Frankfurter Rundschau
8. Januar 2007

Südkoreanisches Vollblut
Die Oper Frankfurt hat Puccinis "Tosca" für ein begeistertes Publikum wieder aufgenommen

VON BERNHARD USKE

Bekreuzigung, Kniefall, Dankgeste gen Himmel - spätestens als Francesco Hong solcherart den Jubel des Publikums am Ende der Wiederaufnahme von Tosca beantwortete, war der Südkoreaner als italienisches Vollblut perfekt. Ob Kirche, Kanzlei oder Kerker - überall überzeugte der in Seoul Geborene als Cavaradossi. Aber erst auf der Engelsburg zeigte sich der Meister zur Gänze in einer solch dichten Verhaltenheit, wie sie nach den forcierten Vokal-Emissionen vorher nicht zu erwarten war.

Es wäre gar nicht nötig gewesen, während der ersten beiden Akte so auf die Tube zu drücken, wie es alle Hauptfiguren jetzt in der Alfred Kirchner-Inszenierung von 2001 taten. Am plausibelsten wirkte die Forciertheit bei Eszter Sümegi, die vom ersten Auftritt an klarmachte, dass sie weniger eine sanft leidende als vielmehr eine furiose und aggressive Tosca ist. Ein sehr gut tragendes, schönes Resonanzvolumen in allen Registern kam bei der ungarischen Sopranistin zur Geltung mit einem reichen Vibrato als emotionalem Seismographen. Der Finsterling des Scarpia, gesungen von Lucio Gallo, war ein Muster an Heftigkeit und Durchschlagskraft - eine Dauer-Attacke des Bösen, das in der absolut ebenmäßigen Stimme wie gemeißelt wirkte. Zu einförmig war diese Darstellung, denn der lüsterne Polizeipräfekt ist nicht nur krachender Machtmensch, sondern auch süffisanter Lebemann. Neben dem überforcierten Vokaltriumvirat verblassten fast die Beiträge der kleineren, tadellos besetzten Partien von Soon-Won Kang, Franz Mayer, Michael McCown. Ausgezeichnet das Orchester unter dem jungen schwedischen Dirigenten Stefan Solyom, der einen ebenso schweifenden, aufschäumenden Klang bot. Mit ihm konnten auch die formal fesselnden Teile dieser Partitur wie die Glocken-Patterns zu Beginn des dritten und die Parallelmontage von Chorgesang und Kammerdialog im zweiten Akt großartig realisiert werden.

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Dokument erstellt am 07.01.2007 um 17:32:02 Uhr
Erscheinungsdatum 08.01.2007

 

OFFENBACH POST
8. Januar 2007

Zeitlose Bilder nach fünf Jahren noch nicht verblasst
Kirchners "Tosca"-Inszenierung in Frankfurt wieder aufgenommen

Schon mehrfach wurde Giacomo Puccinis "Tosca" an der Oper Frankfurt wieder aufgenommen. Die Bilder, die Regisseur Alfred Kirchner vor fünf Jahren für die Premiere seiner Inszenierung gefunden hat, sind offenbar zeitlos genug, um nicht zu verblassen. Sie bestechen nach wie vor durch die geschickte Kontrastierung von Weite und Enge, darin exakt Puccinis Lokalisierung der Spielorte im Rom des Junis 1800 folgend.

Zeigt sich im ersten Akt die Anlage des mit weiten Tüchern ausgekleideten Kirchenschiffs von Sant’ Andrea noch in räumlicher Opulenz, so spielt sich der zweite als dichtester der drei Akte im engen Büro des römischen Polizeichefs Scarpia ab. Er lässt im Nebenraum den Kirchenmaler Cavaradossi foltern und rückt zugleich dessen Geliebter, der Sängerin Tosca, auf den Leib, bis diese ihn bekanntlich heimtückisch umbringt.

Zum Finale auf der Engelsburg hat Bühnenbildner Karl Kneidl alle Grenzen des Raumes beseitigt. Auf offener Bühne wird Cavaradossi von Gewehrsalven hingerichtet, zum Selbstmord Toscas lässt Regisseur Kirchner - aparte Variante dieser Schlussszene - einen Schattenriss Roms umstürzen.

Am Pult des Frankfurter Museumsorchesters gibt der junge schwedische Dirigent Stefan Solyom eine tendenziell kraftvolle, dynamisch satte Musizierweise vor, lässt es eher scherenschnittartig im Graben brodeln.

Da hat es ausgerechnet Lucio Gallo als Darsteller des Polizeichefs Scarpia bisweilen schwer, die balsamischen Stärken seiner Stimme zum Vorschein kommen zu lassen. Besonders signifikant wirkt das beim "Te deum" am Ende des ersten Aktes, als der im Hintergrund postierte Chor der Oper Frankfurt auch noch wie elektroakustisch verstärkt klingt.

An Kraft jedenfalls fehlt es den beiden anderen Protagonisten in dieser Wiederaufnahme nicht: Die Sopranistin Eszter Sümegi gibt eine Tosca, die bei allem glutvollen Einsatz ein zu ausladendes Vibrato präsentiert und überhaupt intonatorisch nicht immer genau singt.

In der Partie des Cavaradossi debütiert in Frankfurt der Südkoreaner Francesco Hong, der über einen metallisch kernigen Tenor verfügt, allerdings schon früh keine Gelegenheit auslässt, sich mit lang gehaltenen Spitzentönen Zwischenbeifall zu sichern - diese Variante des Rampensingens bleibt Geschmackssache. Nur noch mit gedrosselter Präsenz kann er dafür im dritten Akt sein "E lucevan le stelle" strahlen lassen.

Umso entfesselter freut sich der Tenor über den Jubel beim Schlussapplaus. Denn der kann es bei dieser "Tosca"-Wiederaufnahme durchaus mit der Stimmung in einem italienischen Opernhaus aufnehmen ...

AXEL ZIBULSKI