Kunst ist Leben DARMSTADT. Seit etwa 30 Jahren hat sich John Dew, der Intendant des Staatstheaters Darmstadt, mit dem Gedanken getragen, Janáãeks Oper „Schicksal" und das Monodram „Lélio" von Berlioz auf die Bühne zu bringen. Zwar hat er damals noch nicht an eine gemeinsame Aufführung an einem Abend gedacht, doch jetzt, zur Eröffnung des sanierten Großen Hauses an diesem Freitag, kann er sogar beide Stücke zusammenbringen als einen weiteren Beitrag zur Reihe „Des Künstlers Suche nach der Kunst". Unter diesem Motto hat Dew seine erste Darmstädter Spielzeit 2004/2005 mit Monteverdis „L’Orfeo" eröffnet. „Schicksal" und „Lélio" „passen perfekt zusammen", denn die autobiografisch gefärbten Stücke handeln von einer verhängnisvollen Liebe, erklärt Dew in einem Gespräch. Im Mittelp unkt von „Schicksal“ steht der Komponist Îivn˘, der eine Oper über seine unglückliche Liebe komponieren will, in „Lélio“ denkt dann der Komponist über seine Musik und die Kunst nach und schöpft aus ihr neues Leben. Auch wenn die Entstehungszeiten beider Stücke weit auseinander liegen – „Schicksal" wurde 1906 beendet, „Lélio" 1832 –, lassen sie sich laut Dew dennoch gut verknüpfen, so dass Charaktere aus „Schicksal" bei „Lélio" wieder auftauchen. Außerdem bieten diese Stücke Gelegenheit, Oper, Schauspiel und Tanz zu vereinen, denn das Berlioz-Stück benötigt einen Schauspieler als Sprecher, und die Visionen des Komponisten können mit Hilfe des Tanzes (Choreografie: Mei Hong Lin) stärker verdeutlicht werden. Dew lässt beide Werke in der Gegenwart spielen und im am selben Ort, was das Bühnenbild von Heinz Balthes und die Kostüme von José Manuel Vázquez auch andeuten.Überhaupt schätzt Dew Berlioz vor allem wegen dessen Modernität, die im Grunde ernster zu nehmen sei als in jenen Werken, die modern sein wollen, aber tatsächlich einen puren Akademismus pflegen. Berlioz ist laut Dew die Antithese zum Akademismus. Und „Lélio" sei das erste Monodram, worin sich ein Künstler mitsamt seinem Werk selbst analysiere. Das Monodram „Lélio oder Die Rückkehr ins Leben" für einen Schauspieler, Sänger, Chor und Orchester ist die Fortsetzung der populären „Fantastischen Sinfonie" von Berlioz, worin der Komponist am Ende einen Albtraum erlebt: nach dem Gang zum Schafott einen „Hexensabbat", der ihn förmlich untergehen lässt. Lélios erste Worte sind dann: „Gott, noch immer lebe ich." Immer wieder schimmert das Hauptthema durch, das Berlioz als fixe Idee („l’idée fixe") bezeichnet, seine Vergötterung Shakespeares in Zusammenhang mit seiner Liebe zur englischen Shakespearetragödin Harriet Smithson. Um sich ganz auf die Inhalte zu konzentrieren, wünschte sich Berlioz das Orchester unsichtbar – lang noch vor Wagners Zeiten. Und der Komponist erweckt in „Lélio" nicht nur die alte Harfe zu neuen Ehren, sondern entdeckt das Klavier, das er selbst nie spielte, als ein Instrument, das in das Orchester integriert ist und als zusätzlicher Klangfarbengeber eingesetzt ist und Instrumentaleffekte erzielt, wie sie erst viele Jahre später beispielsweise Strawinsky in seinen Orchesterwerken genutzt hat. Generalmusikdirektor Stefan Blunier, der die Premiere dirigiert, sieht in beiden Werken eine ähnliche Orchesterbehandlung. Die Instrumentation sei herb, skurril und manchmal auch gewagt, da beide Komponisten sie für ihre „exaltierte Ausdrucksweise" nutzen. Bei Berlioz sitzen auch mal Orchestermitglieder auf der Bühne und stellen den realen Klang dar, während das, was aus dem Orchestergraben tönt, jene Klänge sind, die sich Lélio in seinem Innern vorstellt. (hz) Am Freitag (22.) ist um 19.30 Uhr die Premiere des Musiktheater-Doppelabends im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt: Janáceks „Schicksal" und „Lélio" von Berlioz in der Inszenierung von John Dew und unter der musikalischen Leitung von Stefan Blunier. Die Aufführung wird laut Theater mit Pause etwa drei Stunden dauern. Sie ist bereits ausverkauft und gehört nicht zum Premieren-Abo, weil das Theater verpflichtet war, mehrere Ehrengäste einzuladen, erklärte gestern der Pressesprecher des Theaters, Eckhard Martin, auf Anfrage. Die Premiere wird außerdem im Hörfunkprogramm HR 2 Kultur live übertragen – bereits ab 19.05 Uhr mit Vorberichten und Gesprächen |
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