind gleichfalls Protagonisten auf dem Grünen Hügel. Und folgerichtig war auch Wolfgang Wagner unter den Zuhörern in Frankfurt. Nicht zu überbieten die Orchesterleistung der Staatskapelle Dresden. Seit Richard Wagner als Kapellmeister der Oper seine frühen Werke dort uraufgeführt hat, ist die Wagner-Kompetenz für das Ensemble Ehrensache. Kirill Petrenko hat mit seinem "Ring"-Dirigat bereits vor drei Jahren im kleinen Meiningen für Aufsehen gesorgt. Der Orchesterapparat der Gäste hat gewaltige Ausmaße. Doch Petrenko hält das Klangbild filigran und flexibel, mit atmenden Ruhepausen. Klug disponiert er den Aufstieg zu den monumentalen Ausbrüchen, lässt die Übergänge ausschwingen, treibt die auflodernde Geschwisterliebe zwischen Siegmund und Sieglinde in Tristan-Ekstasen. Gradmesser jeder Interpretation sind die etwas langwierigen Erörterungen zwischen Wotan und Fricka im zweiten Aufzug, die ohne vokalen Höhepunkt auskommen. Hier setzt Petrenko auf ein leichtes Parlando. Die Figuren werden seziert, erscheinen nicht mehr als Opernhelden, sondern zerrissen und getrieben wie in einem Psychodrama. Alan Titus zeigt gestisch und mimisch die Verzweiflung, die zerbröckelnde Autorität des Gottes: in Siegmund hat er sich ein freies Geschöpf geschaffen, doch nun muss er den eignen Sohn verraten und der Rache Hundings opfern. Auch die Walküre muss er preisgeben und bestrafen, obwohl sie insgeheim als sein Werkzeug gehandelt hat: Siegmund zu schützen und Sieglinde zu retten. Mit erstickter Stimme, fast mit zusammengebissenen Zähnen zeigt Titus diese Zwänge. Dem Abschiedsgesang gibt er sonore Größe. Mit hellem Mezzo ist Birgit Remmert eine sanft leidende, lyrische Fricka. Luana DeVol imponiert mit dramatischen Spitzentönen als heroinenhafte Walküre, die auch über die zarten Töne der Trauer und Kindlichkeit verfügt. Herausragend Evelyn Herlitzius als Sieglinde: anrührend menschlich die Entwicklung einer Frau, die zunächst bedrückt auf die Vergangenheit fixiert ist, dann in die Leidenschaft zu ihrem Bruder Siegmund auch die flackernde Fiebrigkeit einer Hysterikerin mischt. John Treleaven, noch aus seinem Engagement in Mainz in bester Erinnerung, ist ein belcantistischer verschatteter Siegmund, der auf die Posaunenstöße der Wälse- und Nothung-Rufe verzichtet. Kurt Rydl wuchtet den Finsterling Hunding hin wie Urgestein: kantig, mit imponierender Kraft. Ein Abend der Spitzenklasse! |