Morgenmagazin
14. Juni 2007

MUSIKTHEATER
Gespräch mit Jens-Daniel Herzog über seine Inszenierung der Oper "Fiesque" von Edouard Lalo
Die Ökonomisierung des Todes

Alles vorbei. Kein Konflikt mehr zwischen Liebe und Macht, zwischen privatem und öffentlichem Raum. Die leidenschaftlichen Gefühle für Leonore sind längst erloschen und damit auch die Sehnsucht nach einer Rückkehr ins gemeinsame irdisches Paradies. Für den Librettisten Charles Beauquier und den Komponisten Edouard Lalo ist Schillers Fiesco dort angekommen, wohin er schon immer wollte: bei der Macht. So erzählt es jedenfalls Jens-Daniel Herzog, Mannheims ehemaliger Schauspieldirektor, der jetzt als freier Regisseur in München lebt und im Rückblick auf seine Zeit am Nationaltheater doch ein wenig die frühere kontinuierliche Arbeit vermisst.

Als er vor sieben Jahren in Mannheim begann, inszenierte er Schillers "Fiesco". Nun kehrt er in seine "zweite Heimat" zurück, um im Rahmen der Schillertage Lalos "Fiesque", eine dreiaktige Oper als Uraufführung herauszubringen. Trotz der "vielen bemerkenswerten Züge" hat bislang kein Theater das 1868 entstandene Werk annehmen wollen. Eine "Unterlassungssünde", wie Ulrich Schreiber in seiner mehrbändigen Geschichte des Musiktheaters befindet. Auch Jens-Daniel Herzog ist voll des Lobes für das, was er inszeniert, obwohl er einiges hat streichen müssen, schließlich sei "Fiesque" Lalos Opern-Erstling und verrate mangelnde Theaterpraxis.

Dass der Komponist und sein Librettist den Stoff modernisiert haben, das Scheitern der republikanischen Idee nüchterner einschätzen als der junge Schiller fast neunzig Jahre zuvor, ist für Herzog leicht begreifbar. Schließlich sind beide späte Nachgeborene der französischen Revolution und begegnen den angeblichen Idealen des Titelhelden, entsprechend historisch geschult, mit angemessener Skepsis.

Wo Schiller seinem Fiesco noch innere Kämpfe zubilligt, ein unentschiedenes Zaudern zwischen Politik und Gefühl, zeichnen Lalo und Beauquier eher pessimistische Szenarien. Es gibt bei ihnen keinen charismatischen Führer namens Fiesco, der sein wahres menschliches Ich hinter einer Maske verbirgt. Auch die Musik des Wagner-Verehrers Lalo versuche nicht zweigleisig zu fahren und psychologisierend im Orchestergraben etwas anderes zu behaupten, als auf der Bühne gesagt und gezeigt werde, berichtet Herzog.

Aus Lalos Vertonung liest er vor allem ein negatives Menschenbild heraus und keine Aufwertung aufklärerischer Ideale. Begriffe wie Freiheit seien nicht mehr als Worthülsen. Da passt es vorzüglich, dass Hassan, dessen libidinöse Abhängigkeit von Fiesco bei Schiller ein hohes Maß an Verletzbarkeit enthüllt, sich in Lalos Oper als selbstbewusster "Handelsvertreter des Mordens" wiederfindet. Hier hat keiner seine Schuldigkeit getan und wird nun fortgeschickt, sondern der Mohr verdient gutes Geld an der Revolution und betreibt, wie Herzog sagt, höchst erfolgreich sein Geschäft mit der "Ökonomisierung des Todes".

Alfred Huber

Jens-Daniel Herzog
Jens-Daniel Herzog
inszeniert die Uraufführung von Eduard Lalos Oper Fiesque.
Nach dem Studium der Philosophie war er erst Assistent und später Spielleiter an den Münchner Kammerspielen. Gastinszenierungen brachten ihn ans Schauspielhaus Zürich, das Hamburger Thalia Theater, das Wiener Burgtheater und das Schauspiel Frankfurt. In Zürich stellte er sich mit Tannhäuser und Pique Dame als Opernregisseur vor. Seine Züricher Inszenierung von David Mammets Oleanna wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Von 2000 bis zur vergangenen Spielzeit war er Schauspieldirektor in Mannheim und setzte neben zahlreichen Schauspielproduktionen hier auch Così fan tutte und Die Entführung aus dem Serail in Szene.