Stoff der Oper hat seine Tücken Wenn am Samstag Joseph Martin Kraus Oper Proserpina im Staatstheater Mainz Premiere feiert, schwingt der Abschied des Intendanten leise mit. Die Oper in einem Akt des als "Odenwälder Mozart" bekannten Komponisten Kraus ist George Delnons letzte Inszenierung, bevor er das Haus im Sommer endgültig verlässt. Von Angelika Wende Der scheidende Intendant Georges Delnon setzt beim Raub der Proserpina auf starke Bilder. Foto: Bettina Müller Seine Liebe zu Randerscheinungen des Genres ist bekannt und Proserpina, die 1781 vom Hofkapellmeister des Königs Karl Gustav III. an der Stockholmer Oper uraufgeführt wurde, hat Delnon nicht zufällig im Mozartjahr ausgegraben. "Für den Intendanten", so Dramaturg Jón Philipp von Linden beim Pressegespräch, "war das nur der Anlass, nicht der Grund für die Inszenierung, geliebäugelt hat er mit dieser Oper schon lange. Selbst zu befragen ist der scheidende Intendant nicht, er ist verhindert. Was lange währt wird endlich gut, oder doch nicht? "Leise Zweifel schaffen sich schon im Vorfeld des Premierenabends Raum," so von Linden. Er zitiert Delnon: "Ich bin selbst nicht ganz glücklich mit dem Ergebnis, es ist nicht das, was ich mir erhofft habe." "Dennoch", versichert von Linden, "es hat sich trotzdem gelohnt den Kraus auszugraben, er ist in seiner Qualität durchaus spielenswert". Die Koproduktion mit den Schwetzinger Festspielen hatte dort bereits Mitte April Premiere im Rokokotheater - mit Erfolg. "Der Stoff des Mythos der von Pluto geraubten Fruchtbarkeitsgöttin Proserpina, deren Mutter Ceres von Wut erfüllt die Herausgabe ihrer Tochter aus der Unterwelt fordert und diese durch ein Salomonisches Urteil Jupiters für einen Teil des Jahres zurückbekommt, ist ein archaischer Jahreszeitenmythos, der durch nicht überlieferte Figuren und Nebenhandlungen zum Verwechslungsdrama des 18. Jahrhunderts wurde, hat seine Tücken. Derart, dass uns die Interpretation des tieferen Sinns nicht klar war", erklärt von Linden. Vor der Premiere Musikalisch steht der über zweistündige Einakter an einer zeittypischen Schwelle des Übergangs, vereint barocke Elemente mit denen des Sturm und Drangs, beeinflusst von Christop Willibald Gluck, der die Oper reformierte und den Fokus auf die handlungsvorantreibende Musik legte, übertrug Kraus diesen Duktus auf seinen musikalischen Durchbruch, den er mit Proserpina dereinst in Schweden feierte. Wenn sich also am Samstag zwischen zweidimensionalen Wänden und einer Bühnenkonzeption (Marie-Thérese Jossen) die, koproduktionsbedingt mit dem Schwetzinger Ambiente, an barocke Bilder gedacht hat, der Raub der Proserpina abspielt, so ist dies ein musikalisches Erlebnis, das den Charakter des Experiments in sich trägt, heute wie einst. Spannend wird diese Premiere in jedem Fall, nicht zuletzt durch die Begegnung der Schwetzinger Solisten mit dem Chor des Staatstheaters und dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz, dessen Musiker nicht wie das Schwetzinger Orchester auf alten Instrumenten spielen. | |
Abschied von Mainz mit einer Rarität Intendant Georges Delnon verabschiedet sich mit einer seiner großen Spezialitäten vom Mainzer Staatstheater: Einer Opernausgrabung. An diesem Samstag, 20. Mai, 20 Uhr, hat "Proserpina" von Joseph Martin Kraus im Kleinen Haus Premiere - eine Koproduktion mit den Schwetzinger Festspielen und der Wuppertaler Oper. MAINZ. Zwei Pole prägten die Regiearbeit des scheidenden Intendanten Georges Delnon am Mainzer Staatstheater: Einerseits beschäftigte er sich intensiv mit der Barockoper, besonders mit Ausgrabungen und Wiederbelebungen vergessener Werke. Andererseits galt sein Interesse dem neuen und neuesten Musiktheater. Und so ist es nur konsequent, dass Delnon das Ende seiner Mainzer Amtszeit mit zumindest einer seiner Spezialitäten besiegelt: An diesem Samstag, 20. Mai, 20 Uhr, hat die unbekannte Oper "Proserpina" des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus (1756-1792) Premiere im Kleinen Haus. Die Produktion ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Wuppertaler Opernhaus und den Schwetzinger Festspielen, wo sie bereits Ende April zu sehen war. Deshalb gibt sich Regisseur Delnon in der Bewertung seiner Inszenierung ungewöhnlich offen: Nicht völlig glücklich sei er mit seiner Arbeit an der "Proserpina", verriet er kürzlich bei der "Kostprobe" im Kleinen Haus. "Als Theaterschaffender muss man damit rechnen, dass am Ende etwas offen bleibt", so Delnon. Das Problem des Werkes liege im Libretto des schwedischen Hofdichters Johan Henrik Hellgren, "das sehr dramatisch beginnt, am Ende aber nicht einhält, was es am Anfang verspricht", erklärt Dramaturg Jón Philipp von Linden. "Wir haben uns gefragt: Was will Kraus eigentlich erzählen?" Basis der Handlung ist ein mythologischer Stoff: Die Nymphe Cyane liebt Atis, doch der hat nur Augen für die schöne Proserpina, Tochter der Fruchtbarkeitsgöttin Ceres. Auch Pluto, Gott der Unterwelt, findet Gefallen an Proserpina - und entführt sie kurzerhand. Daraufhin beschwert sich Ceres über diesen Gewaltakt bei Göttervater Jupiter - Proserpinas Vater-, und Atis stürzt sich verzweifelt in den Krater des Vulkans Ätna - und Cyane folgt ihm. Doch Pluto lässt die beiden aus der Unterwelt auf die Erde zurückkehren, wo sie der erbosten Ceres berichten, dass Proserpina dort als Gattin des Unterweltgottes glücklich ist. Am Ende muss Jupiter selbst den Streit schlichten... "Delnon hat verschiedene Ansätze versucht, sich aber am Ende entschieden, die menschlichen Konflikte in der Geschichte in den Mittelpunkt zu stellen, unabhängig von den Götterfiguren", sagt Dramaturg von Linden. "Letztendlich soll sich die Inszenierung um Seelenzustände drehen." Bühne und Kostüme, von Delnon und Marie-Thérèse Jossen entworfen, wollen sich deshalb einer Schwarz-weiß-Symbolik bedienen und daneben Bezüge zur Entstehungszeit des Werkes knüpfen: "Proserpina" wurde 1781 uraufgeführt. Ihr Komponist Joseph Martin Kraus, wie Mozart in diesem Jahr ein Jubilar und deshalb oft mit ihm verglichen, wurde im Odenwald geboren und studierte kurze Zeit in Mainz, wandte sich aber dann der Musik zu und stand später in Diensten des schwedischen Königs Gustav III. Für ihn schrieb er auch die "Proserpina". "Delnon hatte schon länger mit der Oper geliebäugelt", sagt Jón Philipp von Linden. "Das Mozartjahr war nun zwar nicht der Grund, aber der Anlass, sie in den Spielplan zu nehmen." Trotz der Schwächen im Libretto hält der Dramaturg die neuerliche Mainzer Opernausgrabung für lohnend: "Die Beschäftigung mit Kraus ist auf jeden Fall wichtig. Die Musik ist sehr gut, sehr dramatisch." In Mainz werden fast ausschließlich Gäste die Solopartien übernehmen, die auch schon in Schwetzingen sangen, darunter Alexandra Coku als Proserpina und Johanna Stojkovic als Ceres. Die musikalische Leitung wechselt: Für den Alte-Musik-Mann Christoph Spering übernimmt Staatstheater-Kapellmeister Michael Millard, im Graben sitzt das Philharmonische Staatsorchester. Jan-Sebastian Kittel | |