Rhein Zeitung
16.09.2005

Selten gespielter Dreiteiler hat Premiere
Staatstheater zeigt Giacomo Puccinis "Il trittico" - Inszenierung von Anouk Nicklisch will inhaltliche Verbindung der Teile in den Mittelpunkt stellen

Mit einer weitgehend unbekannten Oper von Giacomo Puccini eröffnet am Sonntag, 18. September, 19.30 Uhr, auch das Opernensemble des Staatstheater seine neue Saison: In der Inszenierung von Anouk Nicklisch hat dann der Dreiteiler "Il trittico" Premiere.

MAINZ. Reizvoll ist dieses Werk mit Sicherheit, denn es wird selten gespielt, und es ist ein Unikat in der Musikgeschichte - einige gute Gründe also für das Mainzer Staatstheater, zur Saisoneröffnung im Musiktheater am kommenden Sonntag, 18. September, 19.30 Uhr, Giacomo Puccinis "Il trittico" auf den Spielplan zu setzen. Regie in der Neuproduktion führt Anouk Nicklisch, die musikalische Leitung hat Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt.

Die ungewöhnliche Form hat zur Sonderstellung von Puccinis Dreiteiler im Repertoire geführt: Scheinbar handelt es sich bei "Il tabarro" (Der Mantel), "Sour Angelica" (Schwester Angelika) und "Gianni Schicchi" um drei selbstständige Stücke ohne jede inhaltliche Verbindung. Obwohl locker miteinander verbundene Einakter im Verismo durchaus in Mode waren, wurden die drei Puccini-Werke für einzelne Aufführungen oftmals auseinander gerissen. Erst seit einiger Zeit wird "Il trittico" wieder im Ganzen aufgeführt - nun also auch am Mainzer Theater.

Für Regisseurin Anouk Nicklisch, dem Mainzer Publikum durch ihre Inszenierungen von "Salome", "Tosca" und "Clivia" bestens bekannt, kam von Beginn an nur die komplette Fassung mit allen drei Einaktern in Frage: "Es war mir rasch klar, alle drei zu nehmen. Puccini hatte einen sehr guten Bühneninstinkt. Er wird gewusst haben, warum er genau diese drei Stücke kombinieren wollte", so die Regisseurin. "Außerdem gibt es sehr wohl inhaltliche Verbindungen zwischen den Teilen."

Um die Gemeinsamkeiten der drei Stücke optisch zu verdeutlichen, setzen die Regisseurin und ihr Bühnenbildner Roland Aeschlimann auf einen Einheitsraum, der sich für verschiedenen Situationen verändern kann. Auch auf der Ebene der Figuren gibt es für Nicklisch eine Konstante: "Das geht von der Giorgetta in ,Il tabarro" aus, die sehr große Ähnlichkeiten zur Angelica hat: Beide haben ein Kind verloren."

"Il tabarro" erzählt vom Flussschiffer Michele und seiner Frau Giorgetta, die sich nach dem Tod ihres Kindes auseinandergelebt haben. Ein nächtliches Rendezvous von Giorgetta mit einem anderen Mann endet schließlich mit einem tödlichn Irrtum. "Ein sehr privates Schicksal", meint Nicklisch, "das sich im nächsten Stück fortsetzt, weswegen wir beide Teile ohne Unterbrechung spielen". Schwester Angelika, wegen eines "Fehltritts" ins Kloster verbannt, erfährt vom Tod ihres unehelichen Kindes. Sie nimmt sich das Leben - und erkennt im Sterben, dass sie durch diese Sünde auch im Jenseits ihr Kind nicht wiedersehen wird.

Um den Tod geht es auch in "Gianni Schicchi", jedoch spielt das Stück in einem sehr irdischen Paradies: In der Wohnung eines verstorbenen Kaufmanns, um dessen Nachlass sich die Familie streitet - die der gerissene Gauner Gianni schließlich hinters Licht führt.

Auf der Bühne steht in diesem Dreiteiler die gesamte Sängerriege des Staatstheaters: "Auch deshalb ist das Stück so interessant", sagt Dramaturg Jón Philipp von Linden, "das gesamte Ensemble und auch das ,Junge Ensemble" können sich präsentieren". Als einziger Neuzugang am Haus ist Bassist Tobias Schnabel zu sehen.

Jan-Sebastian Kittel

 

Allgemeine Zeitung
31. August 2005

Düstere Ballade neben flinker Posse
Puccinis eigenartig sprunghaftes Einakter-Trio "Il trittico" kommt zusammenhängend auf die Bühne

Von Siegfried Kienzle


Der Müll, die Oper und die Liebe: Alexander Spemann und Elisabeth Hagedorn in dem Einakter "Der Mantel".
Foto: Martina Pipprich

Drei Mini-Opern fasst Giacomo Puccini im Obertitel "Il trittico" (Das Triptychon) zusammen. Diese Einakter sind völlig unterschiedlich in Thematik und musikalischer Stimmung. Sie wechseln vom realistischen Milieustück ("Der Mantel") zum lyrischen Intermezzo ("Schwester Angelica") bis zur drastischen Erbschleicherposse ("Gianni Schicchi"). Dabei springen sie munter zwischen den Epochen hin und her, spielen um 1910, dann um 1700 und zuletzt 1299.

Das merkwürdige Einakter-Trio sollte Puccinis letzte abgeschlossene Opernarbeit werden. Denn "Turandot", die er anschließend begann, konnte er nicht mehr vollenden.

Nicht allzu oft werden die drei Teile, dem Wunsch des Komponisten entsprechend, auch zusammenhängend aufgeführt. Denn nur dass Schlussstück "Gianni Schicchi" konnte mit der Paraderolle für einen komödiantischen Bariton auf Anhieb das Herz der Opernfreunde gewinnen.

Die drastische Betrügerposse hat Puccini im 30.Gesang von Dantes "Göttlicher Komödie" gefunden. Sie spielt in Florenz um 1299. In triefender Trauer drängen sich die Erben um das Bett des verstorbenen Onkels. Sobald die weinende Verwandtschaft erfährt, dass der Tote alles der Kirche vermacht hat, wird sie zur bösartigen beutegierigen Clique. Gianni Schicchi wird als Helfer gewonnen, um die Erbschaft zu sichern.

Er spielt die Rolle des sterbenden Onkels und diktiert vor dem Notar ein neues Testament. Doch entgegen der Absprache macht er nun sich selbst zum Erben. Zähneknirschend müssen die betrogenen Betrüger stillhalten, damit die Fälschung nicht auffliegt.

Puccini hat für diese Posse ein rhythmisch flinkes Parlando komponiert bis hin zu einer meisterhaft instrumentierten Prügelei, die den "Meistersingern" abgelauscht ist. Zum lyrischen Ruhepunkt wird die berühmte As-Dur-Kavatine der Lauretta "O mio babbino caro" ("Väterchen, teures, höre"), die zum beliebten Zugabestück für alles großen Soprane von Callas und Tebaldi bis Freni und Gheorgiu wurde.

"Der Mantel" ( "Il tabarro") ist nach "La Bohème", "Manon" und "La Rondine" die vierte Oper, die Puccini in Paris ansiedelt: die düstere Ballade um Liebe, Eifersucht und Mord spielt im Milieu der Seine-Schiffer. Im Zentrum steht die Kapitänsfrau Giorgette. Sie liebt den Arbeiter Luigi, der in der Oper nur der Tenor sein kann, und bestellt ihn zum nächtlichen Stelldichein. Durch ein Missverständnis stößt der Liebhaber auf Giorgettes Ehemann, wird von diesem erwürgt und landet als Leiche unter dem Mantel, der für den Titel herhalten muss.

Puccini benutzt dieses Schauerdrama, um sich der Klangsprache seines Zeitgenossen Debussy anzunähern. Aus den Cello-Kantilenen, den Sforzati der Bläser und der Pizzicato-Grundierung in exakter dynamischer Abstufung tönt die Klangmalerei des Impressionismus.

Der Wellenschlag der Seine ist ebenso eingefangen wie das vielfältige Klangpanorama des nächtlichen Paris. Straßengeräusche, ein verstimmter Leierkasten und sogar ein musikalisches Zitat aus seiner eigenen "Boh´Zme" sind hörbar. Aus dieser subtilen Pastellmalerei steigen um so dramatischer die Orchesterentladungen im Eifersuchtsstreit, ein schwelgerisches Liebesduett und der Verzweiflungsmonolog des betrogenen Ehemanns.

Das Mittelstück "Schwester Angelica" ("Suor Angelica") führt in ein Nonnenkloster in Italien um 1700. Es ist ein reines Frauenstück, wie es später auch Francis Poulenc in "Die Gespräche der Karmeliterinnen" komponiert hat.

Weil Angelica ein uneheliches Kind zur Welt brachte, wurde sie aus der Familie ausgestoßen und ist Nonne geworden. Nun erscheint ihre Tante, eine Fürstin, und fordert, Angelica müsse auf ihren Erbanspruch verzichten. Angelica sehnt sich nach ihrem Kind und erfährt, dass es seit zwei Jahren tot ist. Da bereitet sich die Nonne aus giftigen Kräutern den Todestrank für sich selbst.

Sie nimmt die Todsünde des Selbstmords auf sich - doch während ihres Schlussmonologs erscheint ihr die heilige Jungfrau, und Engelschöre verkünden die Vergebung.

Puccini, dessen Lieblingsschwester Igina ins Kloster ging, hat gerade diese Stück besonders geliebt und darunter gelitten, dass es so wenig Resonanz fand. Mit Fernchören, Orgelklang, feinster Celesta gestaltet er den Konflikt zwischen Gefühl und klösterlichem Gehorsam als lyrisches Intermezzo.

 

Allgemeine Zeitung
15. September 2005

Drei Teile ergeben "runde Sache"
Anouk Nicklisch inszeniert Puccinis "Il Trittico" am Staatstheater

Eigentlich gehört sie zu den eher unbekannten Opern des italienischen Komponisten Giacomo Puccini. Oft wurden nur Elemente von "Il Trittico" auf die Bühne gebracht. Erst in letzter Zeit wagten sich Regisseure häufiger an alle drei Einakter. In Mainz bringt nun Anouk Nicklisch das ganze Werk auf die Bühne. Am Sonntag ist Premiere im Großen Haus des Staatstheaters.

Von Anne Mareile Moschinski


"Gianni Schicchi", Puccinis einziger Beitrag zur Gattung der musikalischen Komödie, sorgt für den Schlussakt in Anouk Nicklischs Inszenierung von "Il Trittico". Premiere ist am Sonntag im Großen Haus des Staatstheaters.
Foto: Martina Pipprich

Für Anouk Nicklisch steht absolut fest, dass die drei Opern-Einakter "Il tabarro", "Suor Angelica" und "Gianni Schicchi" -  bekannt unter dem Titel "Il Trittico" -  von Puccini einst als zusammenhängender Zyklus konzipiert wurden. "Es hat schon seinen Sinn, wenn ein solcher Komponist drei Einakter miteinander kombiniert", sagt sie.

Vor der Premiere 1918 vollendete Puccini das umfangreiche Werk, in dem es nicht nur um den Tod, sondern vor allem um die Frage nach Moral und Religion geht. Entstanden ist die dramatische Oper aus einer intensiven Beschäftigung Puccinis mit Dantes "Göttlicher Komödie".   Anouk Nicklisch, die auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, schafft in ihrer Inszenierung eine dramaturgische Verbindung zwischen den weiblichen Hauptfiguren aus dem ersten und zweiten Teil. "Beide Figuren versuchen doch im Grunde, sich aus ihrem Alltag weg zu träumen. Beide verstricken sich auf äußerst tragische Weise in Schuld, und beide leiden unter dem Verlust ihres Kindes. Da gibt es also schon eine Verbindung, einen roten Faden, der sich aufnehmen lässt", so die Regisseurin.

Unmittelbar und ohne Pause soll der erste in den zweiten Teil übergehen. "Es geht ja in beiden Einaktern um moralische Grundsatzfragen, Ehebruch, Lüge, Religion", meint Nicklisch. Die musikalische Leitung liegt bei Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt.

Das erste Drama erzählt vom Flussschiffer Michele und seiner Frau Giorgetta, die sich nach dem Tod ihres Kindes auseinander gelebt haben. Giorgetta betrügt ihren Mann in einem nächtlichen Rendezvous. Doch alles endet mit einem tödlichen Irrtum: Giorgettas Liebhaber Luigi wird von Ehemann Michele schließlich umgebracht.

Im zweiten Teil beklagt die in ein Kloster verbannte Angelica die gewaltsame Trennung von ihrem unehelichen Kind. Als sie jedoch erfährt, dass dieses längst gestorben ist, beschließt sie, sich mit Gift umzubringen. Doch mit dem eintretenden Tod plagen Angelica plötzlich Gewissensbisse. Nicklisch arbeitet hier mit einem ausschließlich weiblich besetzten Engelschor, der die Reuige schließlich erlöst.

Einzig im dritten Einakter wird mit komödiantischen Elementen gespielt: Die Familie des verstorbenen Florentiner Kaufmannes Buoso Donati will dessen Testament zu ihren Gunsten ändern. Sie einigt sich deshalb darauf, in die Rolle des verstorbenen Onkels zu schlüpfen, um so den Notar täuschen zu können.

Die gesamte Oper spielt in einem abstrakten, hermetisch abgeriegelten Raum. Details wollte die Regisseurin vor der Premiere jedoch noch nicht preisgeben. Eine visuelle Verbindung zwischen den einzelnen dramaturgischen Teilen wird es allerdings geben. "Ich kann es mir mittlerweile nicht mehr vorstellen, diese Oper zu inszenieren, ohne dabei alle drei Einakter in Szene zu setzen. Das Stück ist eine runde Sache", sagt Anouk Nicklisch.

 

Frankfurter Rundschau
17. September 2005

Verletzen, Backen, Büßen
Anouk Nicklisch inszeniert in Mainz drei Mal Puccini: Ein Gespräch über Frauen und Fluchten in "Il Trittico"

Frankfurter Rundschau: Frau Nicklisch, Sie inszenieren in Mainz Giacomo Puccinis "Il Trittico"-Zyklus. Kann man darin eine dreiaktige Oper sehen oder ist es doch nur die mehr oder weniger willkürliche Abfolge dreier einstündiger Opern?

Anouk Nicklisch: Es sind natürlich drei unterschiedliche Stücke, doch es gibt dennoch darin ein gemeinsames Nachdenken über ein Thema in jeweils anderer Form. In drei Atmosphären setzt man sich hier auseinander mit der Frage: Wie verhalte ich mich als Individuum in der Gesellschaft in Fragen der Moral, Familie, Religion.

Als Bindeglied erscheint das etwas dünn. So kann man jede beliebige Oper als ein sich Auseinandersetzen des Einzelnen mit der Gesellschaft sehen.

Die Verbindung geht schon weiter. Man muss sie sich allerdings erst erarbeiten. So konnte ich nach und nach immer mehr Querverbindungen zwischen Il Tabarro und Suor Angelica entdecken, so dass ich mich entschlossen habe, die beiden Stücke szenisch zu einem zu verschmelzen. In Il Tabarro endet eine Dreiecksgeschichte tödlich, die Hauptperson bricht daraus aus in eine Fantasiewelt, in der sie sich - dann in Suor Angelica - auseinandersetzt mit der Rolle, die sie gespielt hatte.

Sie sind ja als Regisseurin bekannt dafür, dass Sie gerne Urfassungen auf die Bühne bringen: In Mainz Beethovens "Leonore", in Wuppertal eine Ur-"Butterfly". Hat auch die Entscheidung, den "Trittico" komplett zu lassen und nicht wie sonst üblich nur eine Auswahl daraus zu treffen, mit dieser Ur-Idee zu tun? Also den Willen des Komponisten möglichst unangetastet zu lassen?

Ja, mag sein. Gerade mit Puccini hatte ich ja schon öfter zu tun und habe immer meine Konflikte mit ihm. Zuerst fühle ich mich gegängelt von diesem Komponisten, der so überaus genau komponiert, was er sich vorstellt, bis hin zum Zeitpunkt, wann die Türklinke heruntergedrückt wird...

Und welches Alter die einzelnen Protagonisten haben: "Giorgetta, 25 Jahre, Gianni, 50 Jahre".

Genau. Aber wenn ich mich auf ihn einlasse, stelle ich fest, dass er mir auch sehr viel Material liefert. Dass sehr viele Fäden etwa die beiden Frauen Giorgetta und Angelica miteinander verbinden.

Sie sagten einmal, Puccini sei ein guter "Frauenversteher" gewesen. Wie zeigt sich das bei diesen beiden ersten Stücken mit ihren zentralen Frauengestalten?

Die Frauen entwickeln Strategien, um zu überleben oder sogar ein bisschen Glück zu erhaschen. Il Tabarro spielt in einer sozial unerträglichen Situation, Giorgetta wie später auch Suor Angelica müssen sich ihre Realitäten zurecht biegen. Den Ausbruch wagen diese Frauen nur im Kopf, das hat Puccini sehr genau beschrieben. Ich habe das Gefühl, dass er damals eine ganz reale Situation in seinem Leben abgearbeitet hat: Um 1915, als diese Opern entstanden, musste Puccini sich auf Druck von seiner Familie von einer Liebesbeziehung trennen, von einer Frau, die Giorgetta sein könnte.

Rein musikalisch könnte man die drei Opern ja so einordnen: Wie es beim Essen das so genannte "Zwischensüß" gibt, also das kleine Klebrige zwischen den pikanten Gängen, so steht "Suor Angelica" zwischen "Il Tabarro" und "Gianni Schicchi". Wird "Schwester Angelika" auch in Mainz diesen Platz einnehmen, klebrig und klein?

Bei uns wird es sicher ein bisschen weniger klebrig. Es ist eine süße Musik, sicher, aber auch eine transparente und zarte. Das kleingliedrige Gezischel und Gewusel aus dem Kloster, das oft dieses Stück dominiert, habe ich doch recht herausgenommen und habe statt dessen den Fokus auf das typisch weibliche Verhalten gelegt. Was tut Frau in Krisen? Es gibt Frauen, die sich selbst verletzen und zerschneiden, andere backen drei Mal täglich Schokoladenkuchen, wieder andere stürzen sich in den Glauben und büßen, typisches Frustverhalten eben. Es gibt eine Lebenslüge in diesen Stücken, Verdrängung oder Erlösung genannt, und davon möchte ich erzählen.

In Mainz inszenieren Sie seit der Intendanz von Georges Delnon regelmäßig, jede Saison eine Produktion. War der "Trittico" Ihre Wahl?

Delnon hat mir oft Stücke angeboten, die ich mir selbst nie aussuchen würde. Aber das ist gar nicht schlecht so, denn das werden letzten Endes die fruchtbarsten Arbeiten. Und gerade mit Puccini liege ich in einem permanenten Clinch, denn er komponiert so, dass seine Musik gerade für die Sänger eine höchst emotionale Angelegenheit ist. Darum bekomme ich immer wieder - besonders bei der Tosca war es so - von Sängern gesagt: Das würde ich nicht so machen. Sänger werden von Puccinis Musik nackt ausgezogen, sie verlieren jede Distanz zur Rolle. Wenn ich sage: Moment, der liebt die doch gar nicht, der nutzt die nur aus, bekomme ich ein entsetztes "Nein!" zu hören. Die Sänger verlieren jede Neutralität, sie gehen voll in dieser Musik auf. Wenn ein Sänger auf der Bühne leidet und diese puren Puccini-Emotionen auslebt, ist das für das Publikum aber völlig langweilig. Man muss zum Darstellen zurückfinden, das ist für viele Puccini-Sänger schwierig.

Interview: Stefan Schickhaus

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 16.09.2005 um 16:08:02 Uhr
Erscheinungsdatum 17.09.2005