Auf der Reise ins Schwimmbad sind alle verliebt Während draußen Schneestürme und knackiger Frost alles erstarren lassen, recken auf der Bühne die Darsteller ihre bloßen Füße bereits ins sommerlich laue Wasser eines Strandbades. Wir sind bei Dale Duesings Inszenierung von Rossinis „Reise nach Reims", deren Handlung der Regisseur von einer französischen Provinzpension in ein Schwimmbad verlegt hat. Mit echtem Wasser, versteht sich. So hat der Zuschauer schon mal was zu beobachten, falls er nicht bereits von der glänzenden Ouvertüre völlig in Beschlag genommen wird. Ansonsten herrscht bei dieser Reise zu den Krönungsfeierlichkeiten des neuen Staatsoberhauptes das übliche Durcheinander, das man aus Rossini-Opern kennt. In Wirklichkeit beschäftigt sich nämlich keiner der Akteure mit der politischen Zukunft des Staates unter Karl dem Zehnten. Die Akteure sind allesamt mehr oder weniger verliebt. Manchmal in Frauen oder Männer, manchmal aber auch in feine Antiquitäten, wie Don Profondo, eine jener Figuren, die Farbe in die Handlung bringen. Die Hauptpartien sind in der Frankfurter Wiederaufnahme sehr gut besetzt: Juanita Lascarro als Corinna strahlt wie ein leuchtender Stern über allen Liebesnöten im kleinen Strandbad. Balint Szabó als Don Profondo, schließlich Federica Proietti als Marchesa und Anna Ryberg als Contessa di Folleville setzten ebenfalls markante Akzente. Das von Roland Böer kraftvoll geleitete Museumsorchester steuerte einen großen Anteil am Gelingen des Abends bei. Am Ende aber versinkt alles in einer großen Revue, frei nach Rossini. Ob dieser allerdings bereits Haydns Kaiserquartett oder gar die frühere deutsche und heutige englische Nationalhymne gekannt hat, bleibt der Arbeit der Forscher vorbehalten. Die hübschen Zitate daraus waren – in der musikalischen Sprache Rossinis – jedenfalls ein wirkungsvoller Gag zum Mitsummen. (Ge) |
Sängerfest in Rossinis Kurhotel Mancher musste wegen des Wetters wohl auf eine geplante Reise verzichten – so wie die Personen in Gioacchino Rossinis Oper Il viaggio a Reims. Denn deren Reise nach Reims, wo sie der Krönung von Charles X. beiwohnen wollen, fällt ebenfalls aus. Nicht das Wetter ist schuld, sondern es sind einfach keine Pferde mehr aufzutreiben, und so bleibt ihnen im Badehotel "Goldene Lilie" nur das luxuriöse Leben um des Lebens willen. Und uns die Kunst der Kunst, der Gesang des Gesangs wegen: Rossini hat sich für sein Gelegenheitswerk kräftig aus eigenen Opern bedient. Man hört vokal durchaus Spektakuläres, eine Ensembleszene für stolze 14 Sänger zum Beispiel. Die verstrickte Handlung ist dabei fast Nebensache, sie geht im zweiten Teil des knapp dreistündigen Abends ohnehin auf in einer Vokal-Revue, zu der die im Hotel versammelten Europäer sogar die englische Königshymne anstimmen. Apart anzusehen war das in der Regie Dale Duesings schon vor gut einem Jahr, als der auch in Frankfurt häufig zu erlebende Bariton mit Rossini seinen Regie-Einstand gab. Ihm bot damals das Bühnenbild von Boris Kudlicka die charmante Grundlage für eine insgesamt auch jetzt wieder flott und spielfreudig vorangetriebene Inszenierung: Eine runde Fläche, unter der reichlich Wasser Platz findet, dazu ein mondäner Aufzug. Aus den Appartement-Kästen des so angedeuteten Badehotels strömt man bereits morgens gruppenweise zur Körperertüchtigung. Für seine szenische Leitung der Neueinstudierung konnte sich Axel Weidauer ganz auf Duesings lebendige Personenführung stützen. Auch die vokale Bilanz fällt vorwiegend positiv aus, etwa die Hälfte der insgesamt 15 Partien ist in Frankfurt neu besetzt worden. Geblieben sind die meisten Sänger der Hauptpartien: Juanita Lascarro zum Beispiel, die eine verführerische römische Künstlerin Corinna gibt. Doch eigentlich kommt es in dieser Oper weniger auf spektakuläre Einzelleistungen an, als vielmehr auf ein so geschlossenes Ensemblebild, wie es sich in Frankfurt ergibt (...). AXEL ZIBULSKI |
Von der strapaziösen Anfahrt im Winterland Rhein-Main konnte sich der Opernfreund in Dale Duesings Inszenierung von Gioacchino Rossinis Dramma giocoso Il viaggio a Reims an der Frankfurter Oper erholen, er konnte die Seele baumeln lassen wie die Darsteller ihre Füße im echten Wellness-Wasser auf der Bühne. Der amerikanische Bariton hat in seinem Regiedebüt, das am 5. Dezember 2004 Premiere hatte, die Belcanto-Seifenblase nicht mit spitzen Pointen zerstochen, sondern sie schillernd schweben lassen auf der kleinen Badeinsel des polnischen Bühnenbildners Boris Kudlicka, immerhin ein schlüpfriger Boden für konfliktreiche Konfigurationen, die sich aber immer mehr zum europäischen Freundeskreis runden. Bei der ersten, von Axel Weidauer und Alan Barnes geleiteten Wiederaufnahme waren einschließlich des Dirigenten Roland Böer acht Partien neu besetzt – außer zwei Gästen alle aus dem eigenen Ensemble. Mit Pracht-Mezzo und sprühendem Spieltemperament gastierte Federica Proietti als polnische Marchesa Melibea; in hoffnungsgrünem Schick (Kostüme Nicky Shaw) und tenoral klangvoll einschmeichelnd bedrängte Carsten Süß als französischer Offizier Belfiore vergeblich die römische Improvisationssängerin Corinna. Wie bei der Premiere hüllte Juanita Lascarro diese dankbare Rolle in eine Fülle von Wohllaut. Soon-Won Kang, bei der Premiere der Badearzt Don Prudenzio, rückte nun zu Corinnas schüchternem britischen Liebhaber Lord Sidney auf. Die Fango-Behandlung samt Folienverpackung, die seine amouröse Befangenheit optisch in silbrige Gefangenschaft übersetzte, schien auch seinem runden, klangsatten Bariton gutgetan zu haben, als habe er das bis dahin störende Tremolo ausgeschwitzt. Den Prudenzio übernahm tadellos das Chormitglied Dietrich Volle, den Don Luigino spieltenoral Hans-Jürgen Lazar. Balint Szabo, seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied, sang bassig profund und herrlich schrullig den Antiquitätensammler Don Profondo, Franz Mayer, seit fast dreißig Jahren an der Oper Frankfurt, strahlte als deutscher Baron Trombonok baritonale Autorität aus. Das Museumsorchester, anfangs intonatorisch leicht verschnupft, erwärmte sich bald zur nötigen spritzigen Delikatesse mit genügend akustischem Freiraum für die atemraubenden Koloraturen von insgesamt vierzehn Goldkehlen. ELLEN KOHLHAAS |