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9.11.2006

Staatstheater Wiesbaden, 13. November 2005
"Götterdämmerung / Der Ring des Nibelungen"
Mit der "Götterdämmerung - Der Ring des Nibelungen" startet das Staatstheater Wiesbaden ein dreitägiges Bühnenfestspiel. Am Vorabend gibt es außerdem Dichtung und Musik von Richard Wagner.


Christoph Stephinger, Barbara Schneider-Hofstetter (Probenfoto)

Siegfried überlässt Brünnhilde den Ring als Liebespfand. Bei der Familie der Gibichungen wird ihm von Gutrune ein Trank vorgesetzt, der ihn seine Liebe zu Brünnhilde vergessen macht. In der Gestalt Gunthers raubt der mit der Tarnkappe ausgerüstete Siegfried Brünnhilde und führt sie Gunther als Braut zu. Bei der Doppelhochzeit entdeckt Brünnhilde den Verrat. Die Betrogene gibt Siegfrieds Geheimnis Preis: seine Verwundbarkeit. Auch Alberichs Sohn Hagen begehrt den Ring und tötet Siegfried. Nach dem Niedergang der Götterwelt überlässt Brünnhilde den Ring wieder den Rheintöchtern.

Der Ring ist bei den Menschen angelangt. Die Götterdämmerung ist ein gesellschaftliches Intrigenstück mit apokalyptischem Ausgang, in der Entstehungsgeschichte der Tetralogie aber der Ursprung des Ganzen: Bereits 1848 hat der Jungrevolutionär Wagner den Erstentwurf einer "großen Heldenoper" mit dem Titel "Siegfrieds Tod" vollendet und das Ende der alten Gesellschaft verkündet. Im Kampf um Liebe, Macht und Gewalt siegt die Natur.

Der Wiesbadener "Ring des Nibelungen" in der Inszenierung von John Dew und den Bühnenbildern von Peter Schulz wird zum geschlossenen Zyklus geschmiedet. Generalmusikdirektor Marc Piollet übernimmt die musikalische Leitung aller vier Teile.

 

Frankfurter Rundschau
10.11.2005

Wagner spaltet
Der Tenor Alfons Eberz über sein Wagner-Ideal und die "Götterdämmerung", mit der jetzt in Wiesbaden der "Ring" geschlossen wird

Frankfurter Rundschau: Herr Eberz, lassen Sie mich einen Kollegen zitieren: "Eberz ist ein Siegfried, wie ihn das vergangene Halbjahrhundert noch niemals hörte und sah", hieß es 2003 in der Zeitung "Die Welt". Da stecken nun zwei Informationen drin: Zum einen, dass Sie gut sind; zum anderen, dass es wenige geeignete Tenöre für das Wagner-Fach gab und gibt. Stimmen Sie beiden Aussagen zu?

Alfons Eberz: Über diese Kritik von Klaus Geitel hatte ich mich natürlich sehr gefreut, denn er begründet sie auch. Er schrieb, das Besondere sei die Kombination aus "Held" und "Tenor", die man heute ganz selten finden würde. Das habe ich natürlich sehr gerne gelesen, weil es mir bestätigte, dass es eine Weiterentwicklung gibt, von meinen Bonner Siegfried-Anfängen bis heute. Im Artikel ging es um eine Götterdämmerung in Dresden, und ich hoffe, diese Leistung nun auch in Wiesbaden so zu bringen, oder besser noch: zu steigern. Denn ich habe schon noch das Ideal zu reifen, nicht nur einen Abklatsch zu bringen. Und ich habe wirklich das Gefühl, mittlerweile noch mehr in die Partie des Siegfried eingedrungen zu sein.

Stimmt es, dass echte Siegfried-Tenöre Mangelware sind?

Gerade wenn man auf dieses halbe Jahrhundert zurückblickt, findet man doch exzellente Wagner-Tenöre, nicht nur Kollo und Jerusalem. Und kann dabei durchaus hier am Haus in Wiesbaden bleiben: Ich habe einen Live-Mitschnitt einer Götterdämmerung, gut 30 Jahre dürfte er alt sein, mit Karl Liebl als Siegfried - so etwas Phänomenales habe ich vorher noch nicht gehört! Es gab immer großartige Sänger, nehmen Sie Hans Beirer oder Hans Hopf. Wenn ich deren Aufnahmen höre, stelle ich immer wieder fest: Da war etwas, das bei den heutigen Wagner-Sängern, sicher mich eingeschlossen, nicht mehr präsent ist und eigentlich neu entdeckt werden muss. Mir persönlich ging es als Sänger nicht um Geld, Karriere, Ansehen, nein, mir ging es immer darum zu ergründen, was diese Tenöre anders gemacht haben als die heutigen. Und daran habe ich bei meiner Stimme gearbeitet.

Und was hatten die damaligen Heldentenöre nun anders gemacht?
Die Stimmen heute sind zwar laut, ihnen fehlt aber oft das Timbre. Jeder Buffo- oder Charaktertenor kann mit einer durchdringenden Stimme ein Orchester übertönen, das ist nicht das Problem. Aber das ist nicht die Qualität eines Heldentenors. Meiner Meinung nach liegt diese Qualität in einer vollen, warmen, baritonalen Farbe. Und die kann man sich erarbeiten. Es gilt dazu die Resonanzen im Körper mehr zu öffnen und der Stimme eine Farbe zu geben. Ich habe vor 20 Jahren sicher viel gleißender und geradliniger gesungen, aber seit ein paar Jahren ist da schließlich mehr Timbre hinzu gekommen. Aber es ist wirklich ein Jammer, dass ich diese Nachkriegsgeneration nicht mehr selbst hören konnte.

Und die Schallplatte von damals ist kein besonders zuverlässiges Medium.

Wobei: Die CD ist es auch nicht. Denn es ist ein riesiger Unterschied, ob man in einem Opernhaus singt oder in einem Studio. Ich bin ein absoluter Gegner von Studioproduktionen, sie sind Mogelpackungen. Die Partien werden zusammengemischt, Töne werden hineingeschnitten. Ich finde es ein Unding, dass Sänger auf CD eine Partie veröffentlichen, die sie auf der Bühne nicht singen könnten.

Sie denken jetzt an Plácido Domingos "Tristan"?

Ich nenne keine Namen. Ich sage nur: Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich das Schlussduett im Siegfried singe, nachdem ich dreieinhalb Stunden auf der Bühne gestanden bin, oder aber in einer ausgeruhten Aufnahmesitzung. Aber die Hörer haben die Perfektion der Konserve vor Augen, wenn sie in die Oper kommen.

Es gibt einen Wagner-Tenor-Mangel, zugleich führen lateinamerikanische Belcanto-Tenöre die Klassik-Charts an und schaffen es - wie gerade Rolando Villazón - sogar auf die "Wetten dass"-Couch. Kann man mit Wagner nicht wirklich populär werden?

Wir haben es hier mit einem völlig anderen Fach zu tun. Mit den Stimmen dieser Tenöre ließe sich kein Wagner singen. Warum nun gerade die Südamerikaner? Vielleicht hat das mit deren Lebensart zu tun, mit deren Spieltrieb und natürlichen Umgang mit Musik. Villazón auf der Bühne ist großartig, wie ein großes Kind, sehr körperlich.

Wagner und Natürlichkeit, passt das nicht zusammen?

Ich kann nur für mich sprechen und sagen: Ich bin einer, der hinterfragen möchte, der an sich arbeiten möchte. Wenn nun einer derart in der Öffentlichkeit präsent ist wie damals ein Pavarotti oder Domingo oder jetzt diese jungen Tenöre, setzt das voraus, dass er absolut in sich ruht. Nur wenn ich mit größtem Selbstbewusstsein weiß, dass ich großartig bin, kann ich mich bei Gottschalk auf die Couch setzen.

Was Sie einem Rolando Villazón voraus haben: Der würde gerne in Bayreuth singen, Sie aber haben schon. 2004 den Erik, 2005 den Parsifal - noch ist ja nicht offiziell bekannt gegeben, wer 2006 den neuen Siegfried singen wird. Wissen Sie mehr?

Es wird natürlich schon lange geprobt, aber veröffentlicht wird die Besetzung erst im Februar.

Sie sind es nicht?

Ich bin es nicht. Ich werde auch 2006 den Parsifal singen. Und den Siegfried innerhalb von zehn Monaten an vier anderen Opernhäusern.

Dieser Siegfried ist ja bei Wagner als wenig intellektuell und sehr angstfrei dargestellt. Der Regisseur John Dew hat in seinem Wiesbadener "Ring" dies nun ein wenig modifiziert: Hier waren Sie als Siegfried ein Blumenkind, der den Drachen umarmen wollte, ihm aber dann doch die Kehle durchschneidet. Wie kamen Sie mit dieser Rollenauslegung zurecht?

Ich sehe da keine Probleme oder Widersprüche. Siegfried ist ein Naturbursche, ein ganz Reiner, der zwar töten kann, aber eher so, wie man es in der Natur erlebt. Er ist ohne Falsch, nicht berechnend. Erst wenn er in der Götterdämmerung den Speer im Rücken spürt, merkt er, dass etwas falsch gelaufen ist.

Rein rechnerisch können Sie ja gar nicht zur Hippie-Generation zählen...

Doch, doch, ich kenn's noch. Ich habe eine Generation übersprungen.

Diese von John Dew gewählten Bilder - also das Kernkraftwerk, der Panzer hinter der Betonmauer, der Generationenkonflikt: Kann man das denn ein aktuelles Regiekonzept nennen? Sind diese Bilder noch aktuell?

Für die heutige Jugend vielleicht nicht. Ich aber habe als Schüler die Stundentenunruhen in Berlin noch erlebt - ja, auch wenn Sie sich jetzt wundern und nachrechnen, aber mein biologisches und mein subjektives Alter empfinde ich als nicht deckungsgleich. Auf der Bühne jung zu wirken, gelingt mir ganz gut.

Wie geht es mit dem Hippie Jung-Siegfried in der "Götterdämmerung" weiter?

Er wird domestiziert - nein, das sagt man nur bei Tieren. Kultiviert? Er wird angepasst, er ist in Wotans Manager-Fußstapfen getreten. Er hat sich in die Geschäftsetagen hochgearbeitet.

In Bayreuth der "Parsifal" in der Schlingensief-Inszenierung, hier am Staatstheater der "Ring" von John Dew: Da haben Sie zwei völlig unterschiedliche Regieansätze erlebt, und beide waren sie auf ihre Art umstritten.

Man kann mit Wagner nie allen gerecht werden, Wagner spaltet. Natürlich gab es Buh-Rufe für den Wiesbadener Ring, aber nur vom Premierenpublikum. Ansonsten wurde er gut aufgenommen. Von Anfang an unumstrittene Wagner-Inszenierungen gibt es eigentlich nicht, und Kult werden manche dann erst im Rückblick. Womöglich ja auch der Parsifal von Christoph Schlingensief. Die Begegnung mit ihm war jedenfalls faszinierend, auch rein menschlich. Und ich hatte da das Gefühl, mal wirklich am absoluten Zeitgeist zu sein, eine Art Speerspitze. In Operninszenierungen hängt man ja ansonsten doch immer ein paar Jahre hinterher, das Theater oder auch das Kino ist stets einen Schritt voraus.

Interview: Stefan Schickhaus

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 09.11.2005 um 16:04:09 Uhr
Erscheinungsdatum 10.11.2005


Alfons Eberz

Interview
Alfons Eberz singt am Staatstheater Wiesbaden die Partie des Siegfried in der "Götterdämmerung", dem letzten Teil von Richard Wagners "Ring des Nibelungen", inszeniert von John Dew. Unser Foto zeigt Eberz als Titelheld in Dews "Siegfried". Der Tenor, der vor seiner Sängerlaufbahn Mathematik und Wirtschaftstheorie in Köln studiert hatte, ist einer der derzeit gefragtesten Heldentenöre und singt seit 2004 auch in Bayreuth. Die Premiere der "Götterdämmerung" am 13. November beginnt um 17 Uhr. ick

 

WIESBADENER KURIER
10.11.2005

Fasziniert von starken Opern-Frauen
Vor der "Götterdämmerung"-Premiere: Barbara Schneider-Hofstetter singt die Brünnhilde

Von Volker Milch


Das allerletzte Wort im "Ring" hat zwar Hagen, aber Brünnhildens
berühmter Schlussgesang krönt die Tetralogie mit einer vokalen Apotheose,
die in Wiesbaden Barbara Schneider-Hofstetter anvertraut ist.
Photo: Kaufhold

WIESBADEN Wer ist Brünnhilde? Auf jeden Fall "eine ganz tolle Frau", meint die Sängerin Barbara Schneider-Hofstetter über jene Wotans-Tochter, die Richard Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" mit ihrem Schlussgesang in die Erlösung führt. Am Im Gespräch

kommenden Sonntag ist im Staatstheater unter der musikalischen Leitung von Marc Piollet Premiere der "Götterdämmerung", mit der sich der "Ring" in der Regie von John Dew schließt.

Schon in der "Walküre" hat Barbara Schneider-Hofstetter an jener Brünnhilde ("für mich war sie nie eine Göttin") bewundert, dass sie ohne Furcht vor Konsequenzen "den eigenen Weg geht". Sie verweigert ja bekanntlich ihrem Göttervater Wotan den Gehorsam und muss als Strafe auf dem Walkürenfelsen das Bett hüten und dort Siegfried empfangen.

Barbara Schneider-Hofstetter fühlt sich nun an den Brünnhilden in "Walküre" und "Siegfried" gereift und freut sich auf ein weiteres Wiesbadener Rollendebüt in der "Götterdämmerung": Es sei ein sehr schönes Erlebnis, "in so eine Partie hineinzuwachsen". Der Kontakt zu Wiesbaden kam zustande, als sie 2001 als Venus im "Tannhäuser" einsprang. Starke Damen ("In meinem Fach finden sich ganz oft diese Frauentypen") hat sie auf der Bühne des Staatstheaters freilich nicht nur in Wagners Werken glaubwürdig verkörpert: Auf die Venus folgten bald Minnie in Puccinis "La Fanciulla del West" und Beethovens Leonore. In bester Erinnerung ist auch noch ihre Lady Macbeth aus Dietrich Hilsdorfs Inszenierung der Verdi-Oper. Dem Theater ist sie mit einem Gast-Vertrag verbunden und nutzt ansonsten ihre Freiheit mit Auftritten an der Wiener Staatsoper, in Hannover, Köln oder in ihrer Heimatstadt München. Dort ist sie auch als Mutter einer 13-jährigen Tochter gefordert. Als Wagner-Sängerin empfing Barbara Schneider-Hofstetter die höheren Bayreuther Weihen und war 2002 und 2003 unter Christian Thielemanns Leitung die Venus in Philippe Arlauds "Tannhäuser"-Inszenierung.

"Ich wollte immer Sängerin werden", sagt die Sopranistin über ihren Werdegang: "Als Kind habe ich die Opern-Platten mitgesungen". Das dramatische Fach übte schon ungewöhnlich früh eine besondere Faszination auf sie aus. Mit 13 entdeckte sie ihre Liebe zu Wagner, und bereits als Jugendliche fuhr die gebürtige Münchnerin immer wieder nach Bayreuth, stellte sich mit einem "Suche Karte"-Schild vor das Festspielhaus: "Ich bin immer reingekommen".

Der Weg zur Sängerin war hingegen nicht immer leicht. Mit 24 Jahren hat sie ihren Lehrer und Ehemann Dietrich Schneider kennen gelernt, der ihr "endlich" bei der Entdeckung ihrer Stimme geholfen hat und sie nach wie vor als "Coach" betreut. Ihr Debüt auf der Opernbühne feierte sie mit Agathe aus dem "Freischütz".

Grundlegend für die Einstudierung einer so ungemein anspruchsvollen Partie wie die der Brünnhilde sei das "klare Konzept", das sie mit ihrem Mann erarbeitet, die stimmtechnische Basis der Interpretation: "Dann erst gehe ich an die Musik". Die Anstrengungen ihres Fachs und speziell der Partie der Brünnhilde scheinen ihr aber keine schlaflosen Nächte zu bereiten. Schonzeiten nach einer Brünnhilde oder Isolde brauche sie nicht. Zwischen den Damen möchte sie sich übrigens nicht entscheiden müssen. "Zwei Träume" seien diese Partien: "Ich bin so glücklich, dass ich beide singen darf."

Und welche Repertoire-Wünsche hat sie überhaupt noch? Ein "Kindheitstraum" soll 2007 mit der Elektra in Erfüllung gehen. Sie habe bisher ohnehin "viel zu wenig Strauss" gesungen. "Aber jetzt mal schön langsam", bremst sie lachend ab: Zunächst braucht Brünnhilde, die sie auch in Köln singen wird, ihre ganze Konzentration.