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Unterhaltungsmusik, im besten Sinne Premiere im Mainzer Kleinen Haus ist am heutigen Samstag, 31. Mai, weitere Vorstellungen gibt es am 4., 7., 19. und 29. Juni, jeweils 20 Uhr. Über diese Ausgrabung sprach mit ihm FR-Mitarbeiter Stefan Schickhaus. FR: Herr Spering, beinahe jedes Opernhaus holt sich mittlerweile einen Spezialisten, wenn es um barockes oder frühklassisches Repertoire geht. Was halten Sie von dieser Entwicklung?Christoph Spering: Ich profitiere, und ich schmunzle. Früher wurde Barockoper, wenn sie denn überhaupt gemacht wurde, gerne auf einen Kapellmeister abgeschoben, der Chef hat sich damit nicht abgegeben. Und der Kapellmeister hat dann bei einem von uns angerufen und gefragt, wie das geht. Aber so etwas kann man natürlich nicht in zwei Minuten vermitteln. Da ist man dann auch nicht näher dran, nur weil man das Vibrato weglässt, das muss man schon differenzierter angehen. Sie geben also so etwas wie Nachhilfeunterricht, wenn sie Gastdirigent im Opernhaus sind. Gerade dieses Projekt hier in Mainz ist da ganz interessant, denn hier spielt nicht das Opernorchester, sondern das der Johannes Gutenberg-Universität, also Musikstudenten. Da kann man sein pädagogisches Konzept wirklich überprüfen, ob das alles funktioniert. Man ist ja Pädagoge, auch wenn man den Zeigefinger weglässt. Diese Studenten kommen einerseits ganz unbeleckt, andererseits aufgeschlossen, da gibt es diese Fingerhakeleien eines Berufsorchesters einfach noch nicht. Wenn ich überlege, was der arme Harnoncourt vor 20 Jahren aushalten musste, weil alle blockiert haben! Das ist heute allerdings nicht mehr so, die Orchester wollen jetzt auch diesen Stil, und das ist sehr schön. Der Komponist Ignaz Holzbauer hatte für seine Oper einst das beste Orchester der Welt zur Verfügung, die Mannheimer Hofkapelle, jene "Armee von Generälen", wie Charles Burney sie einmal nannte. Sie haben jetzt aber ein Studentenorchester. Ist dafür die Musik nicht schlichtweg zu schwer? Stimmt, und am Anfang dachte ich auch, das wäre nicht zu machen. Doch mittlerweile haben wir da Strukturen hineingebracht, umgebaut - das ist ja das Schöne, dass diese jungen Musiker dabei immer "weich" bleiben. Das wäre auch für ein Profiorchester wünschenswert, dass da mal jeder neben jedem sitzt, dass es Offenheit und Zirkulation gibt. Was genau macht diese Holzbauer-Musik so schwer für ein Orchester? Es ist Musik aus der Epoche des Sturm und Drang - man könnte es auch Rokoko nennen... Klingt aber nicht so gut, erinnert sehr an Porzelanpüppchen . Finde ich auch, an Porzelanfigürchen, ganz genau. Diese Sturm- und Drang-Musik hat einfach einen Biss, der heute schwer zu fallen scheint. Und dann werden da Verzierungen ausprobiert, die nicht lange überlebt haben, eine Mischung aus französisch und italienisch. Bei den Sängern gibt es Vorschläge und flirrende Elemente, die man später nie mehr so findet. Später, etwa bei Graun, zur Zeit des Alten Fritz, sind die Koloraturen viel klarer strukturiert, an Händel geschult. Holzbauer, obwohl zeitlich noch näher an Händel dran - 1753, also vor genau 250 Jahren hat er diese Oper geschrieben - orientiert sich überhaupt nicht an diesem Modell. Das ist ein ganz eigener, aus dem Süddeutschen kommender Stil. So etwas kannte ich vorher auch nicht, diese Opern sind ja alle ziemlich unbekannt. Ignaz Holzbauer ist selbst bei Musikkennern ein eher Unbekannter. Sein "Günther von Schwarzburg" immerhin wurde vor einigen Jahren in Frankfurt einmal von Michael Schneider aufgeführt, doch eine echte Renaissance lässt auf sich warten. Wie würden sie ihn und seinen "Il Figlio delle Selve" einordnen? Das war seine erste wichtige Oper, damit ist er Holfkapellmeister in Mannheim geworden. Aber wäre nicht genau jetzt dieses 250-Jahre-Jubiläum und wäre das keine Koproduktion mit Schwetzingen, wo die Oper einst uraufgeführt wurde, hätte dieses Werk wohl nie mehr eine Chance bekommen. Ist es Dutzendware? Es gibt einfach zu viel Gutes aus dieser Zeit, und unser Konzertbetrieb lässt dafür zu wenig Raum. Dutzendware möchte ich es auf keinen Fall nennen, es ist keine schlechte Musik - es ist, im besten Sinne, Unterhaltungsmusik. Sie geht zum einen Ohr rein und zum anderen raus. Damit passt sie dann doch wieder gut ins Porzellanbild des Rokoko. Ja. Neulich hatte ich eine Oper von Paisiello gemacht, einem der größten Komponisten seiner Zeit. Zwei Wochen später konnte ich keine einzige Melodie mehr nachsingen. Obwohl ich sechs Wochen daran geprobt hatte. Aber diese Musik ist auch nicht dafür gedacht, hängenzubleiben. Fast schon eine Kunst, etwas so Schwereloses zu schreiben. Finde ich auch. Und darum ist diese Oper auch unbedingt hörenswert. |
Delnon inszeniert vergessene Oper "Sohn der Wildnis" "Il figlio delle selve", zu deutsch "Der Sohn der Wildnis" von Ignaz Holzbauer ist eine Oper die niemand kennt, komponiert von einem Musiker, der wohl nur Experten ein Begriff sein wird. Für die Schwetzinger Festspiele hat Staatstheater-Intendant Georges Delnon als Gast-Regisseur das Musikdrama aus der Mottenkisten geholt, und vom 250-jährigen Staub befreit. Die Kritik hat Anfang Mai die Aufführung in Schwetzingen wohlwollend besprochen. Das Gespräch führte Andrea Amerland. AZ: Wie gehen Sie vor, wenn sie eine unbekannte Oper auf die Bühne bringen möchten?Georges Delnon: Es ist, als ob eine Uraufführung ansteht. Es gibt keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. Deswegen muss man viel arbeiten, um einen musikalischen Eindruck zu bekommen. Wir haben mit Klavier und Korrepetitor die Oper auf CD aufgenommen. Im März waren wir noch alle sehr deprimiert, das wird nie was, haben alle gesagt. Fünf Wochen später sah das ganz anders aus. Das klingt nach einer echten Herausforderung... Das war es auch. Bei "La Traviata" oder "Carmen" suchen wir natürlich viel mehr nach Originalität. Bei Holzbauer mussten wir behutsamer vorgehen. Es ging vielmehr darum einen unbekannten Komponisten der Mannheimer Schule dem Publikum näher zu bringen. Deswegen konnten wir der Oper auch kein Konzept überstülpen, die Handlung an sich ist schon kompliziert genug. Worum geht es? Beim "Sohn der Wildnis" handelt es sich um eine Initiationsgeschichte. Der Königssohn Ferindo wächst in abgeschiedener Idylle auf und trifft dann zum ersten Mal in seinem Leben auf eine Frau. Werkstattgespräch Es sind Mitglieder des Jungen Ensembles, also Studenten, beteiligt. Hatte das Einfluss auf die Arbeit? Der Dirigent Christoph Spering und ich sind sehr pädagogisch vorgegangen. Die Partien gehen teilweise an die Grenzen der jungen Sänger. Dennoch bin ich nicht der Meinung, das es leichte Kost sein muss, wenn man mit Studenten arbeitet. Warum sollte sich ein Theaterbesucher auf das Wagnis der Oper einlassen? Um den Sohn der Wildnis rankt sich eine witzig-skurrile Geschichte mit vielen Bezügen zur "Zauberflöte". Holzbauer war Zeitgenosse Mozarts, der seine Musik geschätzt hat. Wir bieten zudem eine moderne Inszenierung mit bühnentechnischen Zitaten aus dem Barock. Mit Gunther Schmid, der auch in Schwetzingen den Ferindo gesungen hat, ist ein Countertenor zu Gast, der am Anfang einer großen Karriere steht. Gibt es noch Karten? Für die Premiere gibt es Restkarten. Für alle weiteren Aufführungen sind auch noch genügend Karten da. Am 31. Mai, 20 Uhr, hat diese Inszenierung im Kleinen Haus mit dem Mainzer Ensemble Premiere. Weitere Vorstellungen: 4., 7., 19. und 29. Juni. | |