DER TAGESSPIEGEL
20.01.2009

OPER
Szenen einer alten Ehe
Heroische Wirren und Strauss zum Kennenlernen: "Die Ägyptische Helena" an der Deutschen Oper.

VON SYBILL MAHLKE

Die Musik ist eine Droge. „Die ägyptische Helena" von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal macht trunken von Klängen. Griechischer Wagner, wie der Komponist gesagt hat. Und wenn die betörenden Klangräusche vorbei sind, die das Publikum in der Deutschen Oper Berlin mit großem Jubel feiert, schmerzt die Frage, was bleibt. Die Premiere als voller Erfolg, den sich Regisseur Marco Arturo Marelli, das Orchester mit dem Dirigenten Andrew Litton und zumal die Sängerinnen Ricarda Merbeth und Laura Aikin mehr als redlich verdient haben.

„Bombensicher ist diese Oper nicht", lautet die treffende Einschätzung des Dichters, als er mit seinem Komponisten vor der Dresdner Uraufführung der „Helena" um die Hauptdarstellerin rangelt. Die eine, begehrteste, ist zu teuer, die zweite eine „schauspielerische Nullität", die dritte schöne Erscheinung mit schwacher Mittellage. Das heroische Ehedrama aus der Künstlerwerkstatt, die Hofmannsthal seit der „Elektra" mit Strauss verbindet, ist Mühe und Arbeit, und im Briefwechsel heißt es: „jeder kleinste Strich Gewinn." Immer wieder hat Hofmannsthal den Musiker ins Land der Griechen dirigiert, und nun geht es ihm um den langgehegten Einfall, die Rückkehr der Helena von Troja darzustellen. „Machen wir mythologische Opern, es ist die wahrste aller Formen." Der robuste Theaterpraktiker Strauss weiß um die Kapriolen der Handlung dieser „gefährlichen Helena". Bei einem Besuch Fritz Buschs in Garmisch indes schmunzelt er zu einer melodischen Trivialität: „Das braucht’s halt für die Dienstmädchen."

Wie auch immer die Zielgruppe bestellt sein sollte, die Münchner Erstaufführung 1928 unter Knappertsbusch verzeichnet eine Merkwürdigkeit, die die heutigen Übertitel vorwegnimmt: Das Haus war matt erhellt, damit das Publikum sich im Textbuch über das Bühnengeschehen orientieren konnte.

Das Ganze ist ein Heimkehrerstück, eines der kompliziertesten. Menelas aus Sparta ist entschlossen, seine Helena auf der Heimfahrt zu töten, weil sie dem Paris in Liebe nach Troja gefolgt ist. Aber halt! Die Gattin sei gar nicht fremdgegangen, sagt Euripides, sondern Paris habe nur ein Phantom, ein Trugbild der Helena entführt, die wirkliche Helena habe die Kriegszeit in Ägypten keusch verlebt.

Unbegreiflich wie die Mär, der Trojanische Krieg sei von einem wunderschönen Weib ausgelöst worden, ist dessen Doppelexistenz. Daher kredenzt in der Oper Aithra, eine ägyptische Zauberin, dem Menelas einen Vergessens trank, der ihm die Unberührtheit der Helena suggeriert. In der „zweiten Brautnacht" schimmern „Knabenblicke aus Heldenaugen". Aber es bleibt eine Versöhnung zum Schein. Helena will die Wahrheit, ergreift einen Erinnerungstrank, um von Menelas auf Tod und Leben erkannt zu werden. Szenen einer Ehe. Er tötet sie nicht.

Man hat es also mit gehäufter Symbolik, Bildungsgut und verteufelten Zaubersäften zu tun. Das Problem für Regie und Darsteller besteht zudem darin, dass keine der Figuren uns wirklich interessiert, angeht, Identifikation zulässt. Rätsel Hofmannsthal: der junge Poet, dann der Librettist, von der literarischen Welt vernachlässigt, der den genialen „Rosenkavalier" hervorbringt, um schließlich in mattem Ästhetizismus zu versinken.

Regisseur Marelli, sein eigener Ausstatter, denkt in Bildern: der Trojanische Krieg als stumme Szene, dann im verschleierten Hintergrund ein Minarett, das in der künstlichen Brautkammer der Zaubernacht Kopf steht zwischen schrägen Möbeln. Drehbühne, orientalisches Edelbordell, Pastellfarben, Palmen, Wüstenjagd per Video, Poseidon als Kapitän. Für die überflüssigen Nebenrollen von Scheichs und Wüstenfüchsen wie des Kindes Hermione kann Marelli nichts, und das Werk sträubt sich kaum gegen Bühnenkitsch. Siehe: Dienstmädchen.

Daher darf sich auch die Titelheldin vom Zwanzigerjahrelook in eine glitzernde Märchenprinzessin verändern. Wenn aber nackte, weiße Männerbeine mühsam dem Liebeslager entsteigen, während der Dialog sich dazu auf dem Kothurn höherer Lyrik bewegt, dann ist dem Regisseur ein Fehler passiert.

Ricarda Merbeth als Helena verausgabt sich in grandiosen Kantilenen, ein Wunder an Kraft, eine überraschend schlagkräftige Schwester ihrer Bayreuther Elisabeth. Laura Aikin als Aithra, umgeben von Jacquelyn Wagner und Stephanie Weiss als Dienerinnen bilden mit ihr das von Strauss so geliebte Ensemble hoher Frauenstimmen. In der Partie einer sprechenden Muschel hält Ewa Wolak ihren wolligen Alt dagegen. Robert Chafin als Menelas mit intensivem Einsatz, aber stimmlich nicht ganz ohne Anstrengung, und in kleinen Rollen Morten Frank Larsen und Burkhard Ulrich vertreten die Männerwelt. Andrew Litton gelingt das Kunststück, die permanente Hochexpressivität der Musik, die schäumender Nachhall ist, mit Diskretion zu verwalten.

Ein neuer Stein im Raritätenmosaik des Repertoires. Für Strauss-Freunde zum Kennenlernen. Dass es dem Haus in seiner klammen finanziellen Situation aufhelfen könnte, ist kaum zu glauben. Der Mut ist müde geworden, sowohl an der Bismarckstraße als auch im vorletzten Opus aus der Werkstatt Hofmannsthal/Strauss.

Weitere Vorstellungen am 22. und 30. Januar sowie am 3. und 14. Februar

 

Berliner Morgenpost
Montag, 19. Januar 2009

Deutsche Oper
"Ägyptische Helena" feiert einen Triumph
Von Klaus Geitel

"Die Ägyptische Helena", eine der selten gespielten Opern von Richard Strauss, ist mit stürmischem Applaus an der Deutschen Oper Berlin gefeiert worden. Die Produktion des Schweizers Marco Arturo Marelli mit Ricarda Merbeth in der Titelrolle bescherte dem Haus wieder einen unumstrittenen Premierenerfolg.

Die „Ägyptische Helena" war nie gut zu Schiff. In den 80 Jahren ihres Dahinkreuzens im Opernrepertoire ist sie nie und nirgends fest vor Anker gegangen – und dies trotz ihrer beiden namhaften Kapitäne: Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, der weltweit gefeierten Dioskuren der Oper. Aber nun plötzlich dieses Wunder: Das beinahe schon verstoßene Werk erlebt in der Deutschen Oper einen unangefochtenen Triumph. Es erntet Begeisterung. Endlich einmal hat das bislang schier unentbehrliche Buh gründlich Pause. Selbst Marco Arturo Marelli, den Regisseur, der sein eigener Bühnenbildner ist, empfängt nichts als uneingeschränkten Jubel.

Dabei ist den beiden großen Autoren mit der „Ägyptischen Helena" durchaus kein Meisterwerk gelungen. Man darf pausenlos rätseln, was für ein Trank denn an der Opernbar nun gerade ausgeschenkt wird: einer des Erinnerns oder einer des Vergessens. Immer aufs Neue werden die Gläser gefüllt und mehr oder minder widerwillig geleert. Man trinkt und trinkt und ertrinkt am Ende beinahe in herbeigedichteten Komplikationen. Was will diese „Ägyptische Helena", das Rätselwerk der Oper, am Ende eigentlich sein? Ein mythologisch schwer befrachtetes, aber kunstreich unterkühltes Salonstück? Singt es das Hohe Lied einer verkorksten Familie? Gibt es sich als das auskomponierte Psychogramm eines Spätheimkehrers aus dem Felde? Ist es der Ringelringelreihen eines Geisterspuks?

Das Orchester bleibt hart am Ball

Soviel Fragen, wie die „Ägyptische Helena" aufwirft, hat kaum je eine Bühne zu beantworten verstanden. Das aber ist mit einer annähernd tadellosen Besetzung der Deutschen Oper gelungen. Verantwortlich für diesen Glücksfall sind Marelli und gleichauf mit ihm der Dirigent Andrew Litton und sein wahrhaft schwelgerisch aufspielendes Orchester. Es ist mit glänzend vereinten Kräften vom ersten Takt an wie mit Leib und Leben dabei.

Litton leitet die Aufführung mit seltener Eindringlichkeit und Bravour. Er lässt Richard Strauss laut und deutlich zu Wort kommen, selbst dort, wo es herzlich trivial zugeht. Litton fegt darüber hinweg. Sein Musizieren ist voller dramatischer Intensität, hilfreich und gleichzeitig durchaus eigenwillig. Es versteht zu fesseln. Man hört den Abend hindurch mit wachsender Neugier ins Orchester hinein. Das kann sich unter Litton keine Ausflüge in die Esoterik erlauben. Es bleibt hart am dramatischen Ball – und Marelli schießt ihn auf der Bühne immer wieder ins Tor.

Was geschieht? Menelas, von Helena einst wegen des hübschen Paris verlassen und mit diesem nach Troja gebraust, hat die untreue Frau eingefangen und gedenkt, sie umzubringen. Das aber misslingt dank unglaublicher Zaubereien, mit denen Aithra, die Geliebte des Poseidon, der Treulosen in schwesterlicher Eintracht beispringt. Menelas wird aufs Auge gedrückt, seine Frau sei in Wahrheit immerfort treu wie Gold gewesen. Er sei nichts als einem Spiegelbild, einer „ägyptische Helena", einer Doppelgängerin der Holdheit aufgesessen. Am Ende ist glücklicherweise alles vergeben und alles vergessen. Das Happyend strömt unangefochten herein.

Das dem so ist, daran hat Marelli glänzend gedrechselt. Er lässt die Bühne wiederholt kreisen. Bald zeigt sie deutlich die Realität, bald ebenso deutlich, mit ihren in der Luft hängenden Sesseln, die Illusion: das eingefriedete Niemandsland des Spuks. Wie selbstverständlich schieben sich beide Sphären immer wieder ins Bild: eine Kreuzfahrt des seelischen Hin und Her, der unablässigen Versuche, mit sich und dem Liebenden, dem geliebten Gegenüber klar zu kommen. Ein herzlich umständliches psychologisches Abenteuer.

Der Sopran in Stimm- und Seelenqualen

Es kennt Heldin und Held. Ricarda Merbeth singt mit schlankem, hochdramatischem Sopran die Partie der sich läuternden Sünderin. Sie ist Helena, die um die Liebe, das Verzeihen, das Verständnis ihres verbitterten, in Düsternis gefangenen Mannes kämpft. Sie gewinnt ihn nach manchen Stimm- und Seelenqualen auf überwältigende Weise zurück. Robert Chafin stürzt sich mit schier unerschöpflichem Tenor in die Rolle des Rächers und liebenden Spätheimkehrers aus dem trojanischen Krieg, psychisch, aber nicht stimmlich sozusagen aus dem Leim. Er rätselt sich mit Nachdruck durch die ihm (und dem Publikum) schier undurchschaubare Handlung.

Die setzt Laura Aikin als Aithra, die feenhafte Salon-Herrin, auf bezaubernd stimmleichte Weise in Gang. Morten Frank Larsen und Burkhard Ulrich stehen ihr singend ansehnlich zur Seite. Ewa Wolak tönt tiefstimmig imponierend als allwissende Muschel herauf.

"Die Ägyptische Helena" , Deutsche Oper Bismarckstraße 35, Charlottenburg. Tel: (030) 34384343. Termine: 22., 30.1.; 3. und 14.2.

 

DIE WELT
20. Januar 2009

Ein Rettungspaket für Richard Strauss
Berlins Deutsche Oper meistert seine schwierige "Ägyptische Helena" mit Bravour

Von Kai Luehrs-Kaiser

Die scheußlichste Oper von allen? Beim Stechen um diesen Ehrentitel ist die "Ägyptische Helena" von Richard Strauss schwer zu schlagen. Eine Spontan-Begegnung mit diesem Werk dürfte unverdorbenen Naturen einen Schreck fürs Leben versetzen. Dabei sollte die Oper ein Wurf mit der Wurst nach der Speckseite sein. Nach der schwierigen "Frau ohne Schatten", dem "Sorgenkind" des Komponisten, kamen er und sein Textdichter Hugo von Hofmannsthal irgendwann auf die glorreiche - und trügerische - Idee: "Antike!" Das zieht immer. Folglich braucht die "Ägyptische Helena" zweieinhalb lange Stunden, um den in Ägypten festgefahrenen Menelas davon zu überzeugen, seine Gattin Helena nicht zu töten. Nach erfolgreicher Uraufführung in Dresden 1928 erwies sich das Werk als Schlag ins Wasser. Außer in München mieden große Bühnen den Brocken, da man schon textlich leidet.

Statt "Wer wohnt hier?" tönt es bei Hofmannsthal: "Wem ist dies Haus?" Unselig wagnert's. "Trink hier, wo meine Lippe sich getränkt", singt man, wo ein schlichtes "Prost!" angebracht wäre. Musikalisch sitzt man auf einer gigantischen Resterampe gefallener Wrackteile aus "Ariadne"-Ausschuss und "Elektra"-Ramsch. Es ist kaum eine Musik vorstellbar, die aufwühlender wabert oder einem mehr auf die Nerven fällt. Unter den Schallplatten-Dirigenten haben nicht einmal Josef Krips, Antal Dorati und Joseph Keilberth den hehren Schmarrn retten können.

Marco Arturo Marelli, hier auch sein eigener Bühnenbildner, inszeniert an der Deutschen Oper die erste Berliner Aufführung seit 81 Jahren als Konversationsstück für Psychopathen - eine Art orientalisches "Capriccio". In aufwendigen, im Kolonialstil getäfelten Interieurs nebst gemalten Landschaftstapeten findet ein Kriegsheimkehrerdrama mit angelegter Kalaschnikow statt. Im Strand-Puff der Nymphe Aithra halten sich eng geschürzte Animierdamen zur Erheiterung des Militärs bereit. Das Propeller-Bühnenbild und sein Regisseur machen sich nicht klüger, als das Werk ist. So werden alle - zu Recht - gefeiert.

Der Deutschen Oper gelingt mit diesem verdienstvollen, höchst vorzeigbaren Abend eine Liebesprobe für Straussianer. Ricarda Merbeth ist als Helena eine stimmschön aufdrehende, weniger phlegmatische Darstellerin als sonst. Ewa Wolak orgelt superb die drall geschnürte, "alles-wissende Muschel" (mimisch eine wiedergefundene Trude Herr). Der Joker der Aufführung: Laura Aikin als Aithra, eine Partyschlange im Cleopatra-Look. Selbst Robert Chafin steht Menelas' dauerharten Gang zum Ehebett baritonal getönt durch. Die Herren singen hochanständig. Durch geschickte Besetzungspolitik hat sich die Deutsche Oper (auch bei den hier eröffneten Strauss-Festtagen) sehr gut erholt.

Andrew Litton, ein einschlägig vorbelasteter Opern-Archäologe, dirigiert kaum meinungsfreudig, aber animierend. Er verhehlt nicht, dass das Stück auf höchstem Erregungspegel vor sich hin eiert (unter Christian Thielemann klang das vor einigen Jahren konzertant schlüssiger). Das Stück, das - außer in Dresden - kaum wiederkehren dürfte, ist ein wohltuender Aussetzer im Berliner Doubletten-Rennen. Und immerhin ein echter Strauss. Es ist ein Werk, so schlimm, dass man den Mitwirkenden alles verzeiht.

Termine: 22., 30. Jan., 3., 14. Febr.

 

Berliner Zeitung
Montag, 19. Januar 2009

Der Mut zum Glück
Marco Arturo Marelli inszeniert Richard Strauss' "Ägyptische Helena" an der Deutschen Oper

Wolfgang Fuhrmann

So etwas gibt es also auch: eine Premiere an der Deutschen Oper, nach der nicht nur Sänger, Dirigent und Orchester mit Beifall überschüttet werden, sondern auch das Regie- und Ausstattungsteam! Der Zürcher Regisseur Marco Arturo Marelli und die Kostümbildnerin Dagmar Niefind schienen am Sonntagabend ihr Glück gar nicht fassen zu können. Da ging es ihnen ähnlich wie wenigen Minuten zuvor den Protagonisten der "Ägyptischen Helena" von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal: Auch sie fanden, wider alles Erwarten, am Ende der Oper ins jubelnde Glück.

"Die ägyptische Helena", 1928 in Dresden uraufgeführt, wird praktisch nie inszeniert; sie gilt als verquaste, vom Librettisten mit Mythen- und Märchenmotiven überladene Bedeutungshuberei. Und doch liegt ihr, lässt man sich von Elfen und Scheichs, zu vielen Zaubertränken und einer alles-wissenden Muschel nicht ablenken, ein tief ernstes Thema menschlichen Zusammenseins zugrunde: Die Frage danach, wie es weitergehen kann zwischen zwei Menschen, wenn eigentlich schon alles zu Ende ist.

Ehepaare, noch dazu solche mit nicht gerade makelloser gemeinsamer Vergangenheit, sind eine Seltenheit auf der Opernbühne. Bei Strauss/Hofmannsthal ist es der berühmteste und folgenreichste Ehebruch der Weltgeschichte, der therapiert werden muss: die schöne Helena, die sich von Paris nach Troja entführen ließ, ist nach zehnjährigem Krieg von ihrem rechtmäßigen Gemahl Menelas (wie er hier heißt) zurückerobert worden. Was soll daraus werden? Menelas ist ein schwer beschädigter Mann, der sein Trauma immer neu durchlebt und nicht nur Helena, sondern auch den längst toten Paris umbringen will. Die Zaubererin Aíthra, Geliebte des Meergotts Poseidon, möchte helfen und bietet den beiden einen Lotostrunk, der sie ihre Geschichte vergessen lässt und in den Zustand der Brautnacht zurückversetzt. Aber, und hier erweist sich Hofmannsthal als Zeitgenosse Freuds, das Verdrängte kehrt umso mächtiger wieder: Seine verjüngte Gemahlin hält Menelas für eine Sinnestäuschung, im Sohn eines Wüstenscheichs will er schon wieder Paris sehen. Und so hilft nur der Trank der Erinnerung zur schließlichen Versöhnung, nicht die Löschtaste.

Marco Arturo Marelli hat Sinn für den Ernst des Themas. Aber den eigentlichen Reiz des Abends macht dann doch die orientalisch-zaubermärchenhafte, hintergründig humorvolle Verkleidung dieser bitteren, lebensnahen Grundfabel aus. Marelli hat ein Ausstattungsstück geschaffen, wobei sich "Ausstattung" nicht nur auf elegante Räumlichkeiten (eine Hotellobby im Stil der Zwanzigerjahre mit orientalistischem Wandgemälde, ein Schlafzimmer mit surreal in der Luft hängenden bonbonbunten Polstersesseln) und nicht nur auf die schönsten und geschmackvollsten Kleider, die seit langem auf einer Opernbühne zu sehen waren, sondern auch auf die ausgesucht feschen Sängerinnen. Frei nach François Truffaut bedeutet Oper zumindest an diesem Abend, dass schöne Frauen schöne Dinge singen.

Das gilt für die hippiebunte, üppige Muschel mit orgelndem Organ (Ewa Wolak), für die beiden im schicken Abendkleid schwellend prunkenden Dienerinnen (Jacquelyn Wagner, Stephanie Weiss) und die drei lasziv bis eher gar nicht gewandeten Elfen (Erica Miller, Julia Benzinger, Nicole Piccolomini). Es gilt für die mehr majestätisch als verführerisch wirkende Helena (tonsicher, aber textundeutlich: Ricarda Merbeth) und es gilt vor allem für die vom Haar zum Saum bläulich schillernde Magierin Aíthra (Laura Aikin), die sängerdarstellerisch überzeugendste Leistung des Abends.

Hinreißend ist es, wie Aikin aus ihrer frustrierten Haltung als vernachlässigte Meergottgeliebte im goldenen Käfig zu neuem Leben erwacht, als es gilt, die zerrüttete Ehe zu kitten - und wie diese Energie, nachdem sie die verjüngten Eheleute ein zweites Mal ins Brautbett gepackt weiß, sofort wieder von ihr abfällt, sie mit saurer Miene die High Heels abstreift und zum längst kalt gewordenen Diner mit der Muschel schleicht.

An diesem Punkt tritt, zur Verblüffung des Kenners, unvermutet der vermisste Poseidon ein, als Traumschiffkapitän verkleidet. Aber das ist nur ein weiterer Trick des Regisseurs: Denn die ganzen Verwicklungen des zweiten Akts um den Wüstenscheich und seinen Sohn entpuppen sich bei Marelli nur als ein Spiel, das Poseidon und seine Mannen zum Zweck der Paartherapie aufführen (ein Ausschnitt aus Rudolph Valentinos letzten Film "Der Sohn des Scheichs" wird ironisch eingeblendet). Nicht nur Menelas und Helena wird also letztendlich ein Happy End beschert, auch Aíthra versöhnt sich mit dem säumigen Gott.

Happy End? Humor? Schöne Ausstattung? Ein Publikumserfolg gar? Bei manchem Leser mögen längst schon die Alarmglocken schrillen. Ist das nicht Verrat am heiligen deutschen Regietheater, an der am besten per Grundgesetz zu verankernden Pflicht zur De(kon)struktion von Sinn, Hoffnung und Harmonie auf der deutschen Bühne? Und in der Tat, jedem Hochschul-Absolventen wäre es leicht gefallen, Menelas zu den Schlussakkorden mal kurz ein MG in die Hand zu drücken und das Personal niedermähen zu lassen - das pflichtgemäße, längst zum sauren Kitsch verkommene Anti-Happy End. Der Abend funktioniert aber aus dreierlei Gründen: Erstens kennt ohnehin kaum einer die Handlung, sodass es auch sinnlos wäre, sie "aufzubrechen"; zweitens tendiert die "Ägyptische Helena" bei aller tieferen Bedeutung in Richtung virtuoses Kunstgewerbe, die Inszenierung ist dem also kongenial; drittens gehört, in der Kunst wie im Leben, zum Glück mehr Mut als zum Unglück.Und viertens wollen wir mal fünf grade sein lassen und der ohnehin schwer gebeutelten Intendanz Harms den Erfolg gönnen, der nicht zuletzt ein Plädoyer für die üppigen musikalischen Reize der Partitur darstellt: mit zwei achtbaren Hauptdarstellern, auch wenn man bei Chafin gelegentlich die singdarstellerische Emphase vermittelt und Merbeth ihre große Arie "Zweite Brautnacht" noch flutender, fließender singen könnte; mit einem auch in den Nebenrollen solide besetzten Ensemble und einem unter Andrew Litton w ie verwandelt, genau, klar und rauschhaft schön spielenden Orchester.

 

taz.de
20.01.2009

Viel Krach mit Richard
Ehekrise mit großem Orchester: An der Deutschen Oper hat der Regisseur Marco Arturo Marelli "Die ägyptische Helena" von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss aus der Remise geholt

VON NIKLAUS HABLÜTZEL

Die Deutsche Oper hat sich unter Kirsten Harms' Leitung als eine Art modernes Antiquariat etabliert. Das ist deswegen ein kluges Konzept, weil die Lust am Stöbern in verstaubten Ecken der Musikgeschichte über die Mängel der Fundstücke wie auch der Aufführungen hinwegtröstet. Die "Germania" von Alberto Franchetti, die "Cassandra" von Vittorio Gnecchi oder "Jeanne d'Arc" von Walter Braunfels sind gewiss zu Recht vergessen, aber es war interessant, in der Deutschen Oper zu hören und zu sehen, dass es auch das einmal gab.

In diese Reihe vergilbter Raritäten gehört sehr wohl auch die "Ägyptische Helena" des bewährten Duos Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, 1928 in Dresden uraufgeführt. Ein Ehedrama, verpackt in zwei Akte eines mythologischen Dramas über die Rückkehr des Menelaos mit seiner im trojanischen Krieg blutigst zurückeroberten ungetreuen, aber sexuell immer noch reizvollen Helena, der schönsten Frau aller Zeiten. Den Freudianer Hofmannsthal trieb der Gedanke an diese zweifellos therapiebedürftige Situation jahrelang um, bis er schließlich Strauss darum bat, ihm dazu eine Musik zu schreiben. Eine richtige Oper wurde daraus nicht. Eher widerstrebend lieferte Strauss ab, was er nun mal konnte: kräftige Farben für virtuose Orchester und deklamatorischer Gesang für Schwermetall-Stimmen. Es klingt prächtig, aber geistlos, weil dem deftigen Bayern der subtile, unauflösbar zweideutige Witz der Hofmannsthal'schen Konstruktion völlig fremd blieb.

Es gab eben auch diesen Freud für die Oper, nicht nur den "Rosenkavalier" oder die "Frau ohne Schatten" derselben Autoren. Der Schweizer Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli putzt den misslungenen Zwitter so gut heraus, wie es nur geht. Wir sind in dem blau ausgeleuchteten, orientalischen Freudenhaus der Zauberin Aithra, die den mordlüsternen, vom Krieg traumatisierten Ehemann und seine Schöne aufnimmt. Elfen im Mieder, umgestürzte Sofas und zerwühlte Betten verkünden die frohe Botschaft der Lust, zu der das zerfallene Paar zurückfinden soll. Eine Droge des Vergessens, ein Märchen, in dem die schlimme Helena gar nicht so schlimm war, und eine zweite Hochzeitsnacht helfen über die ersten Hürden hinweg. Am Ende der Klausur schaffen es die beiden sogar, in der Wirklichkeit anzukommen. Sie fallen sich in die Arme, das gemeinsame Kind kommt zur Tür herein, und Strauss taumelt vor Freude über die heilige Familie, die da mal wieder gerettet worden ist, in ein schier endlos dröhnendes Finale hinein, mit dem uns auch Marelli nach Hause schickt. Ein Kommentar schien ihm nicht nötig, er hat das Stück nur aus dem Regal geholt und ausstaffiert mit Kulissen, die alle aussehen, als seien sie vor Jahren auch schon mal für irgendeinen anderen Schmöker gebraucht worden.

Einhelliger Applaus war der Dank des Premierenpublikus, das offenbar bereit war, das ziemlich arge Geschrei der Sopranistin Ricarda Merbeth in der Titelrolle zu überhören. Der sehr gute Tenor Robert Chafin konnte dagegen als Menelaos wenig ausrichten, zumal Andrew Litton am Pult seinen Strauss so dahinlärmen ließ, wie man es vielleicht doch vermeiden sollte. Aber nun gut: So steht es in den Noten, Marelli jedoch und auch die Intendanz müssen sich die Frage gefallen lassen, ob es zu den Themen Krieg und Sex nicht mehr zu sagen gäbe. Offiziersuniformen für Choristen und gelegentlich auf die Kulissen projizierte Bilder rauchender Trümmer sind ein wenig dürftig.

Große Oper ist halt nicht aus der Remise zu haben, sie verlangt nach Auseinandersetzung mit der Gegenwart wie auch der historischen Zeit des Werkes - gerade dann, wenn es kein Meisterwerk ist.

Nächste Aufführungen: 22. 1., 14. 2.

 

suedkurier
19.01.2009

Berlin
Großer Erfolg für "Ägyptische Helena" in Berlin

"Die Ägyptische Helena", eine der selten gespielten Opern von Richard Strauss (1864-1949), ist mit stürmischem Applaus an der Deutschen Oper Berlin gefeiert worden und bescherte dem größten Opernhaus der Hauptstadt wieder einen unumstrittenen Premierenerfolg.


Richard Strauss wurde am 11. Juni 1864 in München geboren
und ist am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen gestorben.

Zum Auftakt der Strauss-Wochen bejubelte das Publikum am Sonntagabend die Produktion des Schweizers Marco Arturo Marelli mit Ricarda Merbeth in der Titelrolle sowie das Orchester unter Andrew Litton.

Das griechische Drama über das Zerwürfnis zwischen Helena und Menelas nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal versetzt Marelli in die Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert in ein europäisches Hotel in Ägypten. Den Schweizer interessiert dabei weniger der Mythos als der psychologische Zustand der Figuren.

Die Drehbühne ist in steter Bewegung, wechselt zwischen verschieden Räumen, die gleichzeitig auch die Phasen von Traum, Wahn und Wirklichkeit in der Geschichte andeuten. Zu großer Form laufen dabei Laura Aikin in der Rolle der Göttin Aithra auf, die in dem Streit der vom Trojanischen Krieg gezeichneten Eheleute vermittelt, sowie Ewa Wollak als die Alles-Wissende Muschel.

Weniger spektakulär erweisen sich die Männer. Robert Chafin als Menelas offenbart Unsicherheiten in den hohen Lagen, passt sich aber ohne Schwierigkeiten in den leisen Passagen der ausdrucksstarken Ricarda Merbeth an. Auch Morten Frank Larsen und Burkhard Ulrich als Helenas Nebenbuhler Altair und Da-ud halten stimmlich nur schwer mit den Frauen mit.

 

suedwest aktiv
Donnerstag 22.01.2009

Das laute Lied der Gattenliebe
Eine berauschende "Ägyptische Helena" und eine ernüchternde Kassenlage der Deutschen Oper Berlin


Das Publikum bejubelt den Klangrausch der "Ägyptischen Helena" - aber die Deutsche Oper Berlin hat zur Zeit wieder ganz andere Sorgen.

CHRISTOPH MÜLLER

Berlin Das passiert selten bei einer Opern-Premiere: Es ist das Orchester, das den stärksten Beifall kassiert. Und in der Tat ist es dem Orchester der Deutschen Oper Berlin und seinem wühlenden Dirigenten Andrew Litton zu danken, dass der eigentlich gar nicht gelingen könnende Abend streckenweise unwiderstehlich strömende Klangorgien aufrauschen lässt. Richard Strauss ist halt auch noch in seiner schwülstigsten Oper ein Meister der romantischen Vollsound-Instrumentierung - egal, was dazu gesungen wird! Und seine "Ägyptische Helena" strotzt nur so vor symbolistisch hochgestochenem Verbalkitsch, Abteilung griechische Mythologie, Märchenorient, Gattentreue und segnendem Mutterglück.

Wie gesagt: ein ungeahnter Triumph für das blechgepanzerte Orchester der Deutschen Oper. Die Sänger, Ricarda Merbeth in der Titelrolle und Robert Chafin als ihr von Visionen geplagter Kriegsheimkehrer Menelas, sind ordentlich, müssten aber außerordentlich sein, um von den riesigen Orchesterwogen nicht erdrückt zu werden. Marco Arturo Marellis Inszenierung bemüht sich erst gar nicht um Dramatik und begnügt sich mit bravem Kunstgewerbe - mehr wäre aber wahrscheinlich mit herkömmlichen Regiemitteln auch nicht zu holen gewesen.

Die Deutsche Oper als das neben München größte deutsche Opernhaus wird immer mehr zum größten Sorgenkind der taumelnden Opernstiftung, deren Aufgabe es ist, die allesamt unterm Kostendruck ächzenden drei Berliner Opernhäuser schiedlich-friedlich unter einem Hut zu halten. Die "Ägyptische Helena" ist ein typisches Stück für Kirsten Harms, die verdienstvollerweise an Ausgrabungen und Raritäten interessierte Intendantin der Deutschen Oper. Es ist ihr gelungen, die Publikumszahlen zu erhöhen, aber sie hat immer noch fast 25 Prozent mehr leere Reihen als der Konkurrent Linden-Oper mit Daniel Barenboim. Die Deutsche Oper ist der Hort des miefigen alten West-Berlin geblieben, während sich die Linden-Oper mühelos ihr Publikum bei den für Berlin lebenswichtigen Kulturtouristen abholt und die kecke Komische Oper inzwischen sehr beliebt ist bei avantgarde-bewussten Neuenfels-Intellektuellen, aber paradoxerweise auch bei musicalleichter Entertainment-Kundschaft aus beiden Stadtteilen.

Bei der Deutschen Oper wartet man sehnsüchtig auf Donald Runnicles, der von der nächsten Spielzeit an nicht nur das Orchester, sondern möglichst auch den ganzen anderen Opernbetrieb leiten soll und will. Kirsten Harms hat aber noch bis 2011 Vertrag, wird jedoch nach eigenen Worten vom Kultursenator Wowereit nicht verlängert, nicht zuletzt deshalb, weil sie, "Unterfinanzierung" anklagend, nicht mit den Subventionen auskommt und sich schon wieder 800 000 Euro Miese angesammelt haben. Dafür hat ihr der Senat nun eine Haushaltssperre notverordnet. Zu allem Unglück hat sich ihr Hauptsponsor Volkswagen leise weinend abgemeldet, so dass ihr eine Million weniger pro Jahr zur Verfügung steht. Die Folge: zwei geplante Premieren, darunter der "Fidelio", fallen ganz weg, und das Haus wird seine Schließtage vermehren. Die notorisch mit immer neuen Bezahlungszahlen jonglierende Berliner Opern-Malaise geht beschleunigt in die nächste, dann vielleicht aber doch für eins der Häuser tödliche Runde - und dieses Haus kann nach Lage der Dinge nur die Deutsche Oper sein.

 

nmz
19.01.2009

Die Wüste als Beduinen-Video:
Strauss’ „Ägyptische Helena" an der Deutschen Oper Berlin

Von Peter P. Pachl

Ungeteilter Jubel ist selten nach Opernpremieren, und an der Deutschen Oper Berlin allzumal. Im Rahmen der Richard-Strauss-Wochen 2008/2009 erfolgte die Premiere von einer eher selten gespielten Oper des Garmischer Meisters: „Die Ägyptische Helena", op. 75 entstand nach der „Frau ohne Schatten" (sowie dem ebenfalls wenig gespielten „Intermezzo") und vor „Arabella". Das Libretto von Hugo von Hofmannsthal ist nicht, wie etwa die „Elektra", eine Bearbeitung einer berühmten Vorlage, wenn auch mythisch verbrämt.

Es basiert auf jener mythologischen Variante, nach der während des Trojanischen Krieges ein Double Helenas Platz in Troja eingenommen hatte, während Helena selbst in Ägypten war. Hofmannsthal mischte diese und die gängige Version zu einem psychologischen Diskurs über die Ehe: Diverse Zaubertränke der Magierin Aithra bewirken bei Helenas wütendem Ehemann Menelas zunächst das Vergessen von Helenas Untreue, dann das Erinnern und das Verzeihen. Strauss schwebte für diese Handlung ursprünglich eine Offenbachiade vor, dann aber wurde seine Oper doch zu einer Hymne auf die Beständigkeit der Ehe, die kriegsbedingte Probleme zu überwinden vermag.

Das zweiaktige Libretto ist dramaturgisch nicht zwingend gebaut; es will literarischer sein als es ist, und bei den gereimten Versen trifft man auf arge Drechseleien. Nach Klärung heftiger Divergenzen zwischen Dichter und Komponist erfolgte1928 in Dresden die Uraufführung, aber nach dem Tod Hofmannstahls machte sich Strauss an erhebliche Umarbeitungen, die so genannte „Wiener Fassung" stand dann erstmals 1933 in Salzburg auf dem Programm.

Die Deutsche Oper Berlin warb mit der Ankündigung, ihre Premiere sei die „erste Neu-Inszenierung in Berlin seit 1928"; bei William Mann (Richard Strauss. Das Opernwerk. München 1964) liest man hingegen über eine Inszenierung von Rudolf Hartmann, 1935 in Berlin, die den ersten Teil der Handlung „im Freien" ansiedelte. In der Neuinszenierung von Marco Arturo Marelli spielt die gesamte Handlung in einem Bordell des nahen Ostens, mit Zauberin Aithra als Puffmutter und einer Reihe von Animierdamen, die den kämpfenden Soldaten eine Abwechslung vom Kriegsgeschehen bieten. Aithras alles wissende Muschel (die vor genau zwanzig Jahren in Joachim Herz’ Münchner Inszenierung erstmals als personifizierter Fernsehapparat in Erscheinung trat) benutzt hier sowohl eine Plexiglas-Muschel, als auch einen kleinen TV.

Unverkennbar ist der Regisseur von Haus aus Bühnenbildner, der ästhetisch mit wehenden Vorhängen, Drehtüren und schwebenden Möbeln ansprechende Räume kreiert hat, die von der Dramaturgie des Hauses als „Hölle, Vorhölle und (trügerisches) Paradies" definiert werden. Die Fläche der Drehscheibe ist dreigeteilt, auf der Bühne agieren Solisten und Statisten, während der Chor aus dem Off singt. Marelli zeichnet auch verantwortlich für die „Berliner Fassung", eine Mischfassung der beiden Strauss-Versionen, die neben Verkürzungen aus der zweiten Fassung des Komponisten insbesondere das Terzett von Aithra, Helena und Menelas berücksichtigt, jenen späten Versuch des Komponisten, die Gefühlsseligkeit des „Rosenkavalier"-Terzetts noch zu toppen.

Die Wüste des zweiten Aktes gibt es bei Marelli nur als Beduinen-Video am Ende des ersten Aktes. Denn die neuen Werber um die Gunst Helenas – Altair und sein Sohn Da-du, mitsamt ihren Kriegern – erweisen sich hier nämlich als Mummenschanz der als Eheberaterin alle Register ziehenden Aithra. Eine derartige Lesart war nur durch heftige Striche zu bewerkstelligen (der auch die Zitate von Falke und Gazelle aus der „Frau ohne Schatten" zum Opfer fielen). Die dabei offenbar angestrebte Komödienhandung à la „Operette" stellte sich ob der Schwere von Strauss’ Musik allerdings nicht ein. Und das in einen penetrant auf die Kraft der Tonikawirkung bauenden Schluss mündende Unisono-Duett in D-Dur bleibt gleichwohl fatal, scheint es doch musikalisch (und nun in Berlin auch szenisch) zu verkünden: Mord und Totschlag sind unwichtig, wir gehören uns!  – Da ließ sich 1933 leicht ergänzen, „…und morgen die ganze Welt".

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin musiziert unter Andrew Litton wohl disponiert und ohne die Sänger zuzudecken. Der mörderischen Heldentenorpartie des manischen Menelas muss Robert Chafin notgedrungen Einiges an Strahlkraft und Spitzentönen schuldig bleiben. Hingegen gefällt der Bariton Morten Frank Larsen als Altair. Ricarda Merbeth, die den sinnlichen Trumpf des Melos im Monolog zu Beginn des zweiten Aktes trefflich interpretiert, vermag insgesamt nicht die Imagination der weltschönsten, von allen Männern umschwärmten Frau zu erzeugen. Aber die großartig spielende und singende Sopranistin Laura Aikin als Aithra, wie auch die stimmgewaltige Altistin Ewa Wolak als Muschel, lassen keine Wünsche offen.

 

Das Opernglas
Februar 2009

BERLIN
DIE ÄGYPTISCHE HELENA

Unversehens ist die Neuinszenierung der 1928 uraufgeführten "Ägyptischen Helena" des Erfolgsduos Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss zu einem Meilenstein in der Rezeptionsgeschichte der Oper geraten. Ein durchschlagender Berliner Premierenerfolg lädt ein, sich intensiv mit den Botschaften einer großen Oper auseinander zu setzen, die bislang nicht jenes Ansehen genoss, wie es ihrer Bedeutung angemessen wäre. Der Schlüsseleinfall dürfte die Deutung der Figur des Menelas als eines von neun Kriegsjahren traumatisierten Soldatenführers sein, eines gebrochenen Mannes mit schwersten Psychosen und Neurosen, der an das Eheleben vor dem Krieg anknüpfen möchte. Das will im ersten Akt noch nicht gelingen, sodass es stärkerer Psychopharmaka bedarf, die die beiden Protagonisten eine zweite Hochzeitsreise in das berühmte Wüstenzelt am Rande des Atlas-Gebirges machen lassen: sehr gut gelungen Marco Aruro Marellis stylische Wandeldekoration wie übrigens auch die Kostüme seiner Frau Dagmar Niefind.


Foto: Robert Chafin (Menelas), Ricarda Merbeth (Helena)
© Braun

Die "Helena" ist und bleibt für jedes Opernhaus oder Festspiel eine Königsdisziplin für Orchester, Solisten, Werkstätten, Technik, Ausstattung und Regie, und kaum eine Bühne ist dafür besser gerüstet, als die Deutsche Oper Berlin,  wenngleich auch hier nicht alle Ressourcen optimal genutzt wurden. So ist es im Grunde wenig verständlich, mit Andrew Litton einem braven Kapellmeister die Partitur anzuvertrauen und keinem detailverliebten Strauss-Spezialisten. Dass das Orchester dann auf eigene Faust brillierte – hier hören einfach alle aufeinander und haben offenbar den gleichen hohen ästhetischen Anspruch an Klangqualität und Dynamik – spricht für den Teamgeist auf dem höchsten Niveau. Der hätte allerdings verdient, vom Besetzungsbüro besser sekundiert zu werden. Ricarda Merbeth war in Sachen musikalisches Topniveau weitgehend auf sich selbst gestellt, was die enormen Anforderungen, die die Partie an eine dramatische Sopranistin stellt, nicht gerade vereinfacht. Bewundernswert, wie sie trotz leichter und vom wenig idiomatischen Dirigenten nicht kaschierter Defizite in der Mittellage immer wieder Atem schöpfen und die Stärken ihrer Stimme mit in der Höhe langen und ohne jegliche Mühe gesetzten Jubeltönen ausspielen konnte. Die Topform manifestierte sich in einer brillant gesungenen Eingangsarie zum zweiten Akt, die so nur wenigen Sängerinnen überhaupt je gelungen ist, dem strahlenden C am Ende des Duettes mit Menelas im ersten Akt ebenso wie in der stilistisch und musikalisch perfekten Durchdringung, die glücklicherweise frei ist von Manierismen, Verfärbungen, Schärfen oder irgendwelchen Kaschierungen und Eintrübungen. Das war Champions League.

M. Lehnert

 

dradio.de
19.01.2009

Schwer zu inszenieren
Richard Strauss' "Ägyptische Helena" an der Deutschen Oper in Berlin
Von Georg-Friedrich Kühn

Mit Opern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts versuchte die Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms, von Anfang an, mehr Aufmerksamkeit auf ihr Haus zu lenken. Jetzt hatte dort eine selten gespielte Oper des Komponisten Richard Strauss Premiere: "Die ägyptische Helena". Das Werk nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal wurde 1928 uraufgeführt und verschwand dann wieder in der Versenkung. Die Oper galt nämlich als schwer zu inszenieren.

Eine Operette sollte es werden, etwas à la Offenbach, "politisch-satirisch-parodistisch", wie Strauss an seinen im Krieg eingezogenen Textdichter Hugo von Hofmannsthal schrieb. Aus den "Prachttypen" des 1.Weltkriegs, den "Wucherern, Spionen, Diplomaten", wollte er nach dem Zwitter "Ariadne auf Naxos" eine Komödie destilliert wissen.

Fündig wurde Hofmannsthal im Mythen-Vorrat des ersten Vernichtungskriegs der Antike, dem um Troja, und der bei Euripides ausgeführten und von Goethe aufgegriffenen Vermutung, Helena, um die man zehn Jahre sich bekriegte, sei gar nicht nach Troja entführt worden, sondern nach Ägypten, wo sie den Krieg im gleichsam komatösen Tief-Schlaf überlebte. In Troja habe man nur ein Double präsentiert. Der Krieg um sie war um ein Phantom.

Was in Hofmannsthals Libretto in den 1920-iger Jahren daraus wurde, ist ein Freudianisches Ehedrama der Entfremdung und der psychischen Zerrüttung eines Kriegs-Heimkehrers, Menelaos oder wie er hier heißt Menelas, nach tausendfachem Morden. Und auch Strauss' Versprechen, er wolle den Wagnerschen "Musikpanzer" künftig ganz ablegen, blieb Versprechen.

Was man von dieser "Ägyptischen Helena" an der Deutschen Oper Berlin zu sehen bekommt, ist im Arrangement und Bühnenbild von Marco Arturo Marelli eine Art Truppenbetreuung in der Etappe. Ein Wüsten-Casino mit Bordell-Betrieb, in dem die von der Front Heimkehrenden sich vergnügen. Eine "Muschel" genannte Puffmutter überwacht per Videokamera-ähnlicher Leuchtmuschel den Verkehr.

Auch der Spartaner-König Menelas, der seine vor zehn Jahren geraubte Frau Helena in Troja zurückerobert zu haben meinte, aber sie gerade für ihre vielfache Untreue mit dem Tod bestrafen wollte, strandet hier mit ihr. Aithra, mit zauberischen Kräfte begabt, die das Etablissement mit ihren zwei Schwestern führt, bringt die beiden Eheleute mit vielerlei Zaubertränken und Halluzinationen wieder zusammen.

Einer der Tricks ist die Suggestion, dass eben die Helena von Troja gar nicht die wirkliche Helena ist, sondern dass die hier bei ihr den Krieg "verschlafen" habe.

Marelli lässt das auf einer dreiteiligen Drehbühne spielen mit Ledersessel-bestücktem Empfangsraum, zauberisch verspiegeltem Schlafzimmer und gleichsam Psycho-Kino, in dem einige Kriegserlebnisse nachgespielt und psychisch verarbeitet werden sollen. Am Ende taucht die 11-jährige Tochter in der Drehtüre des Casinos auf. Familie Menelas ist glücklich wieder vereint, der Albtraum ausgeträumt.

Viel szenische Konvention bekommt man zu sehen, Regie erschöpft sich im Organisieren von Auftritten. Mit Ricarda Merbeth als freilich etwas Vibrato-intensiver Helena, Robert Chafin als schlank intonierendem Menelas und insbesondere Laura Akin als wunderbar schillernder Aithra hat man ein hervorragendes Protagonisten-Ensemble. Andrew Litton leitet mit Verve das Orchester der Deutschen Oper.

Das Publikum war's überaus zufrieden und spendete reichlich Beifall. Die Gesamtbilanz des Hauses hellt diese Produktion kaum auf. Man erfreut sich der selten gespielten Musik, zieht Querverbindungen zu anderen Strauss-Hofmannsthalschen Figuren des Umfelds, etwa vom Frauenpaar Helena-Aithra zu Ariadne und Zerbinetta. Zum Kern des Stücks dringt die Inszenierung nicht. Der Abend erschöpft sich in netten Gefälligkeiten.

 

dradio.de
18.01.2009

Richard Strauss' Oper "Die ägyptische Helena" in Berlin
Eine Psychotherapie für den Feldherrn
Von Uwe Friedrich

In dieser Saison stellt die Deutsche Oper in Berlin den Komponisten Richard Strauss in den Mittelpunkt. In "Die ägyptische Helena" hat Regisseur Marco Arturo Marelli die Handlung in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verlegt. Darin geht es um die Wiederannäherung von zwei Eheleuten, die von einer therapeutischen Krise in die andere gejagt werden.

Helena hat sich während des Krieges nicht nur mit Paris vergnügt, sondern gleich jede Menge knackige Soldaten in ihr Bett gelassen. Das macht der Regisseur Marco Arturo Marelli deutlich, noch bevor die Musik anfängt. Kein Wunder, dass der ohnehin durch den Krieg traumatisierte Gatte Menelas vor Eifersucht nicht mehr ein noch aus weiß und seine untreue Gattin nach Soldatenart umbringen will. Doch die kluge Aithra weiß Rat: sie verordnet dem Feldherrn eine Psychotherapie, in der er sich mit seinen Traumata, mit dem Krieg und der Untreue seiner Frau auseinandersetzen muss.

Dazu verlegt Marelli die Handlung in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, also die Entstehungszeit der mythenbefrachteten Oper. Auf einer Drehbühne ist dreimal der gleiche Raum mit Variationen aufgebaut. Zunächst als postkoloniales Hotelfoyer in einem arabischen Land mit holzgetäfelten Wänden, schweren Ledersesseln und Sofas und dem Blick auf eine Moschee. Nach der ersten Drehung des Raums fällt der Blick auf ein großes Ehebett, die restlichen Möbel schweben im Raum, die Moschee steht auf dem Kopf. Das dritte Segment schließlich gibt den Blick frei auf eine kriegsverwüstete Landschaft, in der Menelas noch einmal den Mord an Paris durchleben wird.

Der simple Trick mit der Psychotherapie funktioniert vor allem deshalb so gut, weil schon das Libretto stark psychologisierend aufgebaut ist. Der hochproblematische Text ächzt zwar vernehmlich unter der Bildungsschwere Hugo von Hofmannthals, aber Marelli traut der verästelten Handlung noch in den schwächsten Momenten. Außerdem wird Menelas nicht bloß platt auf die Couch gelegt, sondern Marelli hält das Bühnengeschehen klug in der Schwebe.

So gelingt Marelli das Kunststück, dass die arg konstruierte Wiederannäherung der beiden Gatten nach verschiedenen Eifersuchtsanfällen mit Maschinengewehr- und Messerattacken überraschenderweise doch recht anrührend ausfällt. Erst kurz vor Schluss wird deutlich, dass Menelas von der klugen Aithra in therapeutischer Absicht von einer Krise in die andere gejagt wurde. Gesungen wird diese Therapeutin von der sensationellen Laura Aikin, die verschwenderisch ihre wunderschönen Töne ausstreute.

Genau diese selbstlose Großzügigkeit fehlte Ricarda Merbeth in der Titelpartie. Ihre akkurate und genau kalkulierte Linienführung ließ nichts zu wünschen übrig als jene stimmlich-erotische Verführungskunst, die gerade die großen Straussrollen doch so dringend brauchen, um das Publikum wirklich hinzureißen. So recht sympathisch wird einem diese Helena den ganzen Abend hindurch nicht.

Im hohen Alter bekannte Richard Strauss, er habe nie gelernt, wie man für Tenöre schreibt, und dachte dabei wohl auch an die undankbare Partie des Menelas. Die eigentlich erforderliche Mischung aus Richard Tauber und Lauritz Melchior gibt es wohl nirgends, und dass Robert Chafin mit seiner klangvollen, lyrischen Stimme anständig durch die Partie kommt, ist schon eine große Leistung. Extrem schwach ist hingegen der Altair des Baritons Morten Frank Larsen. Das Orchester zeigt sich unter dem Dirigenten Andrew Litton hingegen in Hochform und sorgt mit den rauschhaften Klängen des späten Richard Strauss für Begeisterungsstürme.

 

klassik.com
30.01.2009

Fabelhafte 'Ägyptische Helena' in Berlin
'Bayrische Jodler auf Oper hergerichtet'
Marco Arturo Marelli inszeniert Strauss - Sopranglück mit Ricarda Merbeth und Laura Aikin

Kritik von Dr. Kevin Clarke

Titelrollensängerin Ricarda Merbeth brachte es in einem Vorab-Interview wunderbar auf den Punkt. Einer Zeitung vertraute sie an, sie arbeite deshalb so gern mit dem Schweizer Regisseur Marco Arturo Marelli zusammen, weil bei ihm 'ein Spiegel ein Spiegel' sei und 'Elfen eben Elfen – und keine Nutten'. Man darf als Regietheater-geschädigter Opernbesucher wirklich dankbar sein, dass nach all den oft verunglückten Regieexperimenten am Berliner Haus in der Bismarckstraße endlich mal wieder ein Stück so gespielt wird, dass man es erkennt, dass es nicht vergewaltigt wird, dass es für sich selbst sprechen darf und dass es seinen eigenen Charme verbreiten darf – ohne dabei jemals altmodisch oder verstaubt zu wirken.

Die Rede ist von Richard Strauss’ Oper in zwei Akten nach der Dichtung von Hugo von Hofmannsthal 'Die Ägyptischer Helena’, die im Rahmen der aktuellen Richard-Strauss-Wochen ihre Hauptstadtpremiere erlebte. Und vom Publikum einhellig bejubelt wurde. So etwas spricht sich an der Spree schnell rum, und so war denn auch die dritte Vorstellung am Freitag richtig voll. Was umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass dieses Opus sicher nicht zum Stärksten aus der Feder des Meisters aus Garmisch zählt. Der Komponist Ralph Benatzky schrieb über die Uraufführung 1928 bissig, aber treffend in sein Tagebuch: ‚Symbolisch-mystischverworrene Angelegenheit, mit einmal lauter, einmal leiser Musik, großer Atem um gänzlich einfallslose bayrische Jodler auf Oper hergerichtet.’

Dass diese Jodel-Oper in Berlin dennoch Publikum anzieht, liegt wohl daran, dass Regie und Bühnenbild die antike Handlung – die auf einer verlassenen Insel spielt und teils in der Wüste – auf sehr imponierende Weise in einem Fantasie-Orient belässt, in dem die Geschichte Sinn macht, aber auch atmosphärischen Reiz entwickeln kann. (Auch dank der grandiosen Ausleuchtung.) Alles sieht aus wie aus der neuesten Ausgabe eines Design-Magazins, steht aber dennoch vollkommen im Dienst der Handlung, die niemals als Parodie ‚entfremdet’ wird (was Strauss nicht beabsichtigt hat), sondern mit Lust am Detail glaubhaft dargestellt wird.

Die Geschichte spielt in drei Räumen auf einer riesigen Drehbühne, Räume, zwischen denen sich die Sänger fortwährend bewegen: einmal der Empfangssaal der Zauberin Aithra (fabelhaft disponiert und blendend aussehend: Laura Aikin), dann das Schlafgemach der ‚Zweiten Brautnacht’, in dem sich Helena (mit berauschenden Höhen: Ricarda Merbeth) ihrem entfremdeten Gatten Menelaus hingibt (mit brüchigem Tenor, aber anrührend gespielt: Robert Chafin); und schließlich eine Wüste, in der Menelaus seine peinigenden Visionen von Helenas Untreue hat. Vorwiegend in den Farben Lila und Blau gehalten, ersteht in diesem Ambiente die von Strauss wenig inspiriert ausmusizierte Ehebruch-Geschichte und regt vielfach zum Nachdenken an: Wie geht man mit einem zurückgewonnenen Partner um, wenn er elf Jahre mit einem anderen zusammengelebt hat? Kann man einen so gewaltigen Seitensprung wie den von Helena und Paris verzeihen? Kann man den Liebesbeteuerungen des zurückgekehrten Gattin glauben? Kann das Familienleben mit Kind und Kegel ‚normal’ weitergehen, nach allem, was passiert ist? Marellis Inszenierung bietet genügend Raum für solche Überlegungen und gewinnt ihre Stärke aus dem Vermeiden von eindeutigen Antworten. (Die auch Hofmannsthal nicht gibt.)

Dass die teils banale, sich geschäftsmäßig fortspinnende Jodel-Musik nie langweilig wird, dafür sorgt Dirigent Andrew Litton, der die Partitur durchsichtig gestaltet, seine Sänger niemals zudeckt (ein besonderes Bravo dafür) und mit vielen feinen Farben arbeitet – in völliger Symbiose mit der Bühne. Es liegt aber auch an den Damen, die wirklich die Sterne vom Himmel singen. Während Merbeth ihr wunderbares Material etwas arg unter Druck einsetzt (selbst da, wo das überhaupt nicht nötig ist), verströmt Laura Aikin Sopranglück pur: warme, leichte Töne, exquisit und sinnlich, auch im Spiel. Ihr zur Seite die ‚alles-wissende Muschel’ der Ewa Wolak: sonor, teils auch komisch, aber nie lächerlich. Auch der Rest der Damen-Riege ist erstklassig: Jacquelyn Wagner und Stephanie Weiss als Dienerinnen und Erica Miller, Julia Benzinger und Nicole Piccolomini als drei Elfen. Die Herren waren da zwar optisch ebenfalls imposant, aber stimmlich leicht überfordert, was neben den bemühten Menelaus von Chafin speziell für Morten Frank Larsen als Altair gilt.

Es bleibt zu wünschen, dass auf diese Weise noch oft Oper in Berlin gezeigt wird. Besonders an der Deutschen Oper: Inspiriert besetzt, inszeniert und musiziert, mit vollem Vertrauen auf das Werk selbst. Wenn dieser Ansatz bei einem so schwachen Stück wie der 'Ägyptischen Helena’ funktioniert, kann man sich ausmalen, welchen Effekt das bei echten Meisterwerken macht... Mit Ricarda Merbeth hat man zudem einen vielversprechenden Sopran für eine Premiere ans Haus geholt, dem man in Zukunft mehr Premieren anvertrauen sollte – wie wäre es mit einer Heliane, von Korngold? Ebenfalls 1928 uraufgeführt und musikalisch weit genialer als diese ‚ symbolisch-mystischverworrene Angelegenheit’? Einzige Kritik: Die Textverständlichkeit aller Sänger war miserabel, und ohne deutsche Übertitel hätte man beim besten Willen kein Wort verstanden. Daran sollte sich dringend etwas ändern, auch wenn Hofmannsthals Texte – in diesem Fall – teils peinigend platt sind.

 

www.Opernnetz.com
3. Februar 2009

Rosenarabella ohne Schatten

Langsam, nahezu vorsichtig nähert sich das homogen aufspielende Orchester der Deutschen Oper Berlin unter dem aufmerksam leitenden Andrew Litton der Strauss-spezifischen Sogkraft einer gnadenlos suggestiven Musik. Es sind lange, durch kalkulierte Eruptionen unterbrochene Anläufe zu schwelgenden Streicher-Piani – durchaus, im Strauss-Sinn, sentimental-betörend, die Zuhörer geradezu wehrlos ausliefernd. Das gelingt – je länger, desto intensiver – Dirigent und Musikern mit ungemein sicher-sensiblem Zusammenspiel zur Konstruktion eines elegant parfümierten Wohlklangs.

Marco Arturo Marelli schafft – mit sedierender Regie, einer opulent zwischen „Märchen" und Realität changierenden Bühne und farbsymbolisch eingesetzten Licht-Effekten – eine Atmosphäre dubioser mystischer Verwicklungen. Doch entbehrt das Geschehen des Geheimnisvollen, weicht permanent aus in platte Konkretisierung, stellt die Protagonisten isoliert an die Rampe, rekapituliert die Hofmannsthal-Vorlage, setzt sich mit der k.u.k.-Poesie und ihrer eigentümlichen Mischung aus verquerer Lyrik und brachialer Wort-Radikalität (Waffen, Kampf, Gebieter, Dienerin...) nicht auseinander – vermittelt vielmehr eine Mixtur aus Rosenkavalier, Arabella und Frau ohne Schatten: blass und dekorativ-beliebig.

Für die Akteure eine heikle Aufgabe, sind sie doch in ihrer Darstellung der Beziehungen zwischen Menelas, Helena, Paris und der zaubernden Aithra weitgehend auf ihre stimmlichen Möglichkeiten verwiesen. Robert Chafin hat offenbar aktuelle Probleme mit den exaltierten Ausbrüchen des konfus-unorientierten Menelas, überzeugt jedoch mit den langen Bögen tenoraler Artikulation. Ricarda Merbeth gibt der reuig-neubeginnenden Helena viel Emotion in der beeindruckend-flexiblen Mittellage, kann jedoch in den vorgegebenen dramatischen Höhen zeitweilige Schärfen nicht vermeiden. Laura Aikin singt die Zauberin Aithra mit klarer Intonation, doch vermittelt sie nicht das mythisch-Geheimnisvolle dieser rätselhaften Figur. Ewa Wolak ist die alles-wissende Muschel mit beeindruckender Alt-Präsentation. Gesanglich ist das gesamte Ensemble der Deutschen Oper brillant – ohne allerdings emotionale Faszination zu vermitteln.

Das – neue – Publikum im Haus an der Bismarckstraße reagiert äußerst geduldig, goutiert musikalische Opulenz und sängerische Virtuosität, viele sind durchaus verstört durch die per Übertitel kommunizierten Hofmannsthal-Texte – dennoch: dankbarer Applaus am Schluss, kein Lamentieren, keine besserwisserische Krakeelerei. Offenbar setzt sich auch an der Deutschen Oper ein unbefangen-vorteilsfreies Publikum langsam durch. Wie schön! (frs)

nnnnn Musik
nnnnn Gesang
nnnnn Regie
nnnnn Bühne
nnnnn Publikum
nnnnn Chat-Faktor

 

Der neue Merker
22.01.2009

„Die ägyptische Helena" von Strauss an der Deutschen Oper Berlin

Richard Strauss war nach der Komposition des bürgerlichen Konversationsstücks „Intermezzo" sehr daran interessiert, wieder einen mythischen Stoff zu vertonen, wobei er an eine „Operette" mit gesprochenen Dialogen, Melodramen und Rezitativen dachte. Auch Hugo von Hofmannsthal stellte sich eine „operettenhafte" Darstellung der Antike vor. „Ich lasse nicht nach, über ein spätantikes, graziles, auch etwa ein wenig freches Lustspiel nachzusinnen, mit viel Parlando und etlichem leichten und hübschen Zeremoniell", formulierte der Textdichter. In seiner komplizierten Handlung von Menelas und einer „Ägyptischen Helena" verband Hofmannsthal Elemente aus Homer, Herodot, Euripides und anderen antiken Literaten. Die mit viel mythologischem Ballast beschwerte Handlung wurde dann aber doch nicht die von Strauss gewünschte „Operette", sondern eine fast dreistündige Oper für ein großes Orchester. Dennoch verlief die Zusammenarbeit mit dem Textdichter ausgesprochen harmonisch und Strauss schwärmte, dass „sich das meiste wie von selbst" komponiere. Die Uraufführung fand am 6. Juni 1928 in Dresden statt.

Am 18. Jänner 2009 brachte nun die Deutsche Oper Berlin diese nur allzu selten gespielte Oper in einer Inszenierung von Marco Arturo Marelli auf die Bühne, der im vergangenen Jahr an der Wiener Staatsoper mit Strauss’ „Capriccio" einen außergewöhnlichen Erfolg feiern konnte. Man sprach damals in Wien von einem „Gesamtkunstwerk". Dies gelang dem Schweizer Regisseur Marelli in Berlin nicht, obwohl er auch hier seine großen Stärken ausspielte. Als ein Meister der Verwandlung der Bühne schaffte er es immer wieder, die Ebenen der realen Gegenwart, der traumatisch durchlebten Vergangenheit und der Flucht in ein allerdings trügerisches Paradies ineinander greifen zu lassen. Einige Regiegags stören meines Erachtens allerdings den guten Gesamteindruck – warum stehen einander Menelas und Helena als Schiffbrüchige mit Revolvern gegenüber, warum fuchteln fortwährend Soldaten mit Gewehren herum? –, andere Einfälle lassen sich nachvollziehen, wie beispielsweise der tragbare Fernseher als „alles wissende Muschel" oder die Einnahme des Vergessenheits- und Erinnerungstranks als Drogenkonsum darzustellen.

Der Inhalt der stark gekürzten und auch ein wenig veränderten Handlung (im 1. Akt wurden dreißig, im 2. Akt etwa zwanzig Minuten gestrichen und eine Szene vorgezogen): Aithra, eine ägyptische Königstochter und Zauberin, erwartet ihren Geliebten Poseidon, doch durch die „alles wissende Muschel" lässt ihr der Gott des Meeres ausrichten, er werde in Äthiopien festgehalten. Dafür nähert sich ein Schiff mit Menelas und Helena, aus Troja kommend, der Insel. Die Muschel fleht Aithra an, Helena mit ihren Zauberkünsten zu retten, da Menelas seine ehebrecherische Gattin offenbar töten wolle. Zur Rettung der „schönsten Frau der Welt" entfacht Aithra einen Sturm, der das Paar an der Insel stranden lässt. Unbefangen folgt Helena der Einladung zum Gastmahl. Da Menelas seine Gattin wegen ihres Ehebruchs mit Paris und des dadurch ausgelösten Trojanischen Krieges nach wie vor töten will, beschließt Aithra, Helena mit Hilfe ihrer Dienerinnen, die den rasenden Menelas noch mehr verwirren, sodass er überall Paris zu erblicken glaubt, beizustehen. Unterdessen beruhigt die Zauberin Helena mit einem aus Lotos zubereiteten Trank, sodass sie in Schlaf sinkt. Als Menelas zurückkehrt – er glaubt, im Kampf Helena und Paris ermordet zu haben –, reicht ihm die Zauberin ebenfalls einen Trank des Vergessens und versichert ihm, dass seinerzeit die Götter Paris nur ein Luftgebilde mitgegeben hätten, die wirkliche Helena aber in Ägypten in tiefen Schlaf, der ihre Jugend und Schönheit bewahre, versetzt worden sei, um einst von ihm wiedererweckt zu werden. Als Helena erwacht, bittet sie Aithra, sie beide in ein Land zu bringen, wo weder „Helena" noch der „Trojanische Krieg" bekannt sind.

Nach der Liebesnacht preist Helena den Zauber der „zweiten Brautnacht". Als Menelas den Dolch erblickt, mit dem er Helena auf Aithras Insel ermordet zu haben glaubt, kommen ihm Zweifel, ob nicht auch diese ägyptische Helena ein Trugbild ist, das ihm Aithra zum Trost in die Arme geführt hat. Helena wiederum ist entschlossen, Menelas ganz zurückzugewinnen und bittet Aithra, ihm einen Erinnerungstrank zu reichen. Fremde Krieger unter der Führung des Beduinenfürsten Altair dringen ein und bedrängen Helena. Auch Altair ist von ihrer Schönheit verzaubert. Er macht ihr Avancen und beschenkt sie reich. Sein Sohn Da-ud wirbt so schmachtend um Helena, dass Menelas in ihm Paris wiederzuerkennen meint und Da-ud bei der anschließenden Jagd tötet. Als Helena ihren Gatten auffordert, sie zu töten, erwacht Menelas aus seiner Raserei. An ihrem Opferwillen erkennt er, dass er nicht ein Trugbild, sondern die wahre Helena vor sich hat. Als auch noch Hermione, Helenas und Menelas’ gemeinsame Tochter, herbeigeführt wird, fallen sie sich versöhnt in die Arme. Aithra lässt ihre Zauberkräfte spielen und erweckt Da-ud und die von Menelas getöteten Krieger wieder zum Leben. Ihr Plan, das Paar mit Hilfe Hermiones wieder zu vereinen, ist aufgegangen.  

Da Regisseur Marco Arturo Marelli, der auch für Bühnenbild und Licht verantwortlich zeichnet, der Meinung ist, dass der Dichter Hugo von Hofmannsthal das Libretto zur Oper unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs verfasst hat, verlegt er die Handlung ins 20. Jahrhundert, was sich an der Gestaltung der Bühne als Kriegs-, Zauber- und Fluchtraum und an den Kostümen ablesen lässt. Dagmar NiefindsKreationen sind teils griechisch und arabisch angehaucht, teils neuzeitliche Uniformen (Soldaten, aber auch die Bordellkleidung der drei Elfen der Zauberin, die hin und wieder die auftretende Soldateska zu trösten haben) und moderne Schultracht (Hermione kommt als Schulmädchen mit Ranzen und Pullmanmütze auf die Bühne), teils elegant (Aithra und Helena in einigen Szenen).

Ricarda Merbeth, seit Jahren an der Wiener Staatsoper eine der tragenden Säulen, sang die Partie der Helena bravourös. Ihr sicherer Sopran umschiffte alle gefährlichen Klippen dieser schwierigen Rolle, während Robert Chafin in der nicht weniger schwierigen Partie ihres Ehemannes zwar seinen kräftigen Tenor stark forcierte, hin und wieder jedoch an seine Grenzen stieß. Schauspielerisch gestaltete er den kriegerischen und oftmals verwirrten Menelas hervorragend. Großartig Laura Aikin als ägyptische Königstochter und Zauberin Aithra. Ihre ausdrucksstarke Sopranstimme und ihr ausgezeichnetes Spiel beeindruckten das Publikum von Beginn an. Als Beduinenfürst Altair gefiel Morten Frank Larsen mit seinem gut geführten Bariton, imposanter der Tenor Burkhard Ulrich als sein Sohn Da-ud, dessen schmachtender Gesang nicht nur Helena bezauberte. Die „alles wissende Muschel" wurde von der Altistin Ewa Wolak gut gesungen. Als die drei Elfen Aithras, die als leichtbekleidete Liebesdienerinnen zu agieren hatten, gefielen optisch und gesanglich Erica Miller, Julia Benzinger und Nicole Piccolomini. Jacquelyn Wagner und Stephanie Weiss waren die „normalen" Dienerinnen der Zauberin.

Dem Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Andrew Litton gelang es, die faszinierende und aufwühlende Musik von Richard Strauss in allen Facetten – von kriegerischer Lautmalung bis erotischer Sinnlichkeit – darzubringen und so das Publikum, das am Schluss dem gesamten Ensemble und den Musikern lang anhaltenden, frenetischen Beifall spendete, restlos zu begeistern.

Udo Pacolt
Wien-München

 

International Herald Tribune
Tuesday, January 20, 2009

A daunting 'Die Ägyptische Helena'

By George Loomis


Ricarda Merbeth, Robert Chafin, and Burkhard Ulrich
in a scene from the opera "Die Ägyptische Helena."
(Marcus Lieberenz/bildbuehne.de)

BERLIN: 'Die Ägyptische Helena" ("The Egyptian Helen") is the problem child among the operas by Richard Strauss and Hugo von Hofmannsthal, never gaining the public affection of "Der Rosenkavalier" or "Ariandne auf Naxos." The problems begin with the title role, which requires a soprano capable of singing Strauss's soaring melodies while plausibly representing the world's most beautiful woman. But coming to grips with Hofmannsthal's libretto - a fanciful confection about Helen of Troy's post-Trojan War reconciliation with her cuckolded husband Menelaus - is an even more daunting challenge.

An important literary figure in his own right, Hofmannsthal never considered himself a junior partner to Strauss and sometimes pushed the composer where he was not inclined to go. Fascinated by myth, Hofmannsthal sought here to elucidate a question puzzling to classicists: Homer's report that, years after the Trojan War, Menelaus and Helen enjoyed a happy domestic existence. In Hofmannsthal's gloss Menelaus is inclined to punish Helena's adultery by death, but his love is restored by a potion from the sorceress Aithra. Matters might have been left at that, but Helen, not satisfied with magic, determines to repeat the reconciliation process in a psychologically dense second act, bogged down by action that re-enacts (in Menelaus' mind) the Trojan War.

The producer Marco Arturo Marelli's creative solution for the Deutsche Oper Berlin's new production is to have the Act II action also spring from Aithra's machinations. The cardboard villain Altair, created simply to give Menelaus a rival, is here enacted by Poseidon (Aithra's otherwise unseen lover) in disguise. The device lightens the mood and brings the opera more in line with the operetta Strauss originally intended; some rearrangement of scenes and judicious cutting also prove helpful. Marelli's questionably brings on the couple's child Hermione to shield Helen from possible harm when Menelaus regains his senses, thereby detracting from the girl's appearance at the end. But Marelli's decision to set the action in a maison de plasir proves plausible and his sets are dazzling, as are Dagmar Niefind's costumes.

Another source of the production's success is the conductor Andrew Litton. Strauss's big orchestral moments make due impact but no less telling is the sustained tension Litton brings to quiet passages. Ricarda Merbeth's creamy soprano shines in Helen's music, and, as Menelaus, Robert Chafin copes valiantly with the punishing music Strauss tended to write for tenors. Laura Aikin sings exquisitely as Aithra, Morten Frank Larsen is strong as Alair, and Ewa Wolak robustly intones pronouncements of the Omniscient Mussel.

Meanwhile, Munich's Bayerische Staatsoper has tackled another opera from early 20th-century Germany that poses formidable challenges: Hans Pfitzner's "Palestrina," which premiered in Munich in 1917. Pfitzner never again rose to comparable artistic heights and later sullied his reputation by currying favor with Hitler, but "Palestrina" has always had its devotees, among them Thomas Mann, and even those with doubts acknowledge its nobility of purpose in grappling with artistic issues.

Nominally, the opera deals with the composer Giovanni Pierluigi da Palestrina, the master of 16th-century counterpoint, whose art is threatened by proposals under consideration by the Council of Trent to simplify church music in response to the Reformation. But the subject is a metaphor for the crossroads that music reached in the early 20th century as the late Romantic tradition gave way to new styles.

Pfitzner, an ardent German nationalist, takes a stand by exalting the sanctity of art. In the opera, Palestrina is called upon by church proponents of counterpoint to write a Mass that will definitively demonstrate the style's superiority. But plagued by self-doubt, he is unable to do so until gaining divine inspiration from visions of past composers, and even an array of angels. His "Missa Papae Marcelli" saves the day.

To the skeptic, however, "Palestrina" can seem like a gloomy rewrite of "Die Meistersinger." The music, with its highly personal evocation of ancient modal harmonies and intertwining melodic lines, is consistently austere. And while it creates an aura, Pfitzner seems to shun any overt appeal to the listener's emotions.

Christian Stückl directs the principals with sensitivity and insight, and a few humorous touches provide welcome relief. But Stefan Hageneier's sets and costumes lack the right decorum. Initially in black and white, they turn gaudy by incorporating bright green and shocking pink - hardly the colors suggested by Pfitzher's music - and the composers who inspire Palestrina are made to look like clowns.

Munich has assembled a splendid cast, headed by the tenor Christopher Ventris, who is duly introspective as Palestrina. The baritone Falk Struckmann is in towering form as Borromeo, the Roman who urges Palestrina to write the Mass, and another baritone, Michael Volle, excels as Morone, the papal legate who struggles to keep the council harmonious. Christiane Karg, a soprano, sings vibrantly as Palestrina's son Ighino. Within the limits set by Pfitzner, the conductor Simone Young imparts energy to the score. But "Palestrina" is a long four-and-a-half hours.

 

FINANCIAL TIMES
February 7 2009

Die Ägyptische Helena

By Shirley Apthorp

Good roles for shellfish are few and far between in opera but, thanks to Richard Strauss and his Ägyptische Helena , there is one piece where a mollusc gets a good sing. Admittedly Hugo von Hoffmannsthal was going through a hard time when he penned this libretto. But an omniscient mussel?

The mussel was actually the least of Hoffmannsthal's problems. Die Ägyptische Helena is a dog's breakfast of a libretto, incomprehensible, ungainly and silly. Strauss's score is similarly scrambled, a tangle of violent outbursts and gaudy kitsch. So it is a small miracle that Berlin's Deutsche Oper has come up with such a gripping production of the piece. Marco Arturo Marelli and his team have cut vast swathes from the original, to which only hard-core Strauss fans could possibly object. Much of Hoffmannsthal's action is ditched, with the focus on the sorceress Aithra and her role as psychotherapist for the failing marriage of Helena and Menelas.

Marelli's Aithra keeps a genteel brothel in wartime Cairo. The lotus juice and countless potions in the piece can all be found on the shelves of the drinks cabinet. Here battle-weary soldiers find solace in the arms of warm-hearted whores. Aithra draws them all into role-playing games to help Menelas deal with his traumatic past. In the process, Helena finds forgiveness.

Marelli's nostalgic sets and opulent colours are effective. He finds the coherence that Strauss and Hoffmannsthal lack, and the piece is the winner. For once, the Deutsche Oper has pulled together an excellent cast. Ricarda Merbeth tackles the murderous part of Helena with strength, musicality and grace. Strauss wrote even more screamingly arduous music for the violent Menelas, and Robert Chafin takes it on with wild courage and impressive stamina. Both find room for intelligence, nuance and tenderness amid the howling. And that really says something. But Laura Aikin's Aithra ultimately steals the show, with singing that has breadth, depth, sweetness and command.

Andrew Litton brings the necessary discipline and restraint to the score, giving the crass climaxes all they're worth without ever drowning his singers. Evidently a sow's ear can truly yield a silk purse. ****

 

Resmusica.com
05/02/2009

[Scène] Lyrique
Hélène d’Egypte
[Berlin] Hélène réhabilitée

par Vincent Deloge

Dans le cadre d’un mini festival Richard Strauss, programmant en alternance cinq ouvrages du compositeur, le Deutsche Oper de Berlin a eu l’excellente idée de nous proposer une nouvelle production de Hélène d’Egypte, le plus méconnu des ouvrages straussiens de la maturité. Ni le livret, brillante construction intellectuelle signée Hofmannstahl, ni la partition dont Michael Kennedy a souligné le lyrisme radieux et l’orchestration raffinée, ne méritent en effet pareille négligence. Cette production souligne, s’il en était besoin, le charme pénétrant de l’ouvrage et sa viabilité scénique.

C’est en plasticien que Marco Arturo Marelli aborde Hélène d’Egypte, jouant en virtuose des couleurs chaudes et des éclairages savants. Les superbes toiles peintes évoquent une Egypte revue au prisme d’Hollywood et la demeure d’Aithra est transformée en lupanar à soldats peuplé de femmes légères. Le plateau tournant permet, d’un salon cossu à une chambre déstructurée, de gérer les changements de lieu et d’ambiance en assurant une parfaite lisibilité à l’ensemble. La magie est suggérée sans artifices dans cette production fluide et élégante. Nous retiendrons des images particulièrement réussies comme celle d’Aithra chantant en solo devant un rideau bleu comme sa robe, dont le drapé et les mouvements évoquent délicieusement l’élément marin. La direction d’acteurs est précise et la mise en place irréprochable, mais le metteur en scène s’est intelligemment interdit d’infliger aux chanteurs des pièges supplémentaires à ceux, vocaux, que Strauss a conçu à leur intention.

La partition exige en effet des chanteurs d’exception. Le rôle titre, créé par Rethberg et bientôt repris par Jeritza, trouve en Ricarda Merbeth une interprète de très haut niveau. Nous ne savons que louer, de la projection impériale ou de la pureté des aigus, chez cette cantatrice capable de tonner par dessus les tutti orchestraux comme de plier sa voix à d’habiles nuances. Elle partage, de plus, avec Laura Aikin une parfaite maîtrise du langage straussien. Celle-ci, costumée en vamp hollywoodienne, a conservé sa facilité dans l’aigu mais l’instrument s’est étoffé. Vocalement souveraine, sa magicienne mène le jeu avec une classe indéniable. Ewa Wolak, enfin, aborde le coquillage omniscient avec les moyens d’un authentique contralto.


Robert Chafin (Ménélas) Ricarda Merbeth (Hélène)
© Deutsche Oper Berlin

Les satisfactions sont moindres côté masculin. Robert Chafin dispose de moyens plus modestes lorsqu’il s’agit de franchir le barrage orchestral ou d’exister dans les ensembles. Nous lui reconnaissons cependant une bravoure indéniable pour aborder ce rôle meurtrier, ainsi que de louables intentions musicales. Morten Frank Larsen possède une voix ample et corsée mais la tessiture du rôle d’Altair le met visiblement en difficulté, et la prestation s’avère crispée. Enfin, l’air - certes conventionnel - de Da-ud, appelait chanteur autrement stylé que celui de Burkhard Ulrich, ténor de caractère ici égaré.

A la baguette, Andrew Litton ne recherche aucune subtilité mais veille à un très bon équilibre des forces instrumentales et vocales. Il fait miroiter les sonorités d’un orchestre de très haut niveau (bois veloutés, cordes sensuelles et cuivres autoritaires) et lâche les chevaux dans les points d’orgue, sans aucun désordre cependant. Il contribue ainsi à la réussite d’un spectacle de très haut niveau, qui donne furieusement envie d’entendre très bientôt Hélène d’Egypte sur une scène hexagonale, d’autant que l’issue de l’ouvrage est d’une morale édifiante : le sentiment véritable triomphe de l’illusion.

Berlin. Deutsche Oper. 30-I-2009. Richard Strauss (1864-1949) : Hélène d’Egypte, opéra en 2 actes, sur un livret de Hugo von Hofmannstahl. Mise en scène, décors et lumières : Marco Arturo Marelli. Costumes : Dagmar Niefind. Avec : Ricarda Merbeth, Hélène ; Robert Chafin, Ménélas ; Laura Aikin, Aithra ; Morten Frank Larsen, Altair ; Burkhard Ulrich, Da-ud ; Ewa Wolak, Muschel. Chœur du Deutsche Oper (chef de chœur : William Spaulding), Orchestre du Deutsche Oper, direction musicale : Andrew Litton.

 

Il giornale della musica
16 febbraio 2009

Le Strauss Wochen alla Deutsche Oper di Berlino
PIANETA STRAUSS
Successo alla Deutsche Oper di Berlino della rassegna straussiana con la rara "Elena Egizia" e l'"Ariadne" vista da Carsen


Da "Ariadne" (foto Bettina Stöß)

Può capitare solo nei teatri di repertorio che, grazie alla copiosità di titoli normalemente offerti al pubblico durante la stagione, si creino stimolanti percorsi tematici. È il caso delle Strauss Wochen alla Deutsche Oper di Berlino, che fra gennaio e febbraio hanno offerto una significativa panoramica del teatro musicale straussiano attraverso titoli noti e frequentemente eseguiti e un’interessante riproposta. "Elena Egizia", probabilmente la meno riuscita delle opere del sodalizio Strauss-Hofmannstahl nonostante l'impegno e l’entusiasmo profuso del librettista e la rigogliosa vena melodica del compositore, ha troppi spunti che tuttavia non sembrano integrarsi in un disegno unitario convincente. Per superare i limiti di una drammaturgia sbilanciata e frammentata, Marco Arturo Marelli la immagina in un bordello esotico, cornice nella quale re Menelao rielabora il trauma della guerra e dell'uccisione di Paride e celebra l'amor coniugale con Elena, complici la ruffiana Aithra con la sua corte di colorate maitresse e compiacenti ufficiali di marina. Al tocco esotico della scena (dello stesso Marelli), Andrew Litton aggiunge la sua preziosa direzione musicale solo in parte sostenuto da un cast nel quale le voci maschili latitano e convincono davvero solo la robusta Elena di Ricarda Merbeth e la petulante Aithra di Laura Aikin. Pienamente riuscita anche l'altra novità della rassegna, cioè l'"Ariadne auf Naxos" firmata da Robert Carsen, che arrivava a Berlino a soltanto qualche mese dal debutto al Prinzregententheater di Monaco di Baviera. Spettacolo di esemplare semplicità, fatto di corpi e sui corpi degli interpreti che con la semplice forza dei gesti disegnano ambienti e modulano i registri del tragico e del comico. Formidabile la compagnia - completamente rinnovata rispetto a Monaco - con Violeta Urmana, Arianna di spessore tragico, Jane Archibald, strepitosa Zerbinetta, e Roberto Saccà, Bacchus dai begli accenti lirici. Ricca di colori anche la briosa direzione di Jacques Lacombe, che contribuiva in maniera deterninante al successo della serata. Interessanti anche le tre riprese a cominciare dall'accoppiata fra la straussiana "Elektra" e la "Cassandra" di Vittorio Gnecchi, interessante combinazione di temi classici e accenti veristi fra Mascagni e Puccini. Il racconto del ritorno di Agamennone dalla guerra di Troia e del suo massacro davanti agli occhi di un’Elettra bambina è concepito pertinentemente come 'prequel' dalla regista Kirsten Harms che sfrutta lo stesso ambiente - uno spazio oppressivo rinchiuso fra tre alte pareti e coperto di terra - per le due opere per sottolinearne il legame ideale e le simmetrie (e del resto le due opere si aprono con quasi lo stesso motivo). Musicalmente più riuscita la seconda parte della serata per un cast complessivamente più omogeneo e la solida direzione di Kazushi Ono, più a suo agio con i furori straussiani. Per l'occasione la Deutsche Oper rispolverava, dopo qualche anno di assenza dalle scene, anche la "Salome" stralunata ed espressionista di Achim Freyer, lontanissima dalle morbose atmosfere decadenti di Oscar Wilde. Spettacolo riuscito solo a metà, soprattutto per le debolezze di un cast che aveva in Manuela Uhl una troppo debole protagonista e ripescava un esagitato Chris Merritt per Erode. Chiudeva la rassegna un vecchiotto "Rosenkavalier" firmato da Götz Friedrich nel 1993. Cast onesto e bilanciato guidato dall’esperienza del veterano Peter Schneider sul podio. Il pubblico numeroso (specie per le novità) ha salutato con calore i vari spettacoli. Un plauso particolare va dato all'Orchestra della Deutsche Oper, sempre all'altezza della sfida che la densa e sempre mutevole scrittura straussiana pone agli esecutori, protagonisti in buca al pari della scena. Gli spettacoli continuano fino al 27 febbraio.

Stefano Nardelli