Saarbrücker Zeitung 16.4.2003
Kopf-Zauberer Saarbrücken. Frauen und Männer - ein ewiges Drama. Zum Glück, sonst sähe das Opern-Repertoire um einiges magerer aus. Speisen sich doch etliche Libretti aus unerfüllten Sehnsüchten und ausweglos scheinendem Liebesgeplänkel in Kombination mit Gesetzen böser Mächte... So auch bei Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen", die am kommenden Samstag im Saarbrücker Staatstheater Premiere feiert.Hoffmann hat kein Glück in der Liebe. Kaum bahnt sich eine Liaison an, gehts schief. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Woran liegts? Sind es die Frauen, die den Helden scheitern lassen? Olympia, Giulietta, Antonia? Oder liegt das Dilemma in ihm selbst begründet? Kann Hoffmann überhaupt lieben? Oder ist er nicht von vornherein darauf fixiert, das ganze Getue um Liebe zu zerstören? Fragen über Fragen, die neugierig darauf machen, wie sich das Saarbrücker Team zur berühmten Geschichte zwischen Fantasie und Realität äußert. Ein Blick hinter die Kulissen während der letzten Vorbereitungen gibt einen kleinen Eindruck. Bühnenbildner Jon Morrell verrät: "Ich liebe es, wenn alles offen bleibt, wenn sich die Fantasie im Kopf und nicht auf der Bühne abspielt." Außerdem: "Es ist schwer, auf der Bühne zu zeigen, was real ist, was fantastisch. Mein Bühnenbild soll so sein, dass der Zuschauer diese Zusammenhänge selbst entscheiden kann." Was er etwa folgendermaßen umsetzt: Hoffmann sitzt an einem Tisch, der nach vorne wegzurutschen scheint. Sein Glas ist ausgetrunken und umgeworfen, seine Sonnenbrille zersplittert. Die grün-braune Schnörkel-Tapete bröckelt ab. Mit leerem Blick schaut er dem Geschehen zu. Teilnahmslos und fremdbestimmt. Nimmt hin, wenn Antonia stirbt. Er spielt die Violine dazu. Bewegt sich wie eine Maschine. Ist er auch - ein Riesen-Koloss sogar. Das ist allerdings nur eine Perspektive. Nämlich jene, die zeigt, dass die einzelnen Geschichten sich vielleicht nur in Hoffmanns Bewusstsein abspielen, ja, gar Metaphern sind. Eine andere zeigt einen Hoffmann, der aktiv am Geschehen teilnimmt. Einen Hoffmann aus Fleisch und Blut, der um die tote Geliebte trauert. Jon Morrell spielt da mit den unterschiedlichen Perspektiven, um die Doppelbödigkeit der Oper zu visualisieren. Der junge Brite Morrell arbeitet zum ersten Mal für das Saarbrücker Staatstheater. Er ist in Chesterfield geboren und studierte Bühnenbild und Kostüm in London, wo er auch lebt. Danach arbeitete er als Assistent für verschiedene Designer, sammelte Erfahrungen bei Theater, Film und Oper in den Niederlanden, in Italien und dann USA. Seit 1993 ist er freischaffender Bühnen- und Kostümbildner. Während seiner Arbeit entwickelt er eine Vorliebe für die Oper. "Sie ist um einen Aspekt reicher als reines Theater, nämlich um die Musik, die mich inspiriert", erzählt der sympathische Brite. Abgesehen davon biete die Ausstattung einer Oper viel mehr Möglichkeiten, denn meist steht ein größeres Budget als im Schauspiel zur Verfügung. Mit Nicholas Broadhurst, der Regie bei "Hoffmanns Erzählungen" führt, hat Morell schon öfter gearbeitet, etwa bei "Lohengrin" in Darmstadt oder beim "Falstaff" in Wuppertal. Wie viele unterschiedliche Deutungen von Hoffmann gleichzeitig möglich sind, sieht man übrigens gerade in der Schweiz: In drei Städten spielt man dort "Les Contes d'Hoffmann". Mit dem Ergebnis, dass man drei Opern sieht, wie sie unterschiedlicher nicht sein können - und das nicht zuletzt wegen des Bühnenbildes. LESLIE DENNERT Premiere am 19. April, 19.30 Uhr, Karten: (0681) 32204.
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