Die Wahrheit kommt zu spät DARMSTADT. Sie strahlt einnehmende Zufriedenheit aus, die Sängerin Susanne Serfling, wenn sie über Jacques Fromental Halévys Oper „Die Jüdin" erzählt. Denn sie ist glücklich, eine so große Partie wie die der Rachel singen zu dürfen, jene Hauptrolle, die dieser Oper den Titel gegeben hat. In Darmstadt wird sie in französischer Sprache gesungen und heißt daher „La Juive" – die deutsche Übersetzung läuft per Übertitelung mit. John Dew, der Intendant des Darmstädter Staatstheaters, führt selbst Regie. An diesem Sonntag (7.) ist die Premiere im Großen Haus. Dew bringt das Werk nach seinen Inszenierungen in Bielefeld (1989), Nürnberg (1994) und Dortmund (1995) jetzt zum vierten Mal auf die Bühne – 1991 gastierte das Bielefelder Ensemble damit bei den Maifestspielen in Wiesbaden. Der Regisseur ist nach wie vor fasziniert von dieser Oper des französischen Komponisten Halévy (1799–1862), die 1835 in Paris uraufgeführt wurde, dessen Vorfahren aus Fürth bei Nürnberg stammen und der selbst Schwiegervater des „Carmen"-Komponisten Bizet gewesen war. Eine französische Grand Opéra, die erstmals den Schrecken und Terror einer vergangenen Zeit auf die Opernbühne brachte. Ein Werk, das übrigens gut zu Darmstadt und dessen Theatertradition passt, sich auch für unbekanntere und wenig gespielte Stücke stark zu machen. Zum letzten Mal wurde „Die Jüdin" 1915 in Darmstadt aufgeführt. Eugène Scribe, schon immer für spannende Operntexte gut, hat für Halévy ein Libretto verfasst, das so spannend ist wie ein Drehbuch von Hitchcock. Rachel weiß bis zuletzt nicht, weil sie zuvor hingerichtet wird, dass sie die Tochter eines Christen ist. Eléazar, der jüdische Goldschmied und ihr Ziehvater, hat sie einst aus einer Feuersbrunst gerettet und in seinem mosaischen Glauben großgezogen. Er weiß, wessen Tochter sie ist: von Kardinal Brogni, der angesichts des Verlustes seines Kindes Kleriker geworden ist. Derselbe, der einst Eléazars Söhne hinrichten ließ. Rachel ihrerseits liebt den Reichsfürsten Leopold, der sich ihr nicht als solcher zu erkennen gibt, da er zugleich Eudoxie die Ehe versprochen hat. Rachel wird des Betrugs gewahr, und es kommt zu einem öffentlichen Eklat. Eléazar und Rachel werden verhaftet und zum Tod verurteilt. Leopold wird verbannt. Kardinal Brogni, der noch immer nach seiner Tochter sucht und ahnt, dass Eléazar wohl mehr weiß, als er zugibt, bietet Rachel an, zum Christentum zu konvertieren. Doch sie lehnt entrüstet ab, nachdem sie hat erfahren müssen, wie Christen mit Andersgläubigen verfahren. Am Ende klärt Eléazar seinen Widersacher Brogni auf: Rachel, die bereits Tod am Galgen hängt, ist die von ihm Gesuchte. Die Sopranistin Susanne Serfling ist begeistert von der hochdramatischen, packenden Musik, die in den Arien auch große Emotionen wecke und nennt „Die Jüdin" ein „Gänsehaut-Stück". Die Religion stehe darin im Mittelpunkt, und die Menschen scheitern, weil sie zu viel verschweigen und dann erst mit der Wahrheit herausrücken, wenn es zu spät ist. Dew würde das Werk in einer stilisierte, zeitlosen Gegenwart ansiedeln und einem eher sparsamen Bühnenbild spielen lassen, wobei Wände die unterschiedlichen Räume andeuten und Licht und Farben sehr symbolisch eingesetzt werden würden. hz |
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oper Mit "La Juive" ist John Dew, Intendant des Staatstheaters Darmstadt, seit Jahrzehnten vertraut. Er sorgte mit dafür, dass diese selten gespielte Oper von Jacques Fromental Eli Halévy in Deutschland bekannt wurde. Für großes Aufsehen sorgten Dews Inszenierungen in Bielefeld 1986 und in Dortmund zehn Jahre später. Dort konfrontierte Dew das Publikum mit einer nackten Bühne und einem brennendem Asylbewerberhaus als Schlussbild. Mal sehen, ob Dew dem Konflikt zwischen der Jüdin Rachel und dem Fürsten Leopold diesmal neue Gegenwartsbezüge abgewinnt. vo La Juive, 7.9., 18 Uhr (Premiere), [ document info ] |
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