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Verantwortung macht einsam Von Birgit Popp Mit Verdis „Simon Boccanegra" in der zweiten Fassung von 1881 – die Uraufführung fand 1857 in Venedig statt – kommt eines der bewegendsten Meisterwerke der Operngeschichte auf die Bühne. Für Loy, der in Frankfurt mit Mozarts „Entführung" Furore machte,war der Weg als Opernregisseur schon früh vorgezeichnet: „Ich habe schon als Kind eine starke Zuneigung zu diesem Metier verspürt. Die Oper besitzt ein enormes Ausdrucksspektrum, aber auch emotionale und geistige Gehalte können durch die Oper unglaublich abgedeckt werden. Im Idealfall erfolgt eine Sensibilisierung durch die Musik, so dass man dadurch geistige und philosophische Gehalte vermitteln kann, ohne dass es ein rein intellektueller Vorgang wird." Sein Anspruch an sich als Regisseur ist für Loy, der seit Herbst 2006 Professor für Szene an der Frankfurter Hochschule ist, klar definiert: „Ich möchte den emotionalen Zugang zur Oper mit präzisen Denkvorgängen verbinden. Dieser komplexe Vorgang soll zu einer sensibleren Wahrnehmung der Welt führen." Mozart- und Barockopern bildeten bisher seinen Schwerpunkt, doch „Verdi ist ein spezielles Kapitel für mich", so Loy. „Es ist der Komponist, über den ich Oper für mich entdeckt habe. In der ersten Lebenshälfte hat Verdi der psychologischen Charakterisierung seiner Personen eine intensive Beschreibung der Außenwelt entgegengestellt, dazu zählte auch das Beschreiben von politischen Situationen. In der zweiten Lebenshälfte hat sich seine Konzentration zunehmend vom Politischen weg zu einem viel größeren Interesse an dem Individuellen gewandt. Mit seiner Enttäuschung als Realpolitiker hängt sicherlich auch zusammen, dass er in seinen späteren Werken mehr eine Innenschau hält und die Resignation zum Thema macht", sagt Loy. „Es ist ein starkes Boccanegra-Thema, dass letztlich eine große Einsamkeit herrscht, wo man Verantwortung übernimmt. Verdi geht davon aus, dass generell jeder Mensch allein durch sein Dasein eine Verantwortung hat." Und Loy weiter: „Was ich bei Boccanegra interessant finde, ist nicht, wie fühlt sich der Regierende, sondern, wo findet jeder Zuschauer in sich den Moment, dass man sich in einer öffentlichen Position befindet und geprägt wird, von dem, was von einem erwartet wird und zu dem man innerhalb eines gesellschaftlichen Kontexts verpflichtet ist." Für Christof Loy tritt das Interessanteste an dieser Oper beim Vergleich der beiden Fassungen zu Tage: „Es ist ein guter Schlüssel zu dem, was Verdi eigentlich interessiert hat. Die erste Fassung rückte stark in den Vordergrund, dass Italien zusammenfinden muss. In der zweiten Fassung wendet sich Verdi weg von der Realpolitik hin zu Philosophie und zu Religiösem. Weg vom politischem Tagesgeschäft hin zur Frage, wie verhalte ich mich angesichts des Todes und im Bewusstsein der Vergänglichkeit. Für mich ist die zweite Fassung eine religiöse Kommentierung. In der zweiten Fassung ist Fiesco eine alttestamentarische Vatergestalt geworden. Boccanegra bekommt mehr Jesus-Christus-Züge. Was in der katholischen Kirche die Apostel Peter und Paulus sind, die notwendig für die Gründung der Kirche waren, sind hier Pietro und Paolo. Mit diesem Stück hat Verdi seine ganz persönliche Form von Weltsicht dargelegt." Viele Analysten der zweiten Fassung halten diese durch die von Arrigo Boito, der das ursprünglich von Piave verfasste Libretto überarbeitet hatte, eingefügte Rede Boccanegras vor dem Senat für politischer, nicht so Christof Loy: „Das Libretto hat für mich in der zweiten Fassung eine universellere Bedeutung bekommen. Es geht nicht nur darum, dass man Frieden mit Nachbarstaaten schließt, sondern darum, Frieden als starkes Prinzip zu begreifen, Liebe als göttlicher Funke in unser Fühlen, Denken und Handeln aufzunehmen", erklärt der Regisseur. Die musikalische Leitung obliegt dem Frankfurter Generalmusikdirektor Paolo Carignani. In der Titelrolle debütiert Frankfurts Ensemblemitglied Zeljko Lucic – es ist eine seiner Traumpartien. Ebenfalls aus dem Ensemble besetzt sind der Fiesco mit Bálint Szabó und der Paolo mit Johannes Martin Kränzle. Annalisa Raspagliosi kehrt nach Frankfurt als Amelia zurück, während der britische Tenor Paul Charles Clarke sein Hausdebüt als Gabriele Adorno gibt. | |
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Interview mit Zeljko Lucic Und doch wird der ausgebuchte Bariton Zeljko Lucic hier bald nur noch Gast sein. Jetzt singt er erneut Verdi.
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Frankfurter Rundschau: Mir sitzt hier ein genuiner Verdi-Bariton gegenüber, kein Puccini-Bariton. Wie aber kann ich das erkennen, Herr Lucic?Zeljko Lucic: Ja, es heißt, ich habe eine Verdi-Stimme, das zumindest sagen die Experten. Einen guten Verdi-Sänger kann man sicher an seiner weichen, fließenden Stimme erkennen, einem legato-legatissimo, wie man es für die Musik Giuseppe Verdis immer braucht. Das geht natürlich nicht ohne einen langen Atem und eine besonders samtige Stimmfarbe. Hat denn Verdi generell besser für die Stimme komponiert als Kollege Puccini? Meiner Meinung nach ja. Ich muss sagen: Puccini mag ich nicht. Ich singe hin und wieder einige Partien, La Bohème etwa oder Madama Butterfly, aber ich spüre darin keine besondere Herausforderung. Verdi dagegen ist immer eine Herausforderung, in seinen Opern fühle ich mich am richtigen Ort. Sie arbeiten ja sozusagen am Verdi-Gesamtwerk, mit Ihrem "Simone Boccanegra"-Debüt jetzt schreitet die Komplettierung voran. Fehlt noch viel? Nein, aber mit Rigoletto fehlt das, was man die Krönung nennen könnte. Wenn dann noch Ernani kommt, habe ich alles gemacht, mal von den allerersten, unbekannten Verdi-Opern abgesehen. Die Titelrolle des Korsars Simone Boccanegra ist nun aber nicht das, was man eine Vorzeigepartie nennen könnte. Sie haben hier nicht einmal eine richtige Arie zu singen. Da haben Sie Recht: Eine Hauptrolle ohne Arie! Aber dafür zwei, drei wunderschöne Duette, ein herrliches Finale primo, und ich bin fast nonstop auf der Bühne. Es ist einfach ein typischer Verdi, mit wenigen Takten erkennt man ihn sofort. Sie singen nun bald zehn Jahre im Ensemble der Oper Frankfurt, haben hier alle Opern-Darreichungsformen erlebt, vom Statischen einer konzertanten Aufführung bis zum Radikalen eines Calixto-Bieito- "Macbeth". In welcher Form fühlen Sie sich denn am besten aufgehoben? Jedenfalls auf der Bühne, denn beim Spiel, beim aktiven Schauspielen fühle ich mich am Wohlsten. Von der Macbeth-Inszenierung Bieitos allerdings fühlte ich mich beleidigt. Denn das war kein Macbeth! Beim Schlussapplaus musste ich halb nackt vor dem Publikum stehen, mit einem großen Schnitt da hinten - formulieren Sie es anatomisch korrekt -, und ich habe mich einfach missbraucht gefühlt. Der Regisseur hat versucht, die Opern-Konstellation in die heutige Zeit zu übertragen, der Mensch als zutiefst animalisches Wesen, das ist ja in Ordnung. Aber in dieser Form hat es einfach überhaupt nicht zu Verdi und seiner Musik gepasst. Aber Sie machen mit, egal, was ein Regisseur verlangt? Eine Szene hatte ich damals geändert, da war eine Grenze überschritten. Aber alles innerhalb dieser Grenzen mache ich mit, so professionell muss man sein. Den "Simone Boccanegra"-Regisseur Christof Loy kennen Sie bereits aus Gounods "Faust". Sehen Sie in ihm eher einen Statiker oder einen Radikalen? Christof Loy ist ein Mann, der sehr viel Respekt vor Sängern hat. Er passt immer auf, dass Sänger mit dem Gesicht zum Publikum agieren, dass es also klingen kann. Es mag bei ihm erst einmal statisch wirken, aber er sagt zu Recht: Mit den Augen, mit dem Gesicht, mit der Stimme kann man alles zeigen! Ohne viel Aktion, ohne viel Bewegung. Das stimmt. Sein Simone Boccanegra jetzt wird sehr abstrakt und reduziert ausfallen, die Inszenierung lässt Raum für die Imagination. Alles spielt sich hier (deutet auf seine Stirn...) und hier (...und auf die Augen) ab. Ihr Intendant Bernd Loebe hatte Ihnen vor einiger Zeit ein großes Kompliment gemacht. Es spreche für die Qualität der Oper Frankfurt, dass ein Zeljko Lucic seinen Vertrag hier verlängert, obwohl er es überhaupt nicht nötig hat, das sagte Loebe 2004 in einem Interview. Wenn man Ihre internationalen Engagements anschaut, MET oder Semperoper oder Covent Garden, scheinen Sie es wirklich nicht mehr nötig zu haben, in einem festen Ensemble zu singen. Das Frankfurter Opernhaus ist mein Zuhause. Hier singe ich seit 1998, ich habe hier fast alle meine großen Rollen zum ersten Mal gemacht, von hier ergaben sich die Gastspiele nach New York, Wien, Dresden. Es stimmt, die reine wirtschaftliche Notwendigkeit gibt es schon länger nicht mehr für mich, hier Ensemblemitglied zu sein. Aber ich wollte es einfach. Ich habe auch das Gefühl, Bernd Loebe hat speziell für mich Repertoire ausgesucht. Zum Beispiel: Bevor ich Andrea Chenier an der MET gesungen habe, konnte ich sie hier konzertant singen, ebenso La Gioconda: Zuerst hier, dann MET. La forza del destino zuerst in Frankfurt, dann sofort in San Francisco, das sieht schon sehr nach Planung aus. Dafür sage ich jedenfalls ein ganz großes Vielen Dank! Und wie lange geht nun Ihr Vertrag noch? Bis Juni 2008. Dann werde ich das Ensemble verlassen - leider, aber für die kommende Saison habe ich bereits so viele Verträge unterschrieben, dass für Frankfurt einfach keine Zeit mehr bleibt. Ich werde aber weiterhin als Gast hier auftreten in bestehenden Produktionen und in neuen, einer Tosca 2011 etwa oder einer Adriana Lecouvreur. Die Oper Frankfurt scheint ein geeignetes Sprungbrett zu sein für den Start in eine internationale Karriere auf dem freien Markt. Diana Damrau, Elina Garanca, jetzt Sie - warum geht das von Frankfurt aus besonders gut? Frankfurt hatte immer ein gutes Ensemble und immer gute Dirigenten. Das zieht wiederum gute Leute an, die es dann leichter haben, sich international bekannt zu machen. Frankfurt ist für einen Opernsänger einfach eine ausgezeichnete Adresse. Aber keiner dieser Sänger ist dabei in Frankfurt wohnen geblieben. Sie schon? Ja, meine Familie und ich haben hier eine Wohnung gekauft. Es mag schönere, aufregendere Städte geben, aber sehen Sie: Ich bin ein einfacher, ein häuslicher Mensch, ich brauche keine Hektik in meinem Leben, kein London, kein New York - na ja, New York könnte schon sein, aber nur wenn ich einmal sehr viele Verträge in Amerika haben werde. Bis dahin aber ist Frankfurt wunderbar für mich. Interview: Stefan Schickhaus [ document info ] Copyright © FR-online.de 2007 Dokument erstellt am 15.05.2007 um 16:32:02 Uhr Letzte Änderung am 15.05.2007 um 16:50:20 Uhr Erscheinungsdatum 16.05.2007 |
Interview Zeljko Lucic kam 1998 vom Belgrader Nationaltheater ans Frankfurter Opernhaus, wo er zu einem der Leistungsträger wurde. Die besondere Liebe des Baritons gilt den Opern Giuseppe Verdis, mit "Simone Boccanegra" hat er sich hier nun eine neue Titelpartie erarbeitet (unser Szenenbild zeigt ihn mit Annalisa Raspagliosi). Lucic gilt seit einigen Jahren zunehmend auch international als gefragter Bariton für das italienische Fach: 2005 debütierte er an Covent Garden, 2006 an der MET und der Staatsoper München, im Sommer 2008 wird sein erster "Rigoletto" an der Semperoper in Dresden erwartet. Vom Frankfurter Ensemble wird er sich zur gleichen Zeit verabschieden. "Simone Boccanegra", 1857 uraufgeführt und eine bereits auf Verdis Spätwerk verweisende Oper, hat in der Neu- inszenierung von Christof Loy am Sonntag (20. Mai, 18 Uhr) im Opernhaus Premiere. Termine: 24., 27. Mai, 1., 14., 17., 22., 30. Juni, 6. Juli. www.oper-frankfurt.de |
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Il capolavoro della maturità verdiana a Francoforte il 20 Ne parlano il direttore Paolo Carignani e il regista Christof Loy
Dopo La clemenza di Tito allestita a Francoforte nella scorsa stagione ed esportata anche al Theater an der Wien per l’anno mozartiano, Carignani e Loy sono alla seconda collaborazione e questa volta per Verdi, autore che ha segnato la lunga attività di Carignani come direttore musicale dell’Oper Frankfurt dal 1999 alla fine della prossima stagione.
Un difetto questo, che Carignani attribuisce al cosiddetto "teatro di regia" molto comune nei teatri stedeschi: "Italia e Germania vengono da due tradizioni opposte. In Italia si dà meno spazio alle regie: gli spettacoli sono costruiti sui cantanti, la regia viene dopo. L’ideale sarebbe fare Musiktheater ma qui si parla sempre di Regietheater, una definizione che non contiene nemmeno la parola musica. Con Christof Loy è diverso: è un regista molto attento alla dimensione musicale". Carignani e Loy concordano sul fatto che il Simon Boccanegra sia uno dei capolavori della maturità verdiana. "È un’opera di estrema teatralità che piace soprattutto ai musicisti, meno al pubblico, forse perché non contiene nessuno degli hits prediletti dagli spettatori" dice Carignani. I due condividono inoltre l’opinione che si tratti di un pezzo sacro. "Spesso si sente dire che il Simon Boccanegra è un’opera politica, – sostiene Loy – ma io la ritengo piuttosto un’opera che parla di religione. Fiesco richiama il Dio terribile dell’Antico Testamento: animato da una parte da ira e vendetta che attraversa generazioni, dall’altra da affetto e calore paterni. Simone, invece, allude alla figura di Cristo perfino nel linguaggio, come nell’ultima scena dell’opera quando dice: "Gran Dio li benedici / Pietoso nell’empiro / A lor del mio martiro / Cangia le spine in fior". Del resto il pezzo verdiano che per colore più si avvicina a quest’opera è forse proprio la Messa di Requiem. È molto eccitante sviluppare il lavoro in questa chiave." Il giovane Loy Se Paolo Carignani può contare su di una solida fama di direttore verdiano, per Christof Loy si tratta invece del secondo lavoro verdiano importante, dopo il Don Carlos realizzato nel 2000 a Düsseldorf. "Devo confessare che ho accettato di fare il Don Carlos ed ora questo Simon Boccanegra perché sapevo di non avere a che fare con tipici interpreti verdiani, come forse sarebbe stato con Rigoletto o anche con Traviata. Spesso infatti i cantanti, e purtroppo quelli italiani in particolare, si limitano a ripetere frasi senza coglierne il senso. Per me il compito del regista è soprattutto aiutarli ad esprimere se stessi, a restituire la verità dei sentimenti, che sono il motore del mio lavoro. Anche il pubblico ha una parte di responsabilità, poiché spesso si accontenta di emozioni di seconda mano, non ne cerca di autentiche. Oggi lo spettatore ha il diritto di essere testimone e prendere parte al processo creativo. Anche quando provoco reazioni di rifiuto violente, lo costringo a prendere posizione. È un errore pensare di mettere in scena l’opera "come si deve". Non si deve nulla!" Qualche parola, infine, sulla scena disegnata da Johannes Leiacker che, a detta del regista, "lascerà spazio al pubblico di inventare. Non è più tempo di scenografie illusionistiche: occorre tornare all’aspetto essenziale del teatro, come nella Grecia antica, dove si lavorava con una scena di pietra e la luce del giorno. Anche la scena per il Boccanegra sarà fatta di oggetti reali e di materiali essenziali come il legno, il ferro. In questo sono d’accordo con Verdi che in teatro è meglio creare la realtà piuttosto che metterla in scena". Stefano Nardelli | |
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